25 Jahre Personalprälatur

Arturo Cattaneo (Lugano), seit 1979 Priester der Prälatur Opus Dei, ist promovierter Kirchenrechtler und Theologe. Seit 2003 ist er ordentlicher Professor am Institut für Kirchenrecht in Venedig.

Vor einem Vierteljahrhundert, am 28. November 1982, wurde vom Hl. Stuhl die erste Personalprälatur errichtet, konkret die Prälatur Opus Dei. Es handelt sich dabei bekanntlich um eine neue kirchliche Organisationsstruktur, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil postuliert (Presbyterorum Ordinis, Nr. 10) und dann im Kirchengesetzbuch von 1983 juristisch ausgestaltet wurde (c. 294-297). Die erstmalige Anwendung dieses neuen Modells zog naturgemäss Aufmerksamkeit auf sich. Es entstand eine reiche Literatur, welche die verschiedenen Aspekte der Rechtsfigur und die Gründe beleuchtet, weshalb sie dem bereits existierenden Opus Dei angemessen erschien. Viele Studien befassten sich mit Vorzügen und Anwendungsmöglichkeiten, andere meldeten auch Vorbehalte an. So wurde Befürchtung laut, dass auf diesem Weg eine von den Diözesanbischöfen unabhängige Gemeinschaft entstehen könnte, eine Art «Kirche in der Kirche». In den letzten Jahren hat sich die Debatte beruhigt. Gerade auch deswegen bietet dieser runde Jahrestag die Gelegenheit, die aufgeworfenen Fragen mit etwas Abstand und den Erfahrungen zu betrachten, die im letzten Vierteljahrhundert mit der einzig existierenden Personalprälatur gemacht worden sind.

Personalprälatur und Diözese

Um bei unseren Überlegungen richtig anzusetzen, müssen wir uns vorab den Grund in Erinnerung rufen, weshalb die Kirche diese neue Rechtsfigur überhaupt eingeführt hat: Sie wollte sich damit spezifischer pastoraler Bedürfnisse annehmen, welche die Grenzen einer einzelnen Diözese übersteigen, um auf diese Weise die betreffenden Diözesen zu unterstützen. Die Personalprälatur kann somit im Wesentlichen als eine überdiözesane Seelsorgestruktur verstanden werden, die für besondere seelsorgliche Aufgaben zugunsten von Gläubigen «verschiedener Gebiete oder unterschiedlicher Sozialverbände» (c. 294) bestimmt ist.

Spezialseelsorge innerhalb der Teilkirchen gibt es bekanntlich schon seit längerem. Einrichtungen dieser Art sind etwa die Personalpfarrei oder solche Kapläne, die z.B. für die Betreuung von Schulen, Krankenhäusern oder anderen Einrichtungen ernannt werden. Wenn dazu nun als neue Form noch die Personalprälatur tritt, so hat dies unter anderem mit der viel grösser gewordenen Mobilität der Gläubigen zu tun, was die Seelsorge vor neue, die Teilkirchen übersteigende Anforderungen stellt. Mit der Personalprälatur verfügt die Kirche nunmehr über ein flexibles Instrument, um seelsorgliche Aufgaben im überdiözesanen Bereich wahrnehmen zu können. Natürlich muss es sich dabei um Aufgaben handeln, die wegen ihres Umfangs oder bestimmter Eigenschaften nur schwer von den einzelnen Diözesen zu bewältigen sind. Personalprälaturen haben somit eine zur Pastoral der Diözesen komplementäre Funktion. Sie sind von daher gerade nicht auf «Unabhängigkeit» vom Diözesanbischof, sondern auf Einklang mit seinem Hirtenamt hin konzipiert. Deswegen übt die Personalprälatur ihre Aktivität stets mit der Erlaubnis der jeweiligen Diözesanbischöfe aus. Kanon 297 des Kodex verlangt, dass die vom Heiligen Stuhl erlassenen Statuten «das Verhältnis der Personalprälatur zu den Ortsordinarien zu bestimmen» haben, «in deren Teilkirchen die Prälatur ihre seelsorglichen oder missionarischen Werke nach vorausgehender Zustimmung des Diözesanbischofs ausübt oder auszuüben beabsichtigt». Die Statuten einer jeden Personalprälatur dienen somit als Instrument für deren adäquate Einfügung in die Ortskirchen.

