Betrachtungstext: Vierter Sonntag des heiligen Josef

Wie der heilige Josef gehorcht – Die notwendige Sammlung, um Gott zu hören – Mit seinem Gehorsam nimmt er den Gehorsam Jesu vorweg

NACH DER VERKÜNDIGUNG des Engels an Maria hat die christliche Tradition eine Parallele in der.Verkündigung an Josef gesehen: Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen (Mt 1,20-21). Der heilige Patriarch war, wie Papst Franziskus unterstreicht, „immer bereit, den Willen Gottes zu tun, der sich in seinem Gesetz und in den vier Träumen, die er hatte, manifestierte“1. Die Tatsache, dass Josef die göttlichen Pläne sogar im Schlaf vernahm und diese unverzüglich umsetzte, zeugt von seinem ständigen Gleichklang mit Gott; und sie verdeutlicht, dass uns das beschauliche Leben in der Regel dazu führt, die Pläne des Vaters zu erkennen und uns ihnen großmütig anschließen zu wollen. Diese Bereitschaft ist das Fundament für den Gehorsam gegenüber dem Herrn. Das Wort „gehorchen“ kommt nämlich genau von dieser Fähigkeit des Zuhörens ‒ ob audire ‒, dieser Fähigkeit, intelligent auf das zu hören, was ein anderer mir sagen möchte; in diesem Fall führt Gott Josef in sein großes barmherziges Erlösungswerk ein.

Gehorsam ist also alles andere als blindes Erfüllen. Voraussetzung für den Gehorsam in seinem ganzen Reichtum ist, dass man zuhören kann, dass man aufgeschlossen ist; nur wer selbst denkt, kann gehorsam sein. Der heilige Josefmaria sagte 1963 in einer Predigt: „Josefs Glaube wankt nicht, er gehorcht ohne Zögern. Wir begreifen die Lehre, die er uns hier gibt, besser, wenn wir uns klar machen, dass er einen tätigen Glauben lebt und dass seine Fügsamkeit nichts von jenem Gehorsam hat, der sich nur von den Ereignissen treiben lässt. Denn nichts widerspricht dem christlichen Glauben mehr als Konformismus, Nichtstun oder innere Schlaffheit. Josef überließ sich rückhaltlos den Händen Gottes, aber er verzichtete nicht darauf, über den Sinn der Ereignisse nachzudenken; so konnte er vom Herrn jenen Grad der Einsicht in die Werke Gottes erlangen, die die wahre Weisheit ausmacht.“2

Im Alten Testament finden wir Gott mehrmals zu seinen Getreuen in Träumen sprechen; etwa zu Adam, Jakob oder Samuel. Es sind Menschen, die den ständigen Dialog mit Gott suchen, die Gott in allen Lebenslagen zu sich sprechen lassen. Und ihre Geschichten verdeutlichen, dass sich uns durch echten Gehorsam neue Dimensionen des Lebens, neue Namen, Orte und Pläne erschließen können.


WIR WISSEN, dass GOTT zu uns spricht; wir wissen, dass er an unserer Seite ist und dass er uns ständig aufruft, uns mit seiner Liebe zu vereinen – mit allem, was wir sind – mittels ganz konkreter Situationen. Der Herr spricht jeden Tag, jeden Augenblick, zu uns durch unsere Mitmenschen und die Ereignisse, die wir erleben. In allem ist ein Teil des göttlichen Plans verborgen, den wir persönlich entdecken und entwickeln können. Ein Gebet, das Josef nach jüdischer Lehre mindestens zweimal am Tag wiederholte, war das Gebet Schma Israel, das mit den Worten beginnt: Höre, Israel! Der Herr, unser Gott, der Herr ist einzig (Dtn 6,4). Damals wie heute geht es zunächst darum, die göttliche Stimme wahrzunehmen, die uns ruft. Josef macht das und lebt, wie der heilige Josefmaria schrieb, „den Willen Gottes weder oberflächlich noch formalistisch, sondern spontan und lebendig. Das Gesetz, das ein gläubiger Jude befolgte, war für ihn keine trockene Sammlung von Geboten, sondern Willensausdruck des lebendigen Gottes. Deswegen war er auch in der Lage, die Stimme des Herrn zu erkennen, als sie sich ihm unerwartet und überraschend offenbarte.“3

Um die Stimme Gottes zu hören, sollen wir lernen, vor allem innerlich still zu werden. Die Heilige Schrift berichtet, dass der Prophet Elia Jahwe nicht durch einen gewaltigen Wind, ein Erdbeben oder Feuer hörte, sondern durch ein sanftes, leises Säuseln (1 Kön 19,12). Das Gebetsleben erfordert, dass wir die Stimmen, die uns ablenken, zum Schweigen bringen, um auf Gott und auch auf unsere innere Stimme zu hören und unsere Wünsche oder Möglichkeiten mitzuteilen. In dieser Intimität entdecken wir, wer wir sind, wir lernen, mit der Stimme Gottes in einen Dialog zu treten und uns mit ihr zu identifizieren.

