Zum Beginn des Paulusjahres

Streiflichter eines leidenschaftlichen Lebens

Der Apostel Paulus soll zwischen den Jahren 7 und 10 nach Christus im kleinasiatischen Tarsus geboren worden sein. Zur Feier seines 2000. Geburtstages hat Papst Benedikt XVI. ein Jubiläumsjahr ausgerufen. Es reicht vom 28. Juni 2008 bis zum 29. Juni 2009. – Aus diesem Anlass stellt Josef Arquer heute den heiligen Paulus vor und wird dann jeden Monat einen kurzen Passus aus den verschiedenen Briefen des Völkerapostels kommentieren. 

Wer Paulus von Tarsus war 

Vierzehn Briefe und die „Apostelgeschichte“, deren zweiter Teil im Wesentlichen eine Geschichte des Paulus ist, berichten zahlreiche Einzelheiten aus dem Leben des großen Apostels. Er hätte als Pharisäer Karriere machen können, denn er war „zu Füßen Gamaliels genau nach dem Gesetz der Väter ausgebildet“. Als „Eiferer für Gott“ sah er im Glauben der Christen eine unheilvolle Irrlehre. Er hatte „Männer und Frauen gefesselt und in die Gefängnisse eingeliefert“. Aber dann, in seinem berühmten „Damaskus-Ereignis“ erkannte er Jesus als Vollender aller messianischen Hoffnungen und als Schlüssel zum Verständnis der Geschichte Israels: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Er antwortete: Wer bist du, Herr? Dieser sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst.“ Von nun an erlebte ihn Paulus vor allem als einen Lebenden, der sich mit jenen identifizierte, die er selbst so heftig befehdet hatte. Kein anderes Ereignis hat die Entwicklung der apostolischen Urkirche so tief geprägt wie die Berufung des Paulus. 

Ein Ruf, der befreit 

War die überwältigende Erfahrung vor Damaskus ein Strahl, der Paulus unvermittelt traf? Oder hatte er schon etwas geahnt, dunkel beunruhigend, als er bei der Steinigung des Stephanus den Sterbenden rufen hörte, „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an“? Mit einem Satz, der zu betendem Nachdenken einlädt, heißt es in einer Predigt, die dem Kirchenvater Augustinus zugeschrieben wird: „Si Stephanus non orasset, Ecclesia Paulus non haberet. – Wenn Stephanus nicht gebetet hätte, hätte die Kirche keinen Paulus gehabt“. 

Die Begegnung mit Jesus befreite Paulus von seinem Zug zum Fanatischen, den man zuvor bei ihm verspürt. Er erfuhr, „dass in Christus Gott in der Weise zu dem Menschen kommt, die innerlich erfasst, löst, öffnet, frei macht, umwandelt, umschafft: als Gnade. (...) In der Stunde von Damaskus wird Paulus vom Joch gelöst, selbst leisten zu müssen – und damit von der Qual, es nicht zu können.“ (Romano Guardini) Nunmehr weiß der kommende Apostel, dass die Initiative von Gott ausgeht. Nicht mehr er und seine Leistung, sondern Christus und seine Gnade stehen in der Mitte: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich jetzt aber noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“, schreibt er später in seinem Brief an die Galater. 

Demütiges Selbstbewusstsein 

Der Herr selbst nennt Paulus sein auserwähltes Werkzeug, als er die Furcht des Hananias vor dem Neubekehrten zerstreut: „Er soll meinen Namen vor Völker und Könige und die Söhne Israels tragen. Ich werde ihm auch zeigen, wie viel er für meinen Namen leiden muss.“ Und nun verkündet der unscheinbare, sonst unbekannte Hananias dem gewesenen Verfolger und kommenden großen Verkünder: „Der Gott unserer Väter hat dich dazu erwählt, seinen Willen zu erkennen, den Gerechten zu sehen und die Stimme seines Mundes zu hörten; denn du sollst vor allen Menschen sein Zeuge werden für das, was du gesehen und gehört hast.“ 

Paulus stellt sein Amt und sein Charisma in seinen Briefen selbstbewusst und zugleich demütig heraus: „Paulus, durch Gottes Willen berufener Apostel Christi Jesu“ und „zum Apostel berufen, nicht von Menschen oder durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und durch Gott, den Vater, der ihn von den Toten auferweckt hat“. Dies zu betonen, war auch ein Stück Selbstverteidigung gegen seine Gegner, deren Spott er im zweiten Brief an die Korinther umdreht: „Ja, die Briefe, wird gesagt, die sind wuchtig und voll Kraft, aber sein persönliches Auftreten ist matt, und seine Worte sind armselig.“ Das wird wohl auch so gewesen sein. – Wie beruhigend und ermunternd ist es da, dass die Früchte apostolischen Wirkens nicht aus rhetorischen Blüten reifen. 

In das Paulusjahr eintreten 

Eine Erwägung von Papst Benedikt XVI mag helfen, fruchtbringend in das das Paulusjahr hineinzufinden: „Die christliche Tradition hat von Anfang an Petrus und Paulus als voneinander untrennbar angesehen, auch wenn jeder von ihnen eine andere Sendung zu erfüllen hatte: Petrus bekannte als erster den Glauben an Christus, Paulus erhielt die Gabe, den Reichtum dieses Glaubens vertiefen zu können. Petrus gründete die erste Gemeinde der Christen, die aus dem auserwählten Volk stammten, Paulus wurde der Apostel der Heiden. Mit verschiedenen Charismen arbeiteten sie für ein und dieselbe Sache: den Aufbau der Kirche Christi. (...) Paulus ist als ‚Geist’, als ‚Theologe’ viel größer gewesen als Simon Petrus. Der Gipfel seiner Größe liegt aber vielleicht darin, dass er jeder Versuchung zum intellektuellen Hochmut widerstanden und in dem ‚kleinen Format’ des Kephas, wie er ihn meist nennt, die Weisheit, Gnade und Liebe Jesu Christi erkannt hat, die gerade deshalb ihn und keinen anderen als seinen Stellvertreter auf Erden einsetzte. Paulus begab sich nach Jerusalem, weil Simon Petrus dort war, das irdische Haupt der Kirche, und weil er ihn annehmen musste, er vor allen und als erster.“