The Pillar: Ein Hauptthema der aktuellen Synode über die Synodalität ist die Rolle der Laien in der Kirche. Was kann das Opus Dei mit seiner Betonung der zentralen Rolle der Laien in seiner Botschaft, Sendung und Spiritualität zu diesen Überlegungen beitragen?
Fernando Ocariz: Die Rolle der Laien in der Kirche besteht nicht in erster Linie darin, Positionen in kirchlichen Strukturen einzunehmen. Solche Aufgaben kommen naturgemäß nur relativ wenigen Laien zu – und sie mögen in manchen Fällen notwendig sein. Viel wesentlicher ist jedoch eine andere Perspektive, die auch in den synodalen Gesprächen aufkam und die tief im Charisma des Opus Dei verwurzelt ist: jedem Laien – jedem getauften Mann und jeder getauften Frau – die Größe und Schönheit seiner oder ihrer Sendung bewusst zu machen. Ähnlich wie bei den ersten Christen liegt die Verantwortung für die Zukunft der Evangelisierung heute vor allem bei den Laien, die in Einheit und Gemeinschaft mit den Hirten wirken.
Die Kirche besteht nicht primär aus Sakralgebäuden oder Strukturen, sondern aus Menschen, die durch die Taufe in Christus eingegliedert sind. Ein Laie, der Jesus Christus in seinem Herzen und Lebensstil trägt, verkörpert die Kirche auf lebendige und offene Weise – in seinem Wohnviertel, unter Verwandten und Freunden, unter Gläubigen und Nicht-Gläubigen und in den unterschiedlichsten Lebensbereichen: sei es Sport, Unterhaltung, Beruf, Gesellschaft, Kultur, Wissenschaft, Politik oder Wirtschaft.
Papst Franziskus hebt in seinem apostolischen Schreiben Gaudete et Exsultate die Bedeutung der Laien hervor, wenn er uns ermutigt, „die Heiligkeit von nebenan“ zu entdecken, „die Heiligkeit derer, die in unserer Nähe wohnen und die ein Widerschein der Gegenwart Gottes sind“. Das Opus Dei verfolgt seit seiner Gründung genau diesen Ansatz: Es erinnert daran, dass Menschen mit ihren Tugenden und Fehlern – Menschen wie du und ich – für viele andere zu einer von Gott ausgestreckten Hand werden können, auch für solche, die vielleicht niemals eine Kirche betreten würden.
Daher sehe ich eine wesentliche Herausforderung darin, viel Zeit und Mühe in die Bildung und geistliche Begleitung gewöhnlicher Christen, zu investieren, die in ihrem Umfeld als wahre Apostel wirken können. Das ist eine Priorität im Leben der Kirche, die, Gott sei Dank, bereits in Tausenden von Pfarrgemeinden und Initiativen auf der ganzen Welt Wirklichkeit ist.
The Pillar: Warum spielt diese Laienidentität für das Opus Dei als Institution und als spiritueller Weg eine so zentrale Rolle?
Fernando Ocariz: Die Laienidentität ist essenziell, weil sie das Herzstück dessen ist, was der heilige Josefmaria Escrivá als den Willen Gottes für das Werk erkannt hat: den universalen Ruf zur Heiligkeit mitten in der Welt und durch die alltäglichen Realitäten des Familienlebens, der Arbeit und der Gesellschaft aufzuzeigen, greifbar zu machen und in Erinnerung zu rufen.
Unser Gründer begann seine Arbeit, indem er Studenten und Berufstätige geistlich begleitete, kleine Gruppen bildete, für sie betete und um Gebet für sie bat. Er nahm die jungen Menschen mit, um Kranke und Bedürftige in Madrid zu besuchen, und organisierte für sie geistliche Besinnungstage und Bildungskurse. Dieser Stil hat sich über die Jahre hinweg in vielen Kulturen und Nationen verbreitet und Menschen aus allen Lebensbereichen inspiriert.
Das zentrale Anliegen des Opus Dei ist es, dieses Charisma lebendig zu erhalten und fruchtbar zu machen, weil sowohl Gott als auch die Kirche uns dazu aufrufen: Evangelisierung in der Familie, am Arbeitsplatz, im Alltag. Gerade in einer Welt, die von großen Herausforderungen wie Krieg, Armut und Krankheit geprägt ist, sind es die gewöhnlichen Gläubigen, die in diesen Realitäten leben, die durch ihr Zeugnis zeigen können, wie Christus in ihrem Leben präsent ist und wie sie dies dazu bewegt, sich selbst und ihr Umfeld zu verändern.
