WÄHREND DES Gastmahls im Haus eines führenden Pharisäers erzählte Jesus das Gleichnis vom Festmahl: Ein Mann veranstaltete ein großes Festmahl und lud viele dazu ein. Zur Stunde des Festmahls schickte er seinen Diener aus und ließ denen, die er eingeladen hatte, sagen: Kommt, alles ist bereit! (Lk 14,16-17). Der Herr nutzt diese Geschichte, um seinen Zuhörern das Reich Gottes zu veranschaulichen. Und eines der markantesten Merkmale dieses Reiches ist die Unentgeltlichkeit. Der Gastgeber erwartete keine Gegenleistung – das Festmahl war bereit, es fehlte nur noch der freudige Genuss des Abends. In diesem Sinn erklärte Papst Franziskus, dass das christliche Leben eine Liebesgeschichte mit Gott ist, „in der der Herr unentgeltlich die Initiative ergreift, ohne dass sich jemand einer exklusiven Einladung rühmen könnte: Niemand wird bevorzugt, und doch ist vor Gott jeder Einzelne ja bevorzugt. Aus dieser unentgeltlichen, zärtlichen und privilegierten Liebe erwächst das christliche Leben immer wieder neu.“1
Auch in der Familie finden wir diese Unentgeltlichkeit. Ein Kind muss sich die Liebe seiner Eltern nicht verdienen, und es wäre sinnlos, wenn es versuchen würde, die empfangene Fürsorge zurückzuzahlen. Die Eltern lieben ihr Kind, wie es ist, und schenken ihm ihre Liebe, auch wenn sie nicht immer erwidert wird. So verhält es sich auch in unserer Beziehung zu Gott: Er ist es, der uns sucht. Er wünscht sich keine Beziehung des Gebens und Nehmens, sondern eine echte Lebensgemeinschaft, die auf bedingungsloser Liebe gründet. Daher bleibt seine Einladung zum Festmahl des Reiches Gottes immer offen, selbst wenn wir sie einmal abgelehnt haben. Der Heilige Vater drückt es so aus: „Zu dir, zu mir, zu jedem von uns sagt der Herr: ,Ich liebe dich und ich werde dich immer lieben, du bist in meinen Augen kostbar.‘“2
Wie der Prälat des Opus Dei betont, ist es letztlich unser Gewinn, wenn wir uns entschließen, diese Einladung anzunehmen: „Nicht wir tun ihm einen Gefallen, sondern Gott erleuchtet unser Leben und gibt ihm seinen vollen Sinn.“3
OBWOHL die Teilnahme am Bankett umsonst war, fanden viele der Geladenen Ausreden, um nicht zu kommen. Einige sagten: Ich habe einen Acker gekauft und muss dringend gehen und ihn besichtigen. Andere gaben an: Ich habe fünf Ochsengespanne gekauft und bin auf dem Weg, um sie zu prüfen. Ein weiterer sagte: Ich habe geheiratet und kann deshalb nicht kommen (Lk 14,18-20). Es scheint nicht, dass sie das Festmahl verachteten – vielmehr hielten sie ihre persönlichen Angelegenheiten für wichtiger und sahen ihr Fernbleiben als gerechtfertigt an. Papst Franziskus erklärt treffend: „So entfernt man sich von der Liebe: nicht aus Bosheit, sondern weil man das Seine vorzieht – die Sicherheiten, die Selbstbestätigung, die Annehlichkeiten … Dann macht man es sich bequem auf den Sesseln der Gewinne, der Genüsse, eines Hobbys, das einem kleine Freuden schenkt, doch so altert man früh und schlecht, denn man altert innerlich: Wenn das Herz sich nicht weitet, verschließt es sich.“4
Die Logik des Reiches Gottes ist eine andere als die Logik der Welt. Wahres Glück finden wir nicht, indem wir uns in unsere eigenen Sicherheiten zurückziehen, sondern indem wir Raum für andere schaffen und bereit sind, die Einladung zu Gemeinschaft und Verbundenheit anzunehmen. Die schönsten Augenblicke unseres Lebens waren wahrscheinlich jene, die wir mit anderen teilten, sei es in Zeiten großer Freude und Aufregung oder in herausfordernden Momenten. Wir erinnern uns gerne daran, weil uns bewusst ist, dass wir damals nicht allein waren, sondern jemand uns zur Seite stand. Während der Individualismus uns glauben lässt, dass der Schlüssel zum Glück in persönlichen Sicherheiten und der Abgrenzung unseres Lebensraums liege – seien dies materielle Dinge, Freizeit, Geld oder die Suche nach aufregenden Erlebnissen –, ermutigt Jesus uns, offen zu sein für die Einladungen und Begegnungen, die das Leben uns bietet. Der heilige Josefmaria drückte es so aus: „Um das Glück zu finden, bedarf es nicht eines bequemen Lebens, sondern eines verliebten Herzens!“5
DA VIELE der ursprünglich geladenen Gäste dem Hausherrn eine Absage erteilten, beschloss dieser, seine Einladung auszuweiten, und befahl seinem Diener: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und hol die Armen und die Verkrüppelten, die Blinden und die Lahmen hierher! Als immer noch Platz war, sagte er erneut: Geh zu den Wegen und Zäunen und nötige die Leute hereinzukommen, damit mein Haus voll wird (Lk 14,21-23).
Ein weiteres zentrales Merkmal des Reiches Gottes ist seine Universalität: Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen Juden und Griechen. Denn alle haben denselben Herrn; aus seinem Reichtum beschenkt er alle, die ihn anrufen (Röm 10,12-13). „Gott will, dass alle gerettet werden“, sagte der Gründer des Opus Dei. „Das ist eine Einladung und eine Verantwortung, die auf uns allen lastet. Die Kirche ist kein Zufluchtsort für eine kleine privilegierte Gruppe.“6
Die Botschaft Jesu richtete sich nicht an eine kleine, auserwählte Schar. Das zeigt sich darin, dass die Apostel nicht nur zu den umliegenden Völkern Israels gelangten, sondern in die ganze damals bekannte Welt hinausgingen, um das Evangelium zu verkünden. Der heilige Augustinus stellte fest: „Ist die Kirche etwa nur ein kleines Stückchen Erde? Die große Kirche umfasst die ganze Welt. Wo immer du hinschaust, da ist Christus. Du erhältst als Erbe die Grenzen der Erde; komm, besitze sie mit mir!“7 Ganz gleich, wo wir uns befinden, auch wir können die Einladung des Herrn weitertragen und Menschen zu seinem Festmahl einladen. Bitten wir Maria, uns ein Herz zu schenken, das dem ihres Sohnes gleicht und danach strebt, alle Seelen zur Rettung zu führen.
1 Franziskus, Predigt, 15.10.2017.
2 Franziskus, Predigt, 24.12.2019.
3 Msgr. Fernando Ocáriz, Licht zur Erkenntnis, Kraft zur Liebe, ABC, 18.9.2018.
4 Franziskus, Predigt, 15.10.2017.
5 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 795.
6 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 263.
7 Hl. Augustinus, Psalmenkommentar, 21, 2, 26 und 21, 2, 30.