„Ihr werdet sehen, wie es Gott ist, der alles voranbringt!“

Mercé ist Krankenschwester, aber sie schafft es, parallel dazu viele andere Aufgaben anzupacken. Die wichtigste: die koreanische Sprache lernen. Denn zusammen mit anderen Frauen des Opus Dei ist sie nach Taegon in Korea umgezogen, um dort eine apostolische Initiative voranzubringen. Mercé erzählt:

Es ist achtzig Jahren her, als der hl. Josefmaria einer kleinen Gruppe von Frauen eine Skizze auf einem Blatt Papier zeigte. In Stichworten waren Initiativen angedeutet, die die Frauen des Opus Dei eines Tages überall in der Welt voranbringen würden: Heime und Wohnungen für Studentinnen, Unternehmen für Mode und Design, Schulen für Hauswirtschaft, berufsbil- dende Einrichtungen ... 

Den ersten Frauen des kurz zuvor „geborenen“ Opus Dei werden jene Pläne wie ein Traum vorgekommen sein, - und doch zukunftsfähig und glaubwürdig, denn sie vertrauten auf den Gründer und auf den gottgewollten Charakter jener Intuitionen.  

In meiner neuen Lebenssituation denke ich manchmal an jene Frauen von damals. Jetzt gehöre ich zu denen, die irgendwie „anfangen“. Seit einigen Monaten wohne ich in der Stadt Taegon in Korea und zusammen mit einigen anderen Frauen bin ich dabei, die erste Niederlassung des Opus Dei in Korea aufzubauen. 

Tausende von Laien starben als Märtyrer

In Taegon ist der katholische Glauben fest verwurzelt. Sie ist die Geburtsstadt des heiligen Andreas Kim Taegon. Dieser war der erste koreanische Priester und starb mit 25 Jahren nach nur etwas mehr als ein Jahr Priestertum als Märtyrer im Jahre 1846.

Es ist für uns im Opus Dei anregend zu erfahren, dass der Samen des katholischen Glaubens Anfang des 17. Jahrhunderts durch Laien nach Korea kam. Im Laufe der Jahre haben die Christen dort viele Verfolgungen erlitten und sind zu Tausenden als Märtyrer gestorben. Während fast zweihundert Jahren lebten die Gemeinden ohne Priester, da waren die Laien auf sich gestellt, sie trugen den Glauben weiter.

Als die ersten Missionare im 18. Jahrhundert ankamen stellten sie fest, dass es dort schon Christen gab. Papst Johannes Paul II. sprach bei seiner Reise in Seoul im Jahre 1984 103 katholischen Märtyrer heilig, darunter Andreas Kim Taegon. Der liturgische Gedenktag ist der 20. September.  

Mit mir sind vier weitere Frauen des Opus Dei gekommen aus vier verschiedenen Ländern: Brasilien, Philippinen, Argentinien und Australien. Zwei von ihnen sind koreanischer Abstammung und kennen die Sprache. Dies ist für die beiden, die wir ganz neu im Land sind ein großer Vorteil. Es erleichtert uns das Kennenlernen der Traditionen und der  Kultur des Landes.

Glücklicherweise fingen wir nicht von Null an. Seit 1988 gibt es regelmäßige Besuche von Angehörigen des Werkes aus anderen Ländern in Korea. In einem gewissen Sinne haben sie die Fundamente für die Arbeit gelegt.

Über kleine Dinge und ernste Nöte 

Dank der Hilfe einer Mitarbeiterin des Opus Dei, die das Werk in Peru kennen gelernt hat, konnten wir bald eine Etage finden. Nach und nach haben wir sie möbliert: an erster Stelle den Raum für die Kapelle, dann die anderen Räume. Hilfreich war es auch, dass eine von uns kurz nach der Ankunft schon eine berufliche Arbeit gefunden hat. Dies und die Spenden, die wir aus der ganzen Welt bekamen, haben unsere finanziellen Nöte behoben. 

Wir haben uns gleich ins Lernen der Sprache gestürzt. Das Gespräch mit den Nachbarn verliert zunehmend an Vertracktheit. Es wird auch immer natürlicher, sich über kleine Dinge und auch über ernste Nöten mit jenen zu unterhalten, die wir nach und nach kennen gelernt haben.  

