Betrachtungstext: 6. Woche im Jahreskreis – Samstag

Die Verklärung ist ein Geheimnis, das uns mit Licht erfüllt – Steige vom Tabor in den Alltag hinab – In der heiligen Messe werden wir mit Licht erfüllt

Offene Tür ins Freie zur Sonne am Horizont

WENN EINE Person uns neue Perspektiven eröffnet, um einen Aspekt der Welt zu verstehen, oder uns hilft, unser eigenes Leben besser zu verstehen, sagen wir gewöhnlich, dass "er uns Licht gebracht hat". Früher waren die Dinge vielleicht etwas unklarer und verwirrender. Auch die Heilige Schrift verwendet häufig die Symbolik des Lichts, und es gibt Passagen im Evangelium, die diese Leuchtkraft voll zur Geltung bringen. Markus berichtet, dass Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite nahm und sie auf einen hohen Berg führte, aber nur sie allein. Und er wurde vor ihnen verwandelt; seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann (Mk 9,2-3). Die Gestalt Jesu Christi ist ganz und gar von Licht erfüllt, es gibt dort keine Vermischung mit der Dunkelheit. Und als ob das noch nicht genug wäre, hören die Jünger auch noch die Stimme von Gott, dem Vater. Alles auf Tabor wird zu einem leuchtenden Geheimnis.

Die Verklärung lädt uns ein, die Augen unseres Herzens zu öffnen für das Geheimnis des göttlichen Lichts, das in der gesamten Heilsgeschichte gegenwärtig ist. Schon zu Beginn der Schöpfung sagt der Allmächtige: »Fiat lux – Es werde Licht!« (Gen 1,3), und es erfolgt die Scheidung des Lichtes von der Finsternis. Das Licht ist ein Zeichen, das etwas von Gott offenbart: Es ist gleichsam der Widerschein seiner Herrlichkeit, die seine Erscheinungen begleitet. Gott leuchtet, wenn er erscheint, »wie das Licht der Sonne, ein Kranz von Strahlen umgibt ihn« (Hab 3,4)1. Das Licht – so heißt es in den Psalmen – ist der Mantel, mit dem Gott sich umhüllt (vgl. Ps 104,2). Im Buch der Weisheit wird die Symbolik des Lichts verwendet, um das Wesen Gottes zu beschreiben: Die Weisheit, die Ausstrahlung der Herrlichkeit Gottes, ist "ein Abglanz des ewigen Lichts", das allem geschaffenen Licht überlegen ist (vgl. Weish 7,27.29ff). Im Neuen Testament ist es Christus, der die volle Manifestation des Lichts Gottes darstellt. Seine Auferstehung hat die Macht der Finsternis des Bösen für immer besiegt. Mit dem auferstandenen Christus siegen Wahrheit und Liebe über Lüge und Sünde. In ihm erhellt das Licht Gottes nun endgültig das Leben der Menschheit und den Weg der Geschichte. Ich bin das Licht der Welt, sagt er im Evangelium. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben (Joh 8,12).


IM JAHR 1931 erlebte der heilige Josefmaria in Madrid bei der Feier der Messe zum Fest der Verklärung des Herrn einen besonderen Augenblick. Vielleicht hat der Gründer des Opus Dei in Anbetracht des Glanzes des Tabor klar verstanden, dass die einfachen Christen von nun an Apostel sein werden, die den Auftrag haben, Christus in alle Bereiche der Welt zu bringen.

In seinen persönlichen Aufzeichnungen über diesen Tag schreibt er: Es kam der Augenblick der Wandlung. Als ich die heilige Hostie in meine Hände nahm, nachdem ich in mente das Gebet zur Barmherzigen Liebe Gottes verrichtet hatte, kamen mir, ohne die innere Sammlung zu verlieren, jene Worte der Heiligen Schrift in den Sinn: Et si exaltatus fuero a terra, omnia traham ad me ipsum (Joh 12,32), Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen. In der Regel fürchte ich mich vor dem Übernatürlichen. Doch dann kommen jene Worte: Ne timeas! Ich bin es. Und ich habe verstanden, dass es die Frauen und Männer Gottes sein werden, die das Kreuz und mit ihm die Lehre Christi bis an die Spitze jeder menschlichen Tätigkeit stellen werden2.

Im Ereignis der Verklärung betrachten wir die geheimnisvolle Begegnung zwischen der Geschichte, die sich täglich ereignet, und dem gesegneten Erbe, das uns im Himmel erwartet, in voller Vereinigung mit Christus, dem Alpha und Omega, dem Anfang und dem Ende (...). Wie die Jünger müssen auch wir vom Tabor in den Alltag hinabsteigen, wo die Ereignisse des menschlichen Lebens unseren Glauben herausfordern. Auf dem Berg haben wir geschaut; auf den Straßen des Lebens sind wir aufgefordert, unermüdlich das Evangelium zu verkünden, das die Schritte der Gläubigen erhellt3.


DIE SENDUNG des Christen besteht darin, kleine Lichter in den Herzen der Menschen anzuzünden; kleine Lampen des Evangeliums zu sein, die ein wenig Liebe und Hoffnung bringen4. Auf dem Arbeitstisch des heiligen Josefmaria befand sich ein Keramik-Isolator; er diente ihm als Wecker für die Gegenwart Gottes, gleichsam als Aufforderung, den Gnadenstrom, das Licht Gottes für die Herzen, nicht zu isolieren, sondern im Gegenteil frei zu setzen. Wir Christen sind ja dazu berufen, Übermittler des Lichts in uns zu sein. Trotz unserer persönlichen Armseligkeiten, schrieb der Gründer des Opus Dei, sind wir Träger des Göttlichen und von unschätzbarem Wert: Wir sind Werkzeuge Gottes. Und da wir gute Werkzeuge sein wollen, wird unser Herr, je kleiner und erbärmlicher wir uns aus echter Demut vorkommen, all das, was uns fehlt, hinzufügen5.

Einer der leuchtendsten Momente unseres Tages, in dem wir ganz mit Gott vereint sind und auf seine Stimme hören, ist die Heilige Messe. In ihr wird die Gegenwart irgendwie verklärt. Durch die Liturgie tritt die Welt in die Klarheit des Himmels ein. Die Nähe Christi bricht in unseren Tag ein. Dort können wir Orientierung für unser Leben, Licht für unsere Seele und Erneuerung für unsere Zuneigung suchen. Sursum corda, sagen wir vor der Präfation: Erhebt eure Herzen, wie es Petrus, Jakobus und Johannes an jenem Tag auf Tabor erging. Und da sie von Licht und Freude erfüllt waren, wollten sie nicht, dass dieser Moment endet. Die heilige Maria, die Königin der Engel, muss so viele Augenblicke, Lichtblicke mit Christus geteilt haben, von denen wir keine Aufzeichnungen haben. Bitten wir sie vertrauensvoll, unsere Herzen wieder zu erleuchten, wenn wir einen dunklen Winkel darin entdecken.


1 Benedikt XVI., Angelus, 6. August 2006

2 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen, Nr. 217 und 218, in: Andrés Vázquez de Prada, Der Gründer des Opus Dei, Band 1. Die frühen Jahre, S. 361f.

3 Hl. Johannes Paul II., Begegnung, 6. August 2001.

4 Papst Franziskus, Angelus, 28. Februar 2021.

5 Hl. Josefmaria, Brief 2, Nr. 26.