Die Evangelisten haben uns keinerlei Aufzeichnungen von Aussagen des heiligen Josef hinterlassen, aber wir kennen seine Taten, die Frucht des Gehorsams gegenüber Gott sind, seines intelligenten Zuhörens und Dialogs im Inneren seiner Seele. Papst Benedikt lehrte, dass „das Schweigen des heiligen Josef nicht von einer inneren Leere zeugt, sondern im Gegenteil von der Fülle des Glaubens, den er in seinem Herzen trug und der all seine Gedanken und Handlungen leitete.“4 Diese Haltung des Patriarchen ermöglichte es Gott, den Lauf seines Lebens mittels dieser vier Träume zu lenken. Und Josef konnte dank seiner Sammlung und Sensibilität für die göttlichen Pläne Maria und Jesus vor Gefahren beschützen und an sichere Orte führen. Auch wir wollen diese Haltung der Stille und des aufmerksamen Hörens pflegen, um Gottes Stimme und Pläne in unser Leben eintreten zu lassen.


DER HEILIGE JOSEFMARIA pflegte zu sagen, dass es im Neuen Testament zwei Sätze gibt, die das Leben Jesu knapp zusammenfassen: die Worte des Paulus, dass er gehorsam war bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz (Phil 2,8); und die Worte des Lukas, dass Jesus mit ihnen – Maria und Josef –nach Nazaret zurückkehrte und ihnen gehorsam war (Lk 2,51). In beiden Passagen wird deutlich, dass der Herr seinen Heilsplan in Gehorsam umsetzte, aus Liebe zu Gott Vater und zu seiner irdischen Familie.

Im familiären Umfeld lernen wir, zuzuhören und zu gehorchen, und zwar im Rahmen der liebevollen Pläne Gottes. Dort ist jeder mit dem anderen im Einklang, weil jeder aufrichtig das Wohl des anderen sucht. In der Familie erleben wir den gegenseitigen Dienst, wir lernen zuzuhören und zu entdecken, was für alle gut ist. Gehorsam ist die Frucht der Liebe. Wir können uns vorstellen, wie behutsam Josef Jesus Anweisungen gegeben hat. Und gleichzeitig können wir uns vorstellen, wie das fleischgewordene Wort das, was sein irdischer Vater ihm sagte, verstehen und bereitwillig und gerne ausführen wollte. In der Tat, so sagte Papst Franziskus, „die drei Mitglieder dieser Familie helfen sich gegenseitig, den Plan Gottes zu entdecken. Sie beteten, sie arbeiteten, sie kommunizierten.“5

Jesus sah in Nazaret Tag für Tag, wie Joseph sich verhielt: ein Mann, der aus dem Glauben heraus gehorsam ist. Der heilige Patriarch gehorchte und nahm damit den Gehorsam Jesu bis hin zum Kreuz vorweg. Die Heilige Familie ist eine Schule, in der wir lernen, dass das Hören auf Gott und die Teilnahme an seiner Sendung zwei Seiten einer Münze sind. So werden wir verstehen, wie der Glaube des heiligen Josef war. Der heilige Josefmaria charakterisiert ihn als „vorbehaltlos, vertrauensvoll, bezeugt durch eine wirksame Hingabe an den Willen Gottes im bewusst gelebten Gehorsam“6.


1 Franziskus, Apostolisches Schreiben Patris Corde, Einleitung. Die vier Träume beziehen sich darauf, dass er keine Angst hat, Maria zur Frau zu nehmen; dass er nach Ägypten flieht, um das Leben Jesu zu retten; dass er nach Israel zurückkehrt; und schließlich, dass er nach Nazareth geht, um das Kind vor dem König von Judäa zu schützen.

2 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 42.

3 Ebd., Nr. 41.

4 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 18.12.2015.

5 Franziskus, Angelus-Gebet, 29.12.2019.

6 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 42.

Künstlerin: Palmira Laguéns (Wallfahrtskirche von Torreciudad)