Danke, Heiliger Vater !

Der Prälat des Opus Dei, Bischof Javier Echevarría, schreibt in der spanischen Zeitung ABC über Papst Johannes Paul II., "dass der Papst uns das Beste in uns selbst entdecken läßt: unsere persönliche Beziehung zu Gott."

In den Bildern, die uns die Medien in den letzten Jahren vom Papst übermitteln, taucht ein gleichbleibendes und ein wechselndes Element auf: Einerseits zeigen sie, wie sich der Körper eines Menschen unvermeidlich im Lauf der Zeit verzehrt. Andererseits zeigen sie ebenso deutlich und noch kraftvoller ein Phänomen, das keinen Wechsel zu kennen scheint: Überall in der Welt strömen dem Papst die Menschen zu.

Dafür hat man viele Erklärungen versucht. Manche begründen das Geheimnis der Anziehungskraft von Johannes Paul II. damit, dass viele Menschen sich ihm mit einer bestimmten Hoffnung nähern, etwa der weit verbreiteten Friedenssehnsucht. Johannes Paul II. mischt sich ein bei jedem Konflikt, der die Welt in Blut taucht, und er ruft fortwährend zur Vergebung auf als dem notwendigen Weg zum wahren Frieden - mit einer Beharrlichkeit, die stärker ist als alle Divisionen. Andere verweisen auf den Durst nach Wahrheit, der in einer der Lügen und oberflächlichen Moden müden Gesellschaft so lebendig ist: die Stimme des Papstes verkündet furchtlos die immerwährende Wahrheit, eine unbestechliche Moral, mit der er die Würde des Menschen verteidigt.

Doch um das außerordentlich Anziehende an Johannes Paul II. zu erfassen, muß tiefer geschürft werden. Mir drängt sich auf, was die Theologie den sensus fidei nennt: einen Glaubensinstinkt, eine Empfindsamkeit für den Glauben, der im Verstand und im Herzen der Christen wurzelt.

Aus dieser Perspektive lässt sich eine um den Papst gescharte Kirche erkennen, die sich von ihrem obersten Hirten nicht entfernen will, da sie sich ohne ihn nicht begreifen kann. Und andererseits zeigt sie auch einen Papst, der für die Kirche existiert und in dem die Kirche dem Antlitz Christi begegnet.

Wenn jemand den Heiligen Vater hört, spürt er, da spricht jemand mit einer Autorität, die von oben stammt, aus diesem Evangelium, das nicht vergeht, "während doch Himmel und Erde vergehen" (Mt 5,18). Beim Nachfolger Petri spürt man die Gegenwart eines überaus starken Bandes, das mit nichts in

Geschichte und Kultur vergleichbar ist. Man rührt damit an das Geheimnis, das aus der Kirche die Familie Gottes und aus jedem Menschen ein Gotteskind macht.

In dem Maß, in dem Alter und physisches Leiden die Kräfte Johannes Pauls schwächen, wird sein Wille gestärkt durch die Vereinigung mit dem Kreuz Christi, das er augenfällig großzügig liebt.

Das Antlitz Christi betrachten: das hat Johannes Paul II. der Kirche als Ziel gegeben, "damit sie mit neuem Schwung ihren Evangelisierungsauftrag angeht" (Apost. Schreiben Novo millennio ineunte, 2), an diesem Beginn des dritten Jahrtausends. Wir denken an den Papst und an seinen Auftrag, die Weltkirche zu leiten, wenn wir von ihm lesen: "Die Menschen unserer Zeit bitten, wenn auch nicht immer bewußt, die heutigen Gläubigen, nicht nur von Christus zu »reden«, sondern ihnen Christus zu zeigen, ihn gleichsam »sehen« zu lassen. Ist es etwa nicht Aufgabe der Kirche, das Licht Christi in jeder Epoche der Geschichte widerzuspiegeln, sein Antlitz auch vor den Generationen des neuen Jahrtausends erstrahlen zu lassen?" (ebda., 16).

Dieser "Kontakt" mit dem Herrn tritt auch und ganz besonders im Schmerz zutage: "Die Kirche wird von Christus unablässig dazu eingeladen, seine Wundmale zu berühren, das heißt, sein volles, von Maria angenommenes, dem Tod überantwortetes, von der Auferstehung verklärtes Menschsein anzuerkennen: »Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite« (Joh 20,27). Wie Thomas, so fällt die Kirche anbetend vor dem Auferstandenen in der Fülle seines göttlichen Glanzes nieder und ruft in alle Ewigkeit aus: »Mein Herr und mein Gott« (Joh 20,28)" (ebda., 21).

In der Vereinigung des Nachfolgers Petri mit Jesus Christus, die jeder mehr oder weniger tief ahnt, findet man meines Erachtens die letzte Erklärung für diesen geheimnisvollen Gleichklang, der zwischen dem Papst und den Menschen herrscht. Die natürliche Zuneigung und Dankbarkeit, die wir Christen Johannes Paul II. bezeugen, ist im Grunde nichts anderes als Anerkennung dafür, dass der Papst uns das Beste in uns selbst entdecken läßt: unsere persönliche Beziehung zu Gott, der uns in seiner Liebe geschaffen und erlöst hat.

Bereits in seiner ersten Enzyklika lesen wir, dass der Mensch "der erste Weg ist, den die Kirche bei der Erfüllung ihrer Sendung zurückzulegen hat". Dass der Papst das Herz der Gläubigen direkt berührt, kommt daher, dass seine Leidenschaft für den Menschen ihre Wurzeln im Mensch gewordenen Gott hat. Johannes Paul II. ist jedem nahe, weil er uns daran erinnert, dass uns Christus nahe ist, dass er mit uns lebt und unserem Leben Sinn gibt. Eine solch feste Sicherheit bedarf keiner weiteren Nagelprobe als das Kreuz: dieses Kreuz, an dem wir alle auch den Papst sehen können.

Es ist völlig logisch, dass man an einem solchen Jahrestag die Bedeutung der Gestalt Johannes Paul II. betrachtet, nach der Tiefe seiner Verkündigung fragt und nach den Folgen seiner Entscheidungen. Aber ebenso natürlich ist, dass wir ihm aus ganzem Herzen dankbar sind. In Pompeji richtete der Papst am Festtag Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz eine Bitte an uns. Wir wollen darauf antworten, indem wir stets für ihn beten, als Zeichen kindlicher Zuneigung und unseres aufrichtigen und tiefen Dankes.

+ Bischof Javier Echevarría,

Prälat des Opus Dei

ABC, Madrid