DAS ÖFFENTLICHE Bekenntnis der Zuneigung zu einer Person hat nicht nur den Zweck, diese Liebe sichtbar zu machen, sondern vertieft sie auch. Wenn eine Beziehung öffentlich wird, etwa mit Blick auf eine mögliche Heirat, bedeutet dies, dass die gegenseitige Zuneigung der Partner zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist. Es ist, als ob sie sagen wollten: „Wenn du mich kennenlernen möchtest, musst du auch die Person kennenlernen, die ich liebe.“ Oder anders ausgedrückt: „Du kannst mich nicht kennen, ohne denjenigen oder diejenige zu kennen, die mein Leben verändert hat.“
Der heilige Josefmaria lehrte, dass das Apostolat „ein Überfließen des inneren Lebens“1 ist. Wenn Jesus die zentrale Figur unseres Lebens ist, ist es nur natürlich, dass wir ihn in unserem Umfeld, bei Familie und Freunden, bekannt machen. Man könnte aber auch umgekehrt sagen: Je mehr wir unsere persönliche Beziehung zu Christus „publik machen“, desto tiefer wird unsere Liebe zu ihm und unser Innenleben reift. Deshalb sagt Jesus: Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen (Lk 12,8). Die juristische Sprache, die der Herr hier wählt, unterstreicht dies Aussage: Wenn wir unsere Liebe zu ihm bezeugen, wird auch er nicht zögern, sich zu uns zu bekennen. Denn durch das öffentliche Zeugnis wird die Beziehung gestärkt, und beide Seiten sind bereit, füreinander einzutreten.
Ein Leben in Heiligkeit, wie es der Gründer des Opus Dei predigte, führt ganz natürlich zu dem Wunsch, andere mit Christus bekannt zu machen. Der heilige Josefmaria schrieb: „Danke dem Herrn für seine Zuwendung, die väterlich und mütterlich zugleich ist. Du hast immer von großartigen Abenteuern geträumt – nun hast du dich auf ein wunderbares Abenteuer eingelassen: das Abenteuer der Heiligkeit. Nochmals: Danke Gott, indem du ein apostolisches Leben führst.“2
FÜR CHRISTUS öffentlich Zeugnis abzulegen, ist eine Gelegenheit, die uns mit Freude erfüllt. Manchmal kann sie uns jedoch in herausfordernden Lebenslagen erreichen, besonders dann, wenn unsere Mitmenschen uns dazu bringen wollen, unsere eigene Identität in Frage zu stellen, weil sie einem etwas anderen Lebensstil folgen. In einem Gespräch mit einem Studenten, der sich genau darüber Gedanken machte, bezog sich der heilige Josefmaria auf eine solche Situation: „,Und wenn mein Leben mit diesem weltlichen oder heidnischen Milieu zusammenprallt, wird meine Natürlichkeit da nicht künstlich wirken?‘ fragst du mich. Und ich antworte dir: Ohne Zweifel wird dein Leben mit dem der anderen zusammenprallen; der Kontrast, der dadurch entsteht, dass du deinen Glauben mit deinen Werken bestätigst, ist genau die Natürlichkeit, die ich von dir erwarte.“3
Es versteht sich von selbst, dass das Apostolat nicht darauf abzielt, Zwietracht zu säen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Wahrheit unserer Religion auf der Liebe zu einer Person beruht: Jesus Christus. Zugleich wissen wir, dass unser christliches Zeugnis auch auf Unverständnis stoßen kann, denn Nachfolge Christi bedeutet, einer Person zu folgen, die niemanden gleichgültig lässt. Dies kann uns auch Nachteile einbringen. So können bestimmte Verhaltensweisen oder Ansichten zu moralischen Fragen, die sich für uns aus dem Glauben an Christus ergeben, bei anderen Kritik oder Spott ernten oder uns in eine schwierige Lage bringen. In solchen Momenten mag es erscheinen, als seien wir allein, als ob uns niemand versteht. Doch gerade dann sollten wir uns an Jesu Verheißung erinnern: Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen (Lk 12,8). Wenn wir für Christus Zeugnis ablegen, sind wir niemals allein. In ihm finden wir die Zuneigung, die wir in einem Umfeld, das uns nicht versteht, manchmal vermissen.
Der heilige Josefmaria ermuntert uns, in solchen Momenten unsere Gotteskindschaft nicht aus den Augen zu verlieren: „Sei dir sicher: Da Gott dich hört, dich liebt und dir die Herrlichkeit des Himmels verheißt, kannst du, wenn du willst, beschützt von der allmächtigen Hand des himmlischen Vaters, ein tapferer Mensch werden, der bereit ist, überall für seine liebenswerte rechte Lehre Zeugnis abzulegen.“4
WENN MAN euch vor die Gerichte der Synagogen und vor die Herrscher und Machthaber schleppt, dann macht euch keine Sorgen, wie ihr euch verteidigen oder was ihr sagen sollt! Denn der Heilige Geist wird euch in derselben Stunde lehren, was ihr sagen müsst (Lk 12,11-12). Diese Worte Jesu können uns große Zuversicht schenken, gerade in Momenten, in denen es schwierig ist, unseren Glauben zu bezeugen. Doch auch wenn uns der Herr verspricht, dass der Heilige Geist uns leiten wird, entbindet uns das nicht der Verantwortung, weise über unsere Worte und ihre Wirkung nachzudenken. Es ist wichtig, dass wir unsere Botschaft so vermitteln, dass sie von unseren Zuhörern verstanden werden kann. Zugleich vertrauen wir fest darauf, dass der Heilige Geist unsere Gedanken und Worte führt.
Das Wirken des Heiligen Geistes ist keine Magie, bei der wir plötzlich die Kontrolle über unsere Worte verlieren und wie von außen gesteuert sprechen. Der Heilige Geist ist die Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn, und je mehr wir uns bemühen, mit diesem göttlichen Beistand verbunden zu bleiben, desto eher können wir erkennen, was Jesus in seinem Herzen trägt, und dies anderen mitteilen. So hilft uns der Heilige Geist, in unseren Worten und Taten Christus zu repräsentieren, weil wir die Regungen seines barmherzigen Herzens kennen.
Papst Franziskus regt zu einem permanenten Umgang mit dem Heiligen Geist an: „Bitten wir den Herrn, uns das Bewusstsein zu schenken, dass wir keine Christen sein können, ohne unseren Weg mit dem Heiligen Geist zu gehen, ohne mit dem Heiligen Geist zu handeln und ohne zuzulassen, dass der Heilige Geist der Hauptakteur unseres Lebens ist.“5 Kein Geschöpf hat diesen geistlichen Weg treuer beschritten als die Jungfrau Maria. Deshalb bitten wir sie, uns eine große apostolische Liebe zu ihrem Sohn zu schenken, die durch den Heiligen Geist gestärkt wird.
1 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 239.
2 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 184.
3 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 380.
4 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 463.
5 Franziskus, Tagesmeditation, 30.4.2019.