Die spezifische Zielsetzung der Prälatur Opus Dei wird im Einleitungsabschnitt der Apostolischen Konstitution «Ut sit» vom 28. November 1982, mit der sie errichtet wurde, und in den Statuten (Art. 2) umschrieben. Sie besteht in der Förderung des allgemeinen Rufes zur Heiligkeit und zum Apostolat, besonders durch die Ausübung der beruflichen Arbeit. Die Kirche erblickte im Opus Dei ein geeignetes Werkzeug, um unter den Laiengläubigen das Bewusstsein von der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit und zum Apostolat wiederzubeleben. In der Tat hatte das Opus Dei seit seiner Gründung im Jahr 1928 die konziliare Wiederentdeckung der Berufung zur Heiligkeit in der Welt vorweggenommen – mit einem besonderen Akzent auf der Berufsarbeit und der alltäglichen Pflichterfüllung – und in unterschiedlichste soziale Schichten hineingetragen. Mit der Errichtung als Personalprälatur überführte die Kirche diese bereits bestehende Realität in ein Element ihrer hierarchischen und pastoralen Selbstorganisation.

Mit Blick auf die 25-jährige Arbeit der Personalprälatur Opus Dei in etwa 50 Ländern auf allen Kontinenten lässt sich inzwischen schon recht gut abschätzen, ob die Absicht des Gesetzgebers umgesetzt werden konnte, insbesondere die harmonische Einfügung in die betroffenen Diözesen. Aus meiner Sicht haben dies die Erfahrungen bestätigt. Zwar kam es hier und dort – namentlich im deutschsprachigen Raum – zu Kontroversen im Zusammenhang mit dem Opus Dei, jedoch handelte es sich jeweils nicht um Loyalitätsprobleme oder Kompetenzstreitigkeiten mit Diözesanbischöfen. Andererseits haben zahlreiche Episkopate ihre Wertschätzung für das Wirken der Personalprälatur in ihrem Jurisdiktionsbereich bekundet. Auch in der Vatikanischen Bischofskongregation, die sowohl für die Diözesen als auch für die Personalprälaturen zuständig ist, teilt man offenbar diese Einschätzung. Ihr Sekretär, Erzbischof Francesco Monterisi, bekräftigte Ende letzten Jahres in einem Interview, das Opus Dei entfalte seine apostolische Tätigkeit «in Gemeinschaft mit den Diözesanbischöfen». Diese Tätigkeit käme den Bistümern zugute und sei eine «Bereicherung der kirchlichen Communio».

Laien als Prälaturmitglieder: Gefahr für die Einheit der Diözese?

Wie schon erwähnt, gab es bei der Errichtung des Opus Dei als Personalprälatur noch einen zweiten Anlass zur Diskussion: der Umstand nämlich, dass es ganz überwiegend (zu 98%) aus Laiengläubigen besteht. Namentlich zwei Vorbehalte wurden laut.

Einige Kommentatoren erblickten darin eine Gefahr für die Einheit der Diözese, denn sie befürchteten, dass die Laien, welche dieser Personalprälatur beitreten, der Autorität des Diözesanbischofs entzogen würden. Tatsächlich bestimmt Artikel 3 der Konstitution «Ut sit», dass die Personaljurisdiktion des Prälaten nicht nur die inkardinierten Kleriker betrifft, sondern auch die vertraglich mit der Personalprälatur verbundenen Laien. Hier muss nun aber ein entscheidendes Faktum im Auge behalten werden: Die Kompetenzen des Prälaten beschränken sich auf jene besonderen Pflichten, welche die Laien mit ihrem Beitritt zum Opus Dei übernehmen. Diese Pflichten aber sind grundsätzlich in Bereichen angesiedelt, die von der Kirche der freien Entscheidung ihrer Laien überlassen sind, so etwa die Gestaltung ihres geistlichen Lebens, die Vertiefung ihrer Glaubensbildung, persönliche apostolische Initiativen usw. Das wiederum bedeutet, so im genannten Interview, dass die Zugehörigkeit von Laien zum Opus Dei «ihren Status als Gläubige ihres jeweiligen Bistums in keiner Weise abwandelt». Papst Johannes Paul II. ging noch weiter und erkannte in der gleichzeitigen Zugehörigkeit von Laien zu ihrer Diözese und zum Opus Dei nicht nur keine Schwierigkeit, sondern eine Art Garantie: Sie bewirke nämlich, dass «die besondere Sendung der Prälatur in die Evangelisierungsbemühungen jeder Teilkirche mündet », wie es das Konzil mit der Schaffung der Rechtsfigur der Personalprälatur gewünscht habe.