Wir sind liebenswürdig aufgenommen worden. Immer fand sich jemand, der uns bei unseren konkreten Sorgen helfen konnte: ob Zahnarzt, Buchhandlung, Supermarkt, Handwerker... 

Besonders unsere Nachbarinnen sind sehr aufmerksam uns gegenüber gewesen. Diese Woche zum Beispiel sind sie jeden Tag zu mir gekommen, um Konversation auf koreanisch zu halten. Dies war sicher einer der Gründe dafür, dass ich nach nur sechs Monaten in der Lage war, jene Zeichen zu entziffern, die mir am Anfang wie Hieroglyphen vorkamen.

Diese Anteilnahme der Nachbarschaft trägt auch dazu bei, dass ich Schritt für Schritt in eine Kultur eintauche, deren Ausdrucksformen und Bräuche ganz anders sind als die meinen. Nach und nach wächst das Empfinden, daß ich hier zuhause bin. 

Es wird immer leichter, Gespräche zu führen. So habe ich etwas erfahren, das ich bei der Ankunft nicht verstanden hätte, mich aber wohl in Staunen versetzte: Jetzt weiß ich, dass Korea uns mit dem stärksten Schneefall seit hundert Jahren empfangen hat. Und gelegentlich ist der Anfang eines Straßengespräches recht spontan, etwa als ein Unbekannter zweien von uns, die sich in ihrer Sprache unterhielten, fragte, ob wir russisch sprächen ... 

Vieles habe ich schnell gelernt: ich esse „Kimchi“, das traditionelle koreanische Gericht, mit Stäbchen, ich kann jemanden mit einer höflischen Verneigung grüßen, ich finde den richtigen Ausgang von den acht möglichen in der U-Bahn-Haltestelle, wo ich immer aussteige.... Alles Kleinigkeiten, und doch spannend!

Lösung eines Puzzlespiels

In Korea koexistieren verschiedene Religionen Seite an Seite. Dies erleichtert Gespräche über den eigenen Glauben mit Menschen, die aufrichtig auf der Suche sind. Es ist uns in kurzer Zeit gelungen eine Gruppe von Frauen zu bilden, die sich für den katholischen Glauben interessieren. Es ist reizvoll zu sehen, wie fleißig sie sich Notizen machen, um sie dann an ihre Familie oder an Freundinnen weiter zu geben. „Der Glaube erlaubt mir all die Stücke meines Lebenspuzzles ineinander zu fügen“, sagte mir eine am Ende einer solchen Begegnung.

Die eigene Arbeit Gott darzubringen und aus Liebe zu ihm arbeiten ist ein wesentlicher Zug im Geist des Opus Dei. Manche sind schon dabei, diese tiefere Dimension ihres Tuns zu entdecken. Eine Gesanglehrerin, mit der ich gut befreundet bin, sagte mir vor kurzem, das Kennenlernen des Werkes sei für sie die Bestätigung einer Realität, die sie schon seit langem ahnte: daß nämlich ihr Singen und der Gesangsunterricht für andere ihr Weg zu Gott sei. Sie hatte das Opus Dei schon erfasst, als sie es noch nicht kannte. 

Oft fahren wir nach Seoul, der Hauptstadt. Dort gibt es schon einige Damen, die katechetische und andere Bildungstreffen im Umfeld des Opus Dei selbst organisieren. Ende des vergangenen Jahres haben wir Besinnungstage für sie und für ihre Freundinnen veranstaltet.

Zum Ausklang will ich eine kurze Episode vom Anfang erwähnen: Auf dem Weg nach Korea hatten wir eine Zwischenlandung in Hongkong. Dort lernte ich eine der drei Frauen kennen, die die Botschaft des Opus Dei auf die Philippinen gebracht hatten. Wir haben viel gefragt und sie hat vieles erzählt. Mir hat sich ein Satz besonders eingeprägt: „Ihr werdet sehen, wie es Gott ist, der alles voranbringt!“ - Wir sind dabei, dies zu erfahren.