In diesem Jahr jährt sich der erste Besuch des hl.Josefmaría in England zum 50. Male. Aus diesem Anlass geben wir den Bericht darüber aus der kürzliche erschienenen Biografie von Andrés Vazquez de Prada, "Der Gründer des Opus Dei" wieder".
Schon seit fast zwölf Jahren lebten seine Kinder in England, als der Vater 1958 zum ersten Mal die Insel betrat. Die Arbeit dort hatte Weihnachten 1946 begonnen. Er blieb mehrere Wochen, von Anfang August bis Mitte September. (...)
Am 4. August überquerte er den Ärmelkanal von Boulogne nach Dover. Und kam noch am selben Tag in London an.
Der Vater hatte großes Interesse, die Weltstadt London kennenzulernen. In der City wimmelte es von Menschen: Beamte und Angestellte mit Melone, dunklem Anzug und gestärktem Kragen bevölkerten die Straßen, dazu doppelstöckige rote Autobusse und schwarzlackierte Taxis. Ein dichtes Treiben und Hetzen. Und mitten in der Menge Gesichter und Kleider, wie sie exotischer nicht sein konnten: Inder, Afrikaner, Chinesen und Araber. Immer wieder erregten Firmenschilder mit eindruckvollen Daten seine Aufmerksamkeit: Established in 1748 ... in 1760 ... in 1825... Der Vater ließ das alles auf sich wirken und zog daraus den Schluß: beständiges Arbeiten, weltweite Geschäftsbeziehungen, Reichtum, wirtschaftliche Macht … wie eine widerstandsfähige, uralte Baumrinde. Die City erschien ihm wie ein hundertjähriger Baum, der Luftwurzeln auswirft. Er erwog seine Eindrücke in der Gegenwart Gottes. Er empfand das Ungenügen seiner Anstrengung und seines Wagemuts an diesem Knotenpunkt der Welt. Ließen seine eigenen Möglichkeiten, gemessen an dieser übermächtigen City, eine leise Mutlosigkeit aufkommen? Aber er ließ sich davon nicht niederschlagen. Er suchte das Gegenüber des Herrn, nahm eine Aufstellung seiner Ressourcen vor mit dem deutlichen Ergebnis, dass, um dies alles für Christus zu gewinnen – so viele Menschen und Unternehmungen -, eine übermenschliche Anstrengung nötig war.
Gebet und Arbeit prägen die Tage. Dachte er an die Menschen, die die Straßen bevölkerten, an all die, die Gott nicht liebten oder Christus nur oberflächlich kannten, so fühlte er sich machtlos, etwas zu unter- nehmen. Dieses Gefühl der Ohnmacht führte ihn zu Gott wie ein Kind, das die Hilfe seines Vaters sucht. Er nahm Zuflucht zum Gebet - »das Geheimnis der Wirksamkeit des Opus Dei« -, das, so sagte er seinen Londoner Söhnen, wie ein großer Regenschirm vor allen Unbilden des Wetters und allen Widrigkeiten schützt (...).
Es muß damals gewesen sein, daß er überdeutlich eine Einsprechung des Herrn vernahm, die ihm fest im Gedächtnis haften blieb: «Du nicht! Ich doch!» Was du mit Sicherheit nicht vermagst, das kann ich.
Darauf kam er, bereits wieder in Rom, in einer Betrachtung, die er für seine Söhne hielt, zurück: »Angesichts dieses Panoramas geriet ich aus der Fassung und fühlte mich unfähig und machtlos: Josemaría, hier richtest du nichts aus. Und ich hatte recht: ich allein würde nichts erreichen können; ohne Gott könnte ich nicht einmal einen Strohhalm vom Boden aufheben. Meine armselige Hilflosigkeit war so offensichtlich, dass ich beinahe traurig wurde; und das ist schlecht. Ein Sohn Gottes, der traurig wird? Er kann müde sein, weil er wie ein treuer Esel den Karren zieht; aber traurig, nein. Die Traurigkeit ist von Übel! Plötzlich, mitten auf der Straße, im Getümmel von Menschen aus allen Teilen der Welt, fühlte ich in mir, in der Tiefe meines Herzens, die Wirksamkeit des Armes Gottes: Du vermagst nichts, ich kann alles; du bist die Unfähigkeit, aber ich bin die Allmacht. Ich werde bei dir sein, und es wird sich Wirksamkeit zeigen. Wir werden die Seelen zur Glückseligkeit führen, zur Einheit, auf den Weg des Herrn, zum Heil! Auch hier werden wir Frieden und Freude in Fülle säen!« (...)
Er verließ England mit angenehmen Eindrücken. So hatte er es bereits seinen Söhnen nach Spanien geschrieben: »Ich kann Euch nur sagen, dass meines Erachtens unser Aufenthalt in England eine Fügung warund dass hier viele Projekte zur Ehre Gottes entstehen können. Betet, wendet Euch wie immer an unsere Liebe Frau, die heilige Maria, als Fürsprecherin, und wir werden große Werke unseres Opus Die an diesem Schnittpunkt der Welt erleben, zum Wohl der Seelen aus der ganzen Welt.«