Das Opus Dei als Institution bietet also Bildung und Begleitung sowie eine konkrete Spiritualität an, die auf die Lebensrealität von Frauen und Männern zugeschnitten ist, die Familien zu versorgen haben und mit anspruchsvollen Arbeitszeiten, wirtschaftlichen Schwierigkeiten, Übersiedlungen und so weiter konfrontiert sind. Manche, die diesen Geist entdecken, fühlen sich berufen, ihn mit ihrem Leben zu verbreiten.
The Pillar: Als der heilige Josefmaria 1946 die kanonische Anerkennung des Opus Dei beantragte, wurde ihm gesagt, er sei ein Jahrhundert zu früh gekommen. Halten Sie diese Worte angesichts der aktuellen kanonischen Reform des Werkes immer noch für zutreffend?
Fernando Ocariz: Im Jahr 1946 war das Opus Dei erst in vier Ländern vertreten, und seine Botschaft war noch wenig bekannt. Schon damals bestand es aus einer Minderheit von Priestern und einer großen Mehrheit gewöhnlicher Männer und Frauen. Die Botschaft des heiligen Josefmaria wirkte damals revolutionär: Er rief die Laien dazu auf, die Heiligkeit mitten in der Welt zu suchen und das Evangelium in alle Lebensbereiche und Berufe zu tragen. Diese Vision schien ihrer Zeit voraus zu sein, obwohl sie tief im Evangelium verwurzelt ist.
Heute ist das Werk in über 70 Ländern aktiv, und seine Botschaft wurde durch das Zweite Vatikanische Konzil voll und ganz bestätigt und propagiert. Zugleich zeigt sich, dass es nach wie vor schwierig ist, für neue pastorale Realitäten den rechtlichen Rahmen zu finden. Der Weg, den das Konzil zur Förderung der Laien eingeschlagen hat, ist sicher noch nicht an sein Ende gekommen.
Die vom Heiligen Vater geforderten Änderungen der Statuten des Opus Dei orientieren sich genau an den Grundprinzipien des Gründers, nämlich diese an das Charisma anzupassen, das heute vielerorts besser verstanden und geteilt wird. Das Recht – so notwendig es ist – folgt dem Leben und der inkarnierten Botschaft. Es dient dazu, dem Leben Stabilität und Kontinuität zu verleihen.
The Pillar: Europa, die Vereinigten Staaten und in gewissem Maße auch Lateinamerika befinden sich in einer zunehmenden Säkularisierung. Das Opus Dei ist in vielen der größten und säkularisiertesten Städte der Welt präsent. Was tut das Werk, um in diesen Gesellschaften die Kirche lebendig zu vertreten und das Evangelium zu verbreiten?
Fernando Ocariz: Als ich am 3. März 2017 zum ersten Mal von Papst Franziskus in Audienz empfangen wurde, gab er uns eine sehr konkrete Anregung: Er forderte die Gläubigen der Prälatur auf, einer besonderen „Peripherie“ Priorität einzuräumen – den Mittelschichten und Berufswelten, die sich oft fern von Gott befinden. Ohne andere auszuschließen, eröffnet diese Zielsetzung ein weites und spannendes apostolisches Panorama, das perfekt zum bevorstehenden Jubiläum der Hoffnung passt.
Das Opus Dei bemüht sich, in diesen säkularisierten Umfeldern präsent zu sein, vor allem durch Bildungs- und Wohltätigkeitsinitiativen, die eine ganzheitliche Bildung fördern. Dennoch liegt seine eigentliche Stärke nicht in den Strukturen, sondern in den Menschen: in den Mitgliedern des Werkes und den Hunderttausenden, die an seinen Apostolaten teilnehmen – in der Freundschaft mit Gott, die jedes Mitglied des Werkes innerlich zu leben und in seinem persönlichen Umfeld weiterzugeben sucht.
Das erinnert an die frühe Kirche. Schon damals fand die Evangelisierung sowohl in tiefreligiösen Kontexten – wie sie die Evangelien schildern – als auch in Umgebungen ohne solche Traditionen statt. Daraus können wir Zuversicht schöpfen und von der Erfahrung der Kirche in jener apostolischen Zeit lernen.