Ist das Opus Dei eine Personalprälatur im Sinne des Kodex?

Die Zugehörigkeit von Laien zum Opus Dei führte gewisse Beobachter auch zur Auffassung, dass sich das Opus Dei von der im Kodex vorgesehenen Personalprälatur unterscheidet und dass seine Errichtung unter diesem Namen daher nicht eigentlich eine Anwendung dieser Figur darstellt, sondern einen zum Kodex hinzutretenden legislativen Akt, der eine andere Art von Personalprälatur etabliert. Zu dieser Sichtweise gelangt, wer die Personalprälatur des Kodex als reinen Inkardinationsverband für den Weltklerus versteht, unter Berufung darauf, dass der Kodex in diesem Zusammenhang zur Hauptsache nur von Priestern und Diakonen spricht: Für Laien sieht er explizit lediglich die Möglichkeit einer organischen Zusammenarbeit auf Grund von näher zu definierenden Vereinbarungen mit der Prälatur vor (vgl. c. 296). Erwägt man jedoch die Wortbedeutung dieser Bestimmungen «im Text und im Kontext» (c. 17), so ergibt sich ein anderes Bild. Zweck einer Personalprälatur ist ja die Seelsorge, der Dienst an bestimmten Laiengläubigen. Somit kann der Prälat eine Hirtengewalt ausüben im Dienst der Gläubigen jener Gebiete oder Sozialverbände, für die die Prälatur seelsorgliche Werke verwirklicht (vgl. c. 294), und zwar hinsichtlich – und nur hinsichtlich – dieser Werke. In eben dieser Hinsicht gehören die Laiengläubigen zur Personalprälatur. Wenn der Kodex dann von «organischer Zusammenarbeit» (c. 296) spricht, setzt er diese Zugehörigkeit voraus und macht deutlich, dass sie nicht bloss passiver Art ist. Er übersetzt damit in seiner Norm auch hier – wie an vielen anderen Stellen – die Lehre des Zweiten Vatikanums von der gemeinsamen Verantwortung der Gläubigen für die Mission der Kirche.

Wenn man diese pastoralen Implikationen mit einbezieht, erscheint die Personalprälatur nicht mehr als blosse Organisationsform von Klerikern, sondern als Einrichtung für überdiözesane Seelsorgeaufgaben, die in aller Regel im Dienst an Laien steht und bei der diese Laien auch auf verschiedene Weise mit der Prälatur mitwirken können, wie c. 296 es vorsieht. Bezüglich dieser Aktivitäten stehen sie unter der Jurisdiktion des Prälaten; aber sie gehören nach wie vor zu ihrer Diözese und unterstehen ihrem Diözesanbischof. Die Statuten der Personalprälatur haben die Art dieser «organischen Zusammenarbeit» und «das Verhältnis der Personalprälatur zu den Ortsordinarien zu bestimmen, in deren Teilkirchen die Personalprälatur ihre seelsorglichen […] Werke» ausüben möchte (c. 297).

In dieser Perspektive offenbart sich erst die ganze Flexibilität der vom Kodex definierten Personalprälatur. Ihre konkrete Ausgestaltung kann recht unterschiedlich ausfallen, wie auch die pastoralen Ziele unterschiedlich sein können, zu deren Verwirklichung sie angewandt wird. Damit kommt sie den Bedürfnissen der Seelsorge unter den heutigen Bedingungen entsprechend gut entgegen.

Im Rahmen dieses flexiblen Umsetzungspotenzials kann das Opus Dei als eine Anwendung der vom Kodex definierten Personalprälatur verstanden werden, was der Hl. Stuhl wohl auch so intendiert hat. Richtig bleibt, dass das Opus Dei nicht das einzige Paradigma für alle anderen (zukünftigen) Personalprälaturen darstellt. Nimmt man die 25-jährige Erfahrung der Diözesen mit dieser ersten real bestehenden Personalprälatur hinzu, so darf man meines Erachtens bilanzieren, dass sich die neue Rechtsfigur bewährt hat und den verschiedenen Anforderungen der kirchlichen Communio genügt.

Arturo Cattaneo in «Schweizerische Kirchenzeitung», 175/50 (2007) 878-879