Betrachtungstext: 29. Woche im Jahreskreis – Freitag

Die Zeichen Jesu erkennen – Unterscheiden, um frei zu handeln – Den Kurs unseres Lebens berichtigen

WIR VERFÜGEN heute über Instrumente, um zuverlässige meteorologische Vorhersagen zu machen. Die Menschen zur Zeit Jesu hatten keine solche Technologie zur Verfügung, konnten aber anhand bestimmter Zeichen das Wettergeschehen abschätzen. Jesus bezog sich auf dieses Wissen, als er sich an die Menschenmenge wandte und sie aufforderte, an ihn zu glauben: Wenn ihr im Westen eine Wolke aufsteigen seht, sagt ihr sofort: Es gibt Regen. Und so geschieht es. Und wenn der Südwind weht, sagt ihr: Es wird heiß. Und es geschieht. Ihr Heuchler! Das Aussehen der Erde und des Himmels wisst ihr zu deuten. Warum könnt ihr dann diese Zeit der Entscheidung nicht deuten? (Lk 12,54-56).

Christus ist betrübt, weil die Zeichen, die er ihnen gegeben hat – die Wunder, sein Leben und seine Lehre – an sich ausreichen sollten, um ihn als Messias zu bekennen, es aber de facto nicht tun. Der Herr ging an jedem Einzelnen von ihnen vorüber, aber viele erkannten ihn nicht. Auch heute zieht Gott durch unser Leben, in der Schönheit und Mühsal des Alltags, in Momenten des Glücks und des Leids. Und in diesen Situationen sollten wir erkennen, dass Gott uns nahe ist und unser Leben ihn kümmert. Die Tür zur Entdeckung des fürsorglichen Handelns Gottes ist damals wie heute die Sensibilität und Offenheit unseres Herzens für die göttliche Vorsehung. Beