IN DIESEN TAGEN machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa (Lk 1,39). Maria verspürte in ihrem Herzen, dass ihre Verwandte sie brauchte, und ohne Zögern brach sie zu ihr auf. Welch ein Segen für Elisabeth, eine so hilfsbereite, einfühlsame und aufmerksame Verwandte an ihrer Seite zu wissen! Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? (Lk 1,43). Vielleicht können auch wir ein solches Gebet an den Herrn richten: Warum, Herr, habe ich das unermessliche Glück, dich zu kennen? Warum darf ich jetzt mit dir sprechen und dich in meiner Seele tragen? Wir bitten die heilige Elisabeth, die den ersten Besuch des Mensch gewordenen Messias empfing, uns zu helfen, Gott für seine Wohltaten zu danken. Zugleich ermutigt uns ihre Haltung, wie Maria eilends aufzubrechen, um das empfangene Geschenk mit vielen Seelen zu teilen.
Die Ankunft ihrer Verwandten bewegte Elisabeth. Etwas rührte sich in den Tiefen ihrer Seele, und sie wurde vom Heiligen Geist erfüllt. Bereits in den ersten Momenten des Neuen Bundes durchströmt Gottes Gnade die Herzen derer, die sich für ihn öffnen. So erfahren wir, dass Maria die Gesegnete war und Elisabeth vom Heiligen Geist erfüllt wurde (Lk 1,41). Wie erstaunlich ist die Fähigkeit des menschlichen Herzens, Gott eine Wohnstatt zu bieten! Der heilige Josefmaria sagte angesichts der Größe und Unendlichkeit eines Schöpfers, der uns so nahe sein will: „Wie groß bist du, wie schön und wie gut! Und ich – wie töricht von mir, dass ich versuchte, dich mit meinem Verstand zu begreifen. Wie klein wärest du, wenn du in meinen Kopf passen würdest! Doch du findest Platz in meinem Herzen, und das ist nicht wenig.“1
DIE GRÖSSE der ihnen übertragenen Sendung ist für die beiden Frauen kein Grund, sich ängstlich zurückzuziehen. Sie lassen sich weder von der Angst vor dem Scheitern noch von der Furcht vor Überforderung beunruhigen. Stattdessen vertrauen sie voll und ganz auf Gott, sind dankbar und erkennen sich von unzähligen Gaben umgeben. Ohne sich zu sehr mit den Schwierigkeiten zu beschäftigen, die sie bereits erlebt haben oder die noch vor ihnen liegen könnten, übertreffen sie sich gegenseitig in Danksagung.
Maria und Elisabeth zeigen sich gelassen, froh und dankbar. Ihr Vertrauen in die Liebe Gottes spornt sie weit über das menschlich Vernünftige hinaus an. Die beiden Mütter sind erfüllt von Begeisterung, denn sie wissen, dass ihre Söhne – jeder auf seine Weise – einen Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit markieren werden. Über die genauen Umstände und Wege, wie dies geschehen wird, machen sie sich keine Sorgen, denn sie vertrauen darauf, dass Gott alles in bester Weise führen wird. Der heilige Josefmaria bemerkte: „Die Vereinigung mit Gott, das Leben der Gnade in uns, geht stets mit einem Aufleuchten der natürlichen Tugenden einher: Maria bringt Freude in das Haus ihrer Base, da sie Christus ,bringt‘.“2
Auch die Stummheit ihres Gatten Zacharias wird für Elisabeth eine Quelle der Gnade. Wahrscheinlich führte es sie dazu, mehr zu beten und Gott direkt nach dem Sinn seiner Pläne zu fragen. In dieser stillen Zeit bereiteten sich Elisabeth und Zacharias gemeinsam auf die Geburt von Johannes vor, ohne dass oberflächliche Gespräche oder Ablenkungen das große Geheimnis der Erlösung, das sich vor ihren Augen entfaltete, überschatteten. Die Erwählung, Verwandte des Messias zu sein, reichte aus, um ihre Tage mit einem beständigen und tiefen Dialog mit Gott zu füllen.
DU BIST GEBENEDEIT unter den Frauen (Lk 1,42) – das sind wahrscheinlich die am häufigsten wiederholten Worte in der Geschichte. Sie erklingen in jedem „Gegrüßt seist du, Maria“, das Christen seit Jahrhunderten beten. Elisabeth hatte recht: Wer auf Gott vertraut, erfährt seinen Segen. Die einzigen Versprechen, die Bestand haben, sind die des Herrn. Wie bei der Berufung Marias zeigt sich auch in der Geschichte von Elisabeth eine Wahrheit: Die Freude hat eine Quelle – die Gegenwart Jesu. Johannes hüpft vor Freude im Schoß seiner Mutter, weil der Erlöser da ist.
Die heilige Elisabeth hat vermutlich viele Jahre um ein solches Wunder gebetet. Vielleicht hatte sie sich bereits mit der Kinderlosigkeit abgefunden, bis Gott in ihr Leben eingriff und sie zur Mutter des Größten machte, der je von einer Frau geboren wurde (vgl. Mt 11,9). So handelt Gott – auch in unserem Leben. Wo uns etwas zu fehlen scheint, schenkt er seinen reichen Segen. Wo wir machtlos sind, überflutet er uns mit seiner Gnade. Wenn wir uns seiner Vorsehung anvertrauen, erkennen wir: Seine Pläne sind immer die besten, schönsten und erhabensten.
Papst Franziskus betonte in einer Predigt an Heiligabend: „Nehmen wir die Gabe an, die Jesus ist, um dann wie Jesus selbst zur Gabe zu werden. Gabe sein, bedeutet, dem Leben Sinn verleihen. Das ist die kraftvollste Weise, die Welt zu verändern: Wir verändern uns selbst, die Kirche verändert sich, die Geschichte verändert sich, wenn wir aufhören, andere verändern zu wollen, und stattdessen unser eigenes Leben zu einer Gabe machen.“3
Noch sechs Monate zuvor hätte niemand gedacht, dass Maria die Mutter des Messias und Elisabeth die Mutter seines Vorläufers werden würde. Wie oft wird unser Glaube von widrigen Umständen oder unserem Drang, alles kontrollieren und vorhersehen zu wollen, auf die Probe gestellt. Doch in ihrem Leben sehen wir, wie Gott das Unmögliche möglich macht. Wir bitten Elisabeth und Maria, uns zu lehren, wie sie mit Dankbarkeit und Freude auf Gottes Handeln zu vertrauen. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt (Lk 1,43)– diese Worte laden uns ein, mit Staunen und Demut die unerwarteten Wege des Herrn zu preisen.
1 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen von einer Predigt, 9.6.1974.
2 Ders., Die Spur des Sämanns, Nr. 566.
3 Franziskus, Predigt, 24.12.2016.