Betrachtungstext: Fünfter Sonntag des heiligen Josef

Josef begrüßt die Pläne Gottes – Gott in den alltäglichen Wirklichkeiten entdecken – Das Handeln Gottes ist stimmig

DAS TÄGLICHE Leben ist voll von Gelegenheiten und Entscheidungen, die in eine bestimmte Richtung weisen, und einige von ihnen sind von transzendenter Bedeutung für unsere Zukunft. Wenn wir Dinge normalerweise in der Gegenwart Gottes bedenken müssen, so gilt dies umso mehr für diese speziellen Situationen. Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen (Mt 1,20), sagte der Engel zu dem Patriarchen. Matthäus berichtet, dass Josef im Gebet über das Geschehen nachdachte, um zu sehen, wie er sich verhalten sollte. Dies lässt uns ihn, wie Papst Franziskus schreibt, „als Gestalt eines respektvollen und feinfühligen Mannes vorstellen, der, obwohl er nicht im Besitz aller Informationen ist, sich zugunsten des guten Rufs, der Würde und des Lebens Marias entscheidet. Und in seinem Zweifel, wie er am besten handeln soll, half ihm Gott bei der Wahl mit dem Licht der Gnade für sein Urteil.“1

Die heilige Maria empfing Christus im Glauben, denn sie bejahte die Pläne des Herrn, sie glaubte, dass sich die Worte des Engels erfüllen würden. Wir können dasselbe vom heiligen Josef sagen, der ebenfalls akzeptierte, was ihm von Gott mitgeteilt wurde. Der heilige Patriarch vertraute auf diese Worte und ließ sich persönlich auf das ein, was ihm angekündigt wurde. Er machte sich den Plan Gottes zu eigen und vertraute darauf, dass er nicht nur für die Menschheit im Allgemeinen, sondern auch für ihn selbst gut war: Er sah sich in dieser Geschichte als vom Glück begünstigt; sie zeigte sich genau als jener Plan, den er verwirklichen wollte. Im allgemeinen Sprachgebrauch sagen wir, dass eine Reproduktion eines Kunstwerks „getreu“ ist, wenn sie den ursprünglichen Plan des Künstlers wiedergibt. Gott geht jedoch eine Beziehung mit Geschöpfen ein, die wahre Freiheit besitzen; die Kunst besteht also darin, dass wir im Lauf unseres Lebens lernen, seine Pläne anzunehmen und in ihnen das Gute für uns und für unsere Mitmenschen zu erkennen.

Der heilige Josef entfaltet sich in ganz normalen Situationen: bei der Arbeit, in der Familie, im gewöhnlichen Leben ... und dort lernt er, das Geschenk Gottes anzunehmen und zu verwirklichen. Diese Haltung ist für alle Christen notwendig. Wir wollen den heiligen Patriarchen bitten, unseren Blick und unser Herz zu erneuern, damit wir die Frische haben, uns für die Gaben und Pläne Gottes zu öffnen.


ALLE sind wir aufgerufen, ein Zuhause zu schaffen, das nach dem Vorbild Christi seine Türen weit offen hält. Aufnehmen heißt, den Mut haben, etwas mit Zartgefühl zu empfangen, das Gute zu erkennen, etwas unterstützen, die Initiative zu ergreifen, sich nicht mit der Bequemlichkeit des Gewohnten abzufinden oder in Passivität zu verfallen. Aufnehmen heißt, die Bereitschaft haben, immer offen zu sein für die Bedürfnisse der anderen. Josef ist, wie der Papst sagt, „ein mutiger und starker Akteur. Die Fähigkeit, etwas annehmen zu können, ist eine Weise, wie sich die Gabe der Stärke, die vom Heiligen Geist kommt, in unserem Leben offenbart.“2 Der heilige Patriarch ist ein gläubiger Mensch, der sich vor allem der Stimme Gottes öffnet. Aber er nimmt auch das Hell-Dunkel der Geschichte an, in der er sich befindet, er nimmt die Herausforderungen an, die die Welt und die Mitmenschen für seine Sendung bedeuten. „Hier geht es wieder um jenen christlichen Realismus, der nichts von dem, was existiert, verwirft. In ihrer geheimnisvollen Unergründlichkeit und Vielschichtigkeit ist die Wirklichkeit Trägerin eines Sinns der Existenz mit ihren Lichtern und ihren Schatten. Deswegen kann der Apostel Paulus sagen: Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht (Röm 8,28). Und der heilige Augustinus fügt hinzu: ,Auch das, was man als böse bezeichnet (etiam illud quod malum dicitur).‘ In dieser allgemeinen Perspektive gibt der Glaube jedem glücklichen oder traurigen Ereignis einen Sinn.“3

