Betrachtungstext: Hochfest von Pfingsten

Der Heilige Geist stößt unsere Sendung an – Mit dem Tröster wird uns die Vergebung geschenkt – Das Leben und die Kraft Gottes werden uns im Heiligen Geist gegeben

AM PFINGSTTAG, könnte man sagen, endet das Wirken Jesu auf Erden und beginnt unser Wirken, angespornt, ermutigt und getragen von seinem Geist. Wir empfangen dieselbe Sendung, die der Vater seinem Sohn anvertraut hat. Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch (Joh 20,21). Wir sind voller Dankbarkeit für eine solche Gabe und möchten, dass das Feuer, das im Herzen Jesu Christi brannte, nicht nur nicht erlischt, sondern jenen Brand entfacht, den er sich vorgestellt und gewünscht hat. Die kleinen Flammen, die über den Köpfen der Apostel und in unseren Seelen auftauchten, sollen sich bis in die entferntesten Winkel der Erde ausbreiten. Voll Freude wirken wir an den göttlichen Plänen mit, die Welt mit der Wärme und dem Licht zu erfüllen, die der Erlöser uns gebracht hat.

In unserer Sendung sind wir nicht allein, sondern können auf unschätzbare Hilfe zählen. Jesus hatte versprochen, er werde uns nicht als Waisen zurücklassen (Joh 14,18), und er hat Wort gehalten. „Wo der Geist Gottes eintritt, dort verjagt er die Angst“, lehrte Papst Benedikt XVI. „Er lässt uns erkennen und spüren, dass wir uns in den Händen einer Allmacht der Liebe befinden: Was auch immer geschehen mag, seine unendliche Liebe verlässt uns nicht. Dies zeigt das Zeugnis der Märtyrer, der Mut der Bekenner, der Elan der Missionare, der Freimut der Prediger, das Vorbild aller Heiligen, von denen einige sogar erst Heranwachsende oder Kinder waren. Ein Beweis dafür ist die Existenz der Kirche selbst, die trotz aller Grenzen und Schuld der Menschen weiter den Ozean der Geschichte durchquert, angetrieben vom Hauch Gottes und beseelt von seinem reinigenden Feuer.1

Mag sein, dass wir uns manchmal verwaist fühlen, doch das soll uns nicht verwirren. Wir wissen, dass dies Teil des Unkrauts ist, das der Teufel unter den guten Weizen der Liebe mischt, zu der wir berufen sind. Die Verlassenheit zu spüren und wahrzunehmen, bedeutet nicht, sich mit diesem Gefühl abzufinden, sondern kann uns gerade dazu dienen, uns mit Hilfe des Heiligen Geistes erneut bewusst zu machen, dass wir vielgeliebte Kinder sind. Wie der heilige Josemaría wollen wir in diese Gnadenquelle eintreten: „Die Herrlichkeit ist für mich die Liebe: Jesus, und mit ihm der Vater – mein Vater – und der Heilige Geist – mein Heiligmacher.2 In der Dreifaltigkeit finden unsere Ängste und Befürchtungen ihre Auflösung.


ALS WIR unsere ersten Gehversuche machten – vielleicht von den Armen unseres Vaters zu den Armen unserer Mutter –, wussten wir nicht, ob das Ganze gut ausgehen würde, da wir es noch nie zuvor getan hatten. Die Nähe unserer Eltern war uns genug. Als sie uns zur Belohnung für unsere Heldentat auch noch umarmten, merkten wir, wie wunderbar es war, etwas zu riskieren. Wir bitten den Geist, unseren Willen zu entflammen, damit es uns in ähnlicher Weise drängt, Frieden und Freude in der Welt auszusäen. Das Gebet ist die beste Art und Weise, um seine Stimme zu vernehmen, auf sie zu hören und uns auf diesen göttlichen Weg zu begeben. „Das Gebet ist eine Gabe, die wir umsonst empfangen“, eröffnet uns Papst Franziskus eine interessante Sichtweise darauf, „es ist der Dialog mit Gott im Heiligen Geist, der in uns betet und der es uns ermöglicht, uns an ihn zu wenden und ihn Vater, Papa, Abbà (vgl. Röm 8,15; Gal 4,4) zu nennen; und das ist nicht nur so eine ,Redensart‘, sondern es ist Wirklichkeit: Wir sind wirklich Kinder Gottes. Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes (Röm 8,14).“3

