Betrachtungstext: 26. Woche im Jahreskreis – Freitag

Die Umkehr, zu der Jesus uns ruft –  Sich immer an Gott wenden – Den Sprung des Glaubens erbitten

GERADE WEIL JESUS das Herz des Menschen kennt, verkündet er kein „gefälliges Evangelium“. Er bietet keine Abkürzung zu Frieden, Erfolg oder Sieg an – so wie die Welt sie versteht. Er will unser wahres Glück, und darum ist er oft anspruchsvoll: Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Denn wenn in Tyrus und Sidon die Machttaten geschehen wären, die bei euch geschehen sind – längst schon wären sie in Sack und Asche umgekehrt. Doch Tyrus und Sidon wird es beim Gericht erträglicher ergehen als euch. Und du, Kafarnaum, wirst du etwa bis zum Himmel erhoben werden? Bis zur Unterwelt wirst du hinabsteigen! (Lk 10,13-15).

Diese Worte richten sich gegen Städte, die zwar Zeugen von Wundern geworden waren, aber das Heil nicht annahmen. Sie baten nicht um Vergebung und kehrten nicht um. Der Katechismus erinnert uns: „Innere Buße ist radikale Neuausrichtung des ganzen Lebens, Rückkehr, Umkehr zu Gott aus ganzem Herzen, Verzicht auf Sünde, Abwendung vom Bösen, verbunden mit einer Abneigung gegen die bösen Taten, die wir begangen haben. Gleichzeitig bringt sie das Verlangen und den Entschluss mit sich, das Leben zu ändern, sowie die Hoffnung auf das göttliche Erbarmen und das Vertrauen auf seine Gnadenhilfe.“1

Die Bekehrung, zu der Jesus ruft, bedeutet nicht Fehlerlosigkeit, sondern einen ständigen, demütigen Kampf – auch mit heiterem Herzen. Der heilige Josefmaria hielt fest: „Wenn von Kampf die Rede ist, haben wir sogleich unsere Schwachheit vor Augen und ahnen schon die kommenden Niederlagen. Doch Gott rechnet damit. Wir sind unterwegs, und es lässt sich nicht vermeiden, dass der Staub des Weges an uns haftet. Wir sind Geschöpfe voller Gebrechen. Ja, mir scheint sogar, dass es Gebrechen in unserer Seele geben muss wie Schatten, von denen sich die Gnade Gottes und unser Bemühen, diesem göttlichen Geschenk zu entsprechen, um so klarer abheben. Erst beides zusammen, Licht und Dunkel, macht uns menschlich, demütig, verständnisvoll und großzügig.“2


OFTMALS staunt Jesus über den Unglauben der Apostel. Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen? (Mt 8,26), fragt er sie, als sie befürchten, dass das Boot mit ihm an Bord im Sturm untergehen könnte. Ihr Kleingläubigen, was macht ihr euch darüber Gedanken, dass ihr kein Brot habt? Begreift ihr noch nicht? (Mt 16,8-9), sagt er ein anderes Mal zu ihnen, nachdem sie mit ihm zweimal an einer Vermehrung von Broten und Fischen mitgewirkt hatten. Und zu Petrus sagt er, als dieser zögert, nachdem er auf dem Wasser gegangen ist: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? (Mt 14,31).

Das Leben der Jünger besteht – wie das unsere – aus Licht und Schatten, Höhen und Tiefen. Es gibt Momente, in denen wir das Wirken Gottes klar erkennen, und dann erleben wir richtige Höhenflüge und tiefe Regungen. Wir spüren, dass wir am richtigen Platz sind, dass wir zu allem fähig sind, weil wir die Nähe Jesu besonders spüren. Es können aber auch Stürme aufkommen, die uns vergessen lassen, dass wir den Herrn in unserem Boot haben; oder starker Wind, sodass wir zu sinken beginnen, weil wir vergessen, dass Gottes Kraft uns trägt.

Gerade solche Situationen helfen uns, demütig zu sein und zu erkennen, dass wir alles, was wir an Gutem haben, von unserem Vater Gott erhalten haben. Sie erinnern uns daran, dass wir uns immer wieder an den Herrn wenden müssen. Papst Franziskus sagte: „Gott sucht keine Christen, die niemals zweifeln und immer einen sicheren Glauben zur Schau stellen“3, er belohnt die Demut. Und er wird unser nicht müde: „Er kommt immer wieder zurück: wenn die Türen verschlossen sind, kehrt er wieder; wenn wir zweifeln, kommt er wieder; wenn wir wie Thomas das Bedürfnis haben, ihm zu begegnen und ihn aus größerer Nähe zu berühren, kommt er wieder.“4


JESUS ist bewegt, wenn er auf lebendigen Glauben trifft, so etwa als die blutflüssige Frau in der Menge von hinten an ihn herantritt, um seinen Mantel zu berühren, in der sicheren Hoffnung, geheilt zu werden: Dein Glaube hat dich gerettet! (Mt 9,22). Als die kanaanäische Frau um die Heilung ihrer Tochter bittet, weigert sich der Herr zunächst, ein Wunder zu wirken; aber da sie nicht locker lässt, ruft er aus: Frau, dein Glaube ist groß. Es soll dir geschehen, wie du willst (Mt 15,28). Und als der Hauptmann ihm sagte, dass sein Wort genügte, um den Diener gesund zu machen, war Jesus erstaunt, als er das hörte, und sagte zu denen, die ihm nachfolgten: Amen, ich sage euch: Einen solchen Glauben habe ich in Israel noch bei niemandem gefunden (Mt 8,10).

Joseph Ratzinger formulierte wunderbar: „Immer schon hat der Glaube etwas von einem abenteuerlichen Bruch und Sprung an sich, weil er zu jeder Zeit das Wagnis darstellt, das schlechthin nicht zu Sehende als das eigentlich Wirkliche und Grundgebende anzunehmen.“5 Jesus bewegt es, diese Menschen zu sehen, weil sie den Sprung gemacht haben. Sie gaben ihre eigene Sicherheit auf und hielten sich allein an die von Gott gebotene Sicherheit. Anfangs war es ein Abenteuer, denn sie hatten mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen: die Menschenmenge, die sie hinderte, zu ihm zu gelangen, die Verweigerung Jesu selbst, die Tatsache, dass sie nicht zum jüdischen Volk gehörten ... Doch sie begegneten ihm mit Kühnheit und eroberten so das Herz des Herrn.

Von allen Glaubenszeugnissen in der Heiligen Schrift ist keines größer als das der Jungfrau Maria. Ihr Glaube bewegte die heilige Elisabeth zu dem Ausruf: Selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ (Lk 1,45). Mit dem heiligen Josefmaria können wir beten: „Jesus, gib mir diesen Glauben! Ich sehne mich aus tiefem Herzen danach! Maria, du meine Mutter und meine Herrin, erbitte für mich, dass ich glaube!“6


1 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1431.

2 Hl. Josefmaría, Christus begegnen, Nr. 76.

3 Franziskus, Regina coeli, 24.4.2022.

4 Ebd.

5 Joseph Ratzinger, Einführung ins Christentum, S. 46.

6 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 235.