Der heilige Josefmaria betonte gerne, dass der heilige Josef ständig nach dem besten Weg sucht, um die Pläne Gottes zu erfüllen, die auch seine eigenen geworden sind: „Er stellt seine ganze menschliche Erfahrung in den Dienst des Glaubens. Als er aus Ägypten zurückkehrte und hörte, dass in Judäa Archelaus anstelle seines Vaters Herodes regierte, hatte er Angst, dorthin zu gehen. Er hat gelernt, sich im Rahmen des göttlichen Plans zu bewegen, und als Bestätigung dafür, dass Gott wirklich will, was er voraussieht, erhält er den Hinweis, sich nach Galiläa zurückzuziehen.“4 Auf unserem Weg, die Sendung zu erfüllen, die Gott uns anvertraut hat, werden wir sowohl Fortschritte als auch Rückschläge erleben. Aber selbst in den Momenten, die uns schlecht erscheinen, können wir die Stimme Gottes entdecken, die uns tröstet, uns unterweist und uns erleuchtet. „Das Leben auf diese Weise anzunehmen“, schrieb Papst Franziskus, „führt uns zu einem verborgenen Sinn. Das Leben eines jeden von uns kann auf wundersame Weise neu beginnen, wenn wir den Mut finden, es so zu leben, wie es uns das Evangelium sagt. Und dabei spielt es keine Rolle, ob jetzt alles schief gelaufen zu sein scheint und ob manche Dinge unumkehrbar sind. Gott kann Blumen zwischen den Felsen sprießen lassen.“5


„SCHAUT EUCH das Umfeld an, in dem Christus geboren wurde“, rät uns der heilige Josefmaria. „Alles dort beharrt auf dieser bedingungslosen Hingabe: Josef – eine Geschichte heftiger Ereignisse, verbunden mit der Freude, der Beschützer Jesu zu sein – setzt seine Ehre, den geordneten Fortgang seiner Arbeit, die ruhige Zukunft aufs Spiel; seine ganzes Leben ist Bereitschaft für das, was Gott von ihm verlangt (...). In Bethlehem hält niemand etwas zurück. Dort hört man weder von meiner Ehre, noch von meiner Zeit, noch von meiner Arbeit, noch von meinen Ideen, noch vonmeinen Vorlieben, noch von meinem Geld. Alles wird dort in den Dienst des großen Spiels Gottes mit der Menschheit gestellt.“6 Um die Wirklichkeit und die anderen Menschen so annehmen zu können wie der heilige Patriarch, müssen wir uns mehr auf die Sicherheit Gottes als auf unsere eigene verlassen; auf diese Weise werden wir bereit sein, von allen und allem zu lernen, auch von unseren Fehlern, denn in ihnen werden wir immer ein göttliches Wispern entdecken. Papst Franziskus schrieb: „Das geistliche Leben Josefs zeigt uns nicht einen Weg, der erklärt, sondern einen Weg, der annimmt. Nur aus dieser Annahme, aus dieser Versöhnung heraus können wir auch eine größere Geschichte, einen tieferen Sinn erahnen.“7

Der heilige Josef ignorierte die Ankündigung des Engels nicht und machte sich auf den Weg zu den Orten, die ihm am besten für Jesus geeignet erschienen; er stritt auch nicht mit seiner Frau darüber, wie sie hätte reagieren sollen, als sie erfuhr, dass sie einen Sohn zur Welt bringen würde. Bei der Suche nach einer Unterkunft für das Kind, das geboren werden sollte, beklagte sich der heilige Josef nicht über jeden einzelnen Ort, an dem sie nicht bleiben konnten, und angesichts der Bedrohung durch Herdodes blieb er nicht eigensinnig in Bethlehem, so ungerecht es auch war, dass er sich nach Ägypten begeben musste. Der heilige Josefmaria stellt fest, dass der heilige Patriarch bei jedem dieser Ereignisse „nach und nach lernte, dass die übernatürlichen Pläne eine göttliche Kohärenz haben, die manchmal im Widerspruch zu den menschlichen Plänen steht“8. Deshalb müssen wir um die Weisheit des irdischen Vaters Jesu bitten, um zu lernen, diese göttliche Logik zu verstehen, und so die Menschen und Ereignisse, die uns umgeben, als von Gott kommend zu begrüßen.


1 Franziskus, Apostolisches Schreiben Patris Corde, Nr. 4.

2 Ebd.

3 Ebd.

4 Hl. Josefmaria, Christus Begegnen, Nr. 42.

5 Franziskus, Apostolisches Schreiben Patris corde, Nr. 4.

6 Hl. Josefmaria, Brief vom 14. Februar 1974, Nr. 2.

7 Franziskus, Apostolisches Schreiben Patris corde, Nr. 4.

8 Hl. Josefmaria, Christus Begegnen, Nr. 42.