„Ich spüre die Kraft Gottes“

Seit genau 10 Jahren steht Bischof Javier Echevarría an der Spitze des Opus Dei. Aus diesem Anlaß veröffentlichen wir Auszüge aus Interviews, die er in den letzten Jahren verschiedenen Zeitungen gegeben hat.

Wie haben sie das Opus Dei kennengelernt?

Im Jahr 1944 hat ein katholisches Magazin eine Reportage über drei Ingenieure veröffentlicht, die Priester geworden sind. Die drei waren die ersten Priester des Opus Dei. Vier Jahre später stieß ein Freund von mir zu Hause auf diesen Artikel. Er fand ihn ziemlich interessant und zeigte ihn einigen von seinen Freunden, darunter mir. Bei den anderen hat das damals die Neugier geweckt. Bei mir ehrlich gesagt nicht.

An einem der folgenden Abende, es war der 6. Juni, wollten wir ins Kino gehen. Da rief mich einer der Freunde an und schlug vor, etwas anderes zu machen: „Komm, wir gehen nachher in ein Studentenheim in der Straße Diego de Leon und erkundigen uns, was das Opus Dei ist.“ Da sind wir sechs dahin gegangen. Wir wurden gut informiert, nicht als Gruppe, sondern jeder einzelne konnte mit einem Mitglied des Werkes über das sprechen, was ihn besonders interessierte. Als ich wegging, hatte ich einen Gebetszettel von Isidoro in der Tasche, einem Ingenieur, der kurz vorher im Ruf der Heiligkeit gestorben war. Ein heiliger Laie, das war etwas Neues für mich, jemand, der einem als Vorbild dienen konnte.

Am nächsten Tag starb mein Vater. Wir wollten gerade in die Sommerferien nach San Sebastian fahren. Er erlag einem Herzinfarkt. Wir blieben daher diesen Sommer in Madrid. Das gab mir die Gelegenheit, ein anderes Zentrum des Opus Dei zu besuchen, das auch noch zufällig in der Straße lag, in der ich wohnte. Ich erinnere mich, daß ich oft irgendeine kleine Aufgabe bekam: Ich sollte einen alten Stuhl abschmirgeln, um ihn dann neu anzustreichen, oder ich half bei irgendwelchen Schreiner- und Einrichtungsarbeiten. Mir gefiel es, daß ich mich nützlich machen konnte, daß man mir zutraute, etwas für die anderen zu tun. Am achten September bat ich um die Aufnahme ins Werk, ich war 16 Jahre alt.

Was zog sie am Opus Dei an?

Die frohe Atmosphäre. Sie haben richtig hart gearbeitet und machten dabei einen sehr zufriedenen Eindruck. Ich sah, daß man heilig werden konnte, ohne daß sich die äußeren Umstände änderten. Und es gab diesen Horizont: Menschen zu Christus zu bringen. Außerdem war ich immer gern mit Leuten zusammen und ich war froh, viele und gute Freunde zu haben.

Wann sind sie dem Gründer des Opus Dei begegnet?

Der Vater zog 1946 nach Rom, aber er kam oft nach Spanien. Bei einer dieser Gelegenheiten, im November 1948, waren wir zu einem Beisammensein mit ihm im Studentenheim Diego de Leon eingeladen. Wir waren etwa 35. Am Ende fragte der Vater, wer die jüngsten seien und fuhr dann mit uns nach Molinoviejo in die Nähe von Segovia. Er wollte uns das neue Tagungshaus dort zeigen.

Wir sind zu sechst in einen alten Vauxhall gefahren, drei vorne und drei hinten. Wir hatten viel Spaß. Wir sprachen miteinander, wir sangen, wir lachten, wir beteten. Der Vater erzählte davon, auf wie viele verschiedene Arten und Weisen wir apostolisch wirken würden, in der ganzen Welt.

Wenn sie jetzt die Augen zumachen, wie sehen sie ihn vor sich?

Ich sehe ihn vor mir, wie er zu allen möglichen Leuten von Gott spricht. Ich sehe ihn, wie er rausgeht, um Menschen zu treffen. Ich sehe ihn, wie er sich für uns voll verausgabt. Er wollte keine Minute für sich. Das, was uns interessierte, oder was uns Sorgen machte, das interessierte ihn auch, das waren seine Sorgen, egal, ob jemand Zahnschmerzen hatte, eine Prüfung hatte, ob irgendwas in der Familie nicht gut lief, - oder ob wir gerade beim Fußballspielen waren…Wir waren sein Leben!

Wie fühlt man sich als Nachfolger von zwei heiligmäßigen Menschen? Ist da nicht die Meßlatte sehr hoch?

Klar, unser Vater und Don Alvaro haben die Latte sehr hoch gelegt. Aber sie haben uns auch einen Hochsprungstab dagelassen. Einerseits helfen sie uns vom Himmel aus. Andererseits haben sie uns ein klares Beispiel gegeben. Bei jeder Situation braucht man sich nur zu fragen: „Was würde jetzt unser Gründer tun, was würde Don Alvaro tun?“ Das klärt meist die Situation.