Manchmal sind wir, vielleicht unbewusst, versucht, so zu leben, als ob Gott sich wegen unserer Sünden, unseres Widerstands oder unserer Treulosigkeiten von uns entfernt hätte. Daher überrascht er uns immer wieder mit seiner Reaktion auf unsere Fehltritte. Papst Franziskus zeigt auf, dass Jesus nichts mehr wünscht als zu vergeben: „Der auferstandene Jesus sagt, als er den Seinen zum ersten Mal erscheint: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen (Joh 20,22). Jesus verurteilt die Seinen nicht, die ihn während seiner Passion verlassen und verleugnet haben, sondern schenkt ihnen den Geist der Vergebung. Der Geist ist die erste Gabe des Auferstandenen und wird vor allem gegeben, um die Sünden zu vergeben. Hier haben wir den Beginn der Kirche, hier haben wir das Bindemittel, das uns zusammenhält, den Zement, der die Bausteine des Hauses vereint: die Vergebung. Weil die Vergebung die Gabe in höchster Potenz ist, ist sie die größte Liebe, jene, die trotz allem verbindet, die den Zusammenbruch verhindert, die kräftigt und festigt. Die Vergebung befreit das Herz und erlaubt, von neuem anzufangen. Die Vergebung verleiht Hoffnung. Ohne Vergebung kann man die Kirche nicht aufbauen.“4


DER HEILIGE GEIST will uns mit Frieden erfüllen, damit wir die uns anvertraute Sendung genießen können. Es ist ein Friede, der darauf gründet, dass wir Kinder Gottes und zu einem innigen Zusammenleben mit ihm berufen sind. Der heilige Josefmaria schildert, wozu es führt, wenn das solide Fundament dieser göttlichen Gnade fehlt: „Der Angriff auf den Glauben zerstört das spirituelle Gebäude, die Versuchung gegen die Hoffnung verwirrt, doch diese üble ,Gewissheit‘, dass Gott mich nicht liebt und ich ihn nicht liebe, zerstört das Herz, sogar physiologisch.“5

Papst Franziskus empfiehlt, stets beim Heiligen Geist Hilfe zu suchen: „Wir lernen also heute, was zu tun ist, wenn wir einer echten Veränderung bedürfen. Wer von uns braucht sie nicht? Vor allem, wenn wir am Boden sind, wenn wir unter der Last des Lebens stöhnen, wenn unsere Schwächen uns bedrücken, wenn es schwierig ist voranzukommen und wenn es unmöglich erscheint zu lieben. Dann brauchen wir ein kräftiges ,Stärkungsmittel‘: Und das ist er, das ist die Kraft Gottes. Der Geist ist es, der ,lebendig macht‘, wie wir im ,Credo‘ bekennen. Wie gut täte es uns, jeden Tag dieses Stärkungsmittel des Lebens zu uns zu nehmen und etwa beim Aufwachen zu sagen: ,Komm, Heiliger Geist, komm in mein Herz, komm in meinen Tag.‘6

Die heilige Teresa von Lisieux schilderte ihren Firmtag folgendermaßen: „Wie froh gestimmt war meine Seele! Wie die Apostel erwartete ich glücklich den verheißenen Heiligen Geist (...). Ich hörte kein gewaltiges Brausen, als der Heilige Geist herabkam, sondern eher jenen leisen Windhauch, dessen Säuseln der Prophet Elias auf dem Berg Horeb vernommen hatte.“7 Auch wir wollen die Ohren spitzen, damit der Geist Jesu uns jederzeit erreichen und von den Wundern erzählen kann, zu welchen er uns ruft und für die wir geschaffen wurden.

Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen. Mit Papst Franziskus wenden wir uns an unsere himmlische Mutter: „Heute, am Pfingstfest, lassen uns diese Worte Jesu auch an die mütterliche Gegenwart Marias im Obergemach denken. Die Mutter Jesu befindet sich inmitten der Gemeinschaft der Jünger, die im Gebet versammelt ist: Sie ist das lebendige Gedächtnis des Sohnes und die lebendige Anrufung des Heiligen Geistes. Sie ist die Mutter der Kirche. Ihrer Fürsprache vertrauen wir in besonderer Weise die Christen, die Familien und die Gemeinschaften an, die die Kraft des Geistes, des Beistands, Fürsprechers und Trösters, des Geistes der Wahrheit, der Freiheit und des Friedens in diesem Augenblick am meisten brauchen.“8


1 Benedikt XVI., Predigt, 31.5.2009.

2 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen, Nr. 1653-1655.

3 Franziskus, Predigt, 8.6.2014.

4 Franziskus, Predigt, 4.6.2017.

5 Hl. Josefmaria, Randnotiz zum Dezenarium zum Heiligen Geist von Francisca Javiera del Valle, Damaris Verlag 2021.

6 Franziskus, Predigt, 20.5.2018.

7 Hl. Theresia vom Kinde Jesu, Geschichte einer Seele, Kap. 4, 36.

8 Franziskus, Predigt, 15.5.2016.