Und wenn wir an das Heute denken, können wir mit Worten des heiligen Josefmaria sagen, dass der zentrale Aspekt der Sendung des Opus Dei in der Freundschaft und im Vertrauen gegenüber jedem einzelnen Menschen liegt. In der Mitwirkung mit Gottes Gnade, damit es zu einer Begegnung von Menschen und Völkern mit Christus kommt, von Mensch zu Mensch, von Du zu Du. Entscheidend ist, dass wir überall und besonders in säkularisierteren Kontexten noch mehr auf Gottes Hilfe bauen und diese Kraft durch den eigenen Lebensstil und verschiedene Initiativen sichtbar machen. Jeder Christ ist berufen, die Schönheit eines Lebens mit Gott und in Gott zu bezeugen; das Werk ist darauf ausgerichtet, diejenigen zu unterstützen, die diese Sendung leben.
The Pillar: Das Opus Dei sieht sich derzeit einer Reihe von Herausforderungen gegenüber: der Reform der Statuten, der Situation in Torreciudad, kritischen Artikeln, Büchern und Dokumentationen von ehemaligen Mitgliedern sowie einer gerichtlichen Untersuchung von Beschwerden 43 ehemaliger Auxiliarnumerarierinnen in Argentinien. Ist dies die schwierigste Zeit in der Geschichte des Werkes? Wie geht das Opus Dei mit den Beschwerden ehemaliger Mitglieder um?
Fernando Ocariz: Das Opus Dei nähert sich seinem hundertjährigen Bestehen, und dies ist ein passender Moment, um auf die Ursprünge zurückzublicken, über den zurückgelegten Weg zu reflektieren und Bilanz zu ziehen. Dies ist die beste Art und Weise, um weiterzulernen, um wo nötig Korrekturen vorzunehmen und mit Freude in die Gegenwart und mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken.
Die „offenen Fronten“, die Sie ansprechen, sind auch eine Gelegenheit, kritisch zu prüfen, wie gut wir die Schönheit dieses Charismas vermittelt haben und wo es zugleich möglicherweise an Anpassungsfähigkeit gefehlt hat. Wie der Gründer selbst betonte, gehört es zum Leben jedes lebendigen Organismus, unwesentliche Veränderungen zu erfahren.
Die Arbeit an den Statuten schreitet zügig voran, und wir hoffen auch auf eine angemessene Lösung für die Meinungsverschiedenheiten zu Torreciudad, die derzeit vom Heiligen Stuhl bearbeitet werden.
Was kritische Bücher, Artikel oder Dokumentationen betrifft, so bedrücken sie uns, da sie Schmerz oder Frustration von Einzelpersonen widerspiegeln. Wir arbeiten daran, solche Gründe zu minimieren, denn wir wollen, dass das Leben der Berufung zum Werk ein Quell der Freude sei, wie es für viele Tausende Menschen auch der Fall ist. Dennoch bleibt das Werk eine Gemeinschaft von Menschen, und Fehler sind unvermeidlich. Natürlich wollen wir diese erkennen und weitestmöglich korrigieren.
Zugleich kann Kritik – sogar wenn sie nicht der Realität entspricht – eine Hilfe sein, um Schwachstellen aufzudecken, die wir verbessern können. Auch wenn diese nicht angenehm und auch nicht immer fair sein mögen, können sie eine Gelegenheit zur Selbstprüfung und vielleicht auch zur inneren Reifung werden. Wichtig ist, dem, was zu verbessern oder zu korrigieren ist, mit Gelassenheit und Zuversicht zu begegnen.
In Bezug auf die Beschwerden in Argentinien wurde eine Kommission eingerichtet, um die Betroffenen anzuhören. Aus den gewonnenen Erfahrungen wurde ein erstes Büro zur Heilung und Schlichtung eingerichtet, um jeden möglichen Konflikt zu lösen. Wir waren sehr froh, dass wir uns mit mehreren Personen einigen konnten, was uns auch half, persönliche und konkrete Bitten um Vergebung auszusprechen. Durch die breit angelegte Anhörung konnte wiederum der Schmerz einiger Betroffener gelindert werden, die eine Zeit lang der Einrichtung angehört oder Begleitung und Hilfe gesucht hatten, die sie nicht fanden. Nach diesem Bemühen, das den Anfang eines Heilungsprozesses darstellt, werden wir ähnliche Verfahren in anderen Ländern entwickeln.
Die Menschen, die dem Werk angehörten und es aus welchen Gründen auch immer später verließen, sind uns weiterhin wichtig. Wir lieben sie von Herzen und sind dankbar für das Gute, das sie bewirkt haben und weiterhin tun. Ihre Entscheidung, dem Opus Dei beizutreten, war Ausdruck ihres Wunsches, ihr Leben Gott zu schenken, und das verdient großen Respekt. Oft hatte ich die Gelegenheit, diejenigen um Verzeihung zu bitten, die durch einen Mangel an Nächstenliebe, an Gerechtigkeit oder aus einem anderen Grund verletzt wurden. Gleichzeitig habe ich viele erlebt, die für ihre Zeit im Werk und die empfangene Begleitung dankbar sind und weiterhin an unseren spirituellen und Bildungsaktivitäten teilnehmen. Im vergangenen Jahr haben fast täglich ehemalige Mitglieder darum gebeten, erneut dem Opus Dei anzugehören. Dies zeigt, dass die Wirklichkeit oft nuancierter ist, als es eine polarisierte Darstellung vermuten lässt.
The Pillar: In bestimmten Medien, vor allem in den Vereinigten Staaten, wird das Opus Dei beschuldigt, hinter einer ultrakonservativen Verschwörung zu stecken, die unter anderem darauf abzielt, Donald Trump zum Präsidenten zu machen. Wie reagieren Sie darauf?
Fernando Ocariz: Ich kann darauf nicht viel sagen, weil diese Behauptungen frei erfunden sind. Das Opus Dei gibt keinerlei politische Ratschläge oder Anweisungen. Würde jemand versuchen, das zu tun, gäbe es mit Sicherheit Proteste, denn das ist völlig gegen unseren Geist. Es gibt gute Katholiken, die aus unterschiedlichen Sensibilitäten heraus für unterschiedliche Parteien oder Kandidaten stimmen. Weder ich noch irgendjemand anderer im Opus Dei wird ihnen vorschreiben, wen sie wählen oder unterstützen sollen. Auch ist es nicht unser Ansatz, in der Bildungsarbeit eine Atmosphäre zu schaffen, die subtil nahelegt, dass es nur eine legitime Option für Mitglieder des Werkes gibt. Die Freiheit lieben, heißt, den Pluralismus lieben.
Die Medienberichte, auf die Sie sich beziehen, enthalten Hypothesen und Verschwörungstheorien, in welchen Namen von Personen genannt werden, die angeblich Teil des Opus Dei sind, was aber nicht stimmt. Ich habe keine Zweifel, dass diese Menschen sehr gute Katholiken sein mögen, diese Kanäle manipulieren jedoch schlicht die Wahrheit, um eine kirchliche Institution in politische Angelegenheiten hineinzuziehen.
Zugleich wünschte ich, es gäbe ein besseres Verständnis für die Freiheit der Laien im politischen, sozialen und kulturellen Bereich. In öffentlichen Fragen ist jeder Christ aufgerufen, sein Gewissen in Übereinstimmung mit der Soziallehre der Kirche zu bilden, sich über die Programme von Kandidaten oder Parteien zu informieren, über die beste Option für das Gemeinwohl nachzudenken und frei zu entscheiden. Die geistliche Begleitung des Opus Dei greift in diese Entscheidungen daher nicht ein. Der Respekt vor der Autonomie der Laien, die sich politisch engagieren – ob Mitglieder des Opus Dei oder nicht – ist zentral. Ihre Erfolge oder Misserfolge liegen jedenfalls allein in ihrer Verantwortung, nicht in der Verantwortung der Kirche oder des Werkes. Dem Opus Dei oder der Kirche als Ganzer die kulturellen, politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Initiativen ihrer Gläubigen zuzuschreiben, ist Klerikalismus.
„The Pillar“ ist ein US-amerikanisches Online-Medium zu Themen der katholischen Kirche. www.pillarcatholic.com Das Interview führte Edgar Beltrán (The Pillar), das Gespräch fand während der Welt-Bischofs-Synode zur Synodalität in Rom statt. Die Synode endete am 27. Oktober 2024.