Betrachtungstext: 5. Woche im Jahreskreis – Mittwoch

Das Gute und Böse sind in uns – Der Verzicht ist eine Bejahung – Unser Herz gründlich prüfen

HÖRT MIR alle zu und begreift, was ich sage! Mit diesen Worten wandte sich Jesus an eine große Menschenmenge. Und er fuhr fort: Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein (Mk 7,14-15). Später, im kleinen Kreis, baten ihn seine Jünger um eine nähere Auslegung dieser Lehre, die ihnen neu und ungewohnt erschien. Es war dem Herrn ein großes Anliegen, dass sich diese Wahrheit tief in die Herzen seiner Jünger einprägte: Gott schaut auf das Herz. Deshalb achtete er darauf, dass seine Jünger lernten, das Wesentliche im Auge zu behalten. Er war gekommen, um die Erlösung zu vollbringen und unsere Herzen zu verwandeln – nicht um sich in engstirnigen Streitigkeiten aufzureiben.

Das Evangelium bleibt zeitlos aktuell. Deshalb können wir uns fragen, ob es uns manchmal wie jenen Pharisäern geht, die den Becher außen reinigten, ohne zu merken, dass der Schmutz innen war (vgl. Mt 23,26). Jesus „unterstreicht den Primat der Innerlichkeit, das heißt den Primat des ,Herzens‘“, sagte Papst Franziskus und fuhr fort: „Nicht Äußerlichkeiten machen uns heilig oder unheilig, sondern das Herz, das unsere Absichten, unsere Entscheidungen und unser Verlangen zum Ausdruck bringt, alles aus Liebe zu Gott zu tun. Die äußeren Haltungen sind die Folge dessen, was wir im Herzen entschieden haben – nicht umgekehrt: Solange sich das Herz nicht ändert, macht uns unsere äußere Haltung nicht zu wahren Christen. Die Grenze zwischen Gut und Böse verläuft nicht außerhalb von uns, sondern vielmehr in uns. Wir können uns fragen: Wo ist mein Herz? (...). Ohne ein reines Herz kann man keine wahrhaft sauberen Hände und Lippen haben, die aufrichtige Worte der Liebe, der Barmherzigkeit und der Vergebung sprechen. Das kann nur ein aufrichtiges und geläutertes Herz.“1


IN DER HEILIGEN SCHRIFT finden wir etliche Hinweise darauf, was Jesus den Pharisäern beibringen wollte: Er wollte ihnen klarmachen, dass die Entsagungen, zu denen Gott uns manchmal auffordert, in Wahrheit Bejahungen mit einer tieferen positiven Bedeutung sind. Die entscheidende Frage ist nicht, ob bestimmte Speisen erlaubt oder verboten sind, sondern was im Inneren des Menschen vor sich geht. Deshalb hören wir an anderer Stelle Jesu eindringliche Mahnung: Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt (Joh 6,27).

Der heilige Paulus wird später darauf hinweisen, dass jeder Wettkämpfer völlig enthaltsam lebt. Den Unterschied macht das Motiv: Jene tun dies, um einen vergänglichen, wir aber, um einen unvergänglichen Siegeskranz zu gewinnen (1 Kor 9,25). Gott möchte, dass wir eine Askese leben, deren Sinn wir verstehen, anders als jene Pharisäer, die sich zwar an jede Vorschrift hielten, den tieferen Sinn dahinter aber verkannten.

Unser christlicher Glaube ist nicht ein großes „Nein“, wie manche ihn vielleicht missverstehen. Sicher, es gehört zu einem christlichen Leben, manchmal „Nein“ zu sagen – aber nur, weil dieses „Nein“ uns hilft, zu etwas Größerem „Ja“ zu sagen. So fasten wir nicht um des Verzichts willen, sondern um die wahre Nahrung zu finden, die bleibt.

Papst Benedikt XVI. zitierte in seiner ersten Predigt als Nachfolger Petri Worte seine Vorgängers an die Menge: „Haben wir nicht alle irgendwie Angst, wenn wir Christus ganz herein lassen und uns ihm ganz öffnen, dass uns etwas von unserem Leben genommen werden könnte? Müssen wir dann nicht auf so vieles verzichten, was das Leben erst so richtig schön macht? Werden wir nicht eingeengt und unfrei? Und wiederum wollte der Papst sagen: Nein. Wer Christus einlässt, dem geht nichts – nichts, gar nichts – verloren von dem, was das Leben frei, schön und groß macht.“2


WENN WIR Jesu Liste der Übel betrachten, die aus dem menschlichen Herzen hervorkommen können, lohnt es sich, innezuhalten und uns zu fragen, was uns persönlich betrifft. Da der Herr mit schweren Sünden wie Diebstahl oder Mord beginnt, könnten wir vorschnell annehmen, dass all das nichts mit uns zu tun habe. Doch lesen wir weiter, finden wir in derselben Liste auch Hochmut und Unvernunft.

Wie oft neigen wir dazu, den Familienfrieden durch unnötige Streitigkeiten zu belasten, die denen der Pharisäer ähneln! Oder wir vernachlässigen, was der heilige Josefmaria als eine der kleinen, aber wichtigen Tugenden beschreibt: die Nachsicht mit den lästigen Angewohnheiten derjenigen, mit denen wir täglich zu tun haben.3 Solche Dinge mögen uns harmlos erscheinen, doch sie können ein Zeichen dafür sein, dass in uns mehr Pharisäertum steckt, als wir wahrhaben wollen. Vielleicht vergiftet unser Stolz unbemerkt unsere Beziehungen oder wir sind nicht weise genug, um zu erkennen, dass Gott uns dazu aufruft, unseren Blick auf die Dinge von oben zu richten – nicht auf das, was vergänglich ist.

Lassen wir uns vom heiligen Paulus ermahnen, keinen oberflächlichen Gottesdienst zu leben, der nur zu unserer eigenen Befriedigung dient: Wenn ihr mit Christus den Elementarmächten der Welt gestorben seid, warum lasst ihr euch dann, als würdet ihr noch in der Welt leben, vorschreiben: Berühre das nicht, iss das nicht, fass das nicht an! Das alles wird verbraucht und dadurch vernichtet. Menschliche Satzungen und Lehren sind es. Man sagt zwar, in ihnen liege Weisheit, es sei freiwillige Frömmigkeit und Unterwürfigkeit, den Leib nicht zu schonen. Doch das bringt keine Ehre ein, sondern dient nur zur Befriedigung irdischer Eitelkeit (Kol 2,20-23).

Mit den Worten des heiligen Josefmaria beten wir: „Cor Mariae dulcissimum, iter para tutum; liebenswertestes Herz Mariens, gib uns Kraft und Sicherheit auf unserem Erdenweg.“4 Möge unsere Mutter uns helfen, unsere Herzen zu läutern, damit wir unseren Blick und unsere Werke stets zu Gott erheben können.


1 Franziskus, Angelusgebet, 30.8.2015.

2 Benedikt XVI., Homilie, 24.4.2005.

3 Vgl. hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 173.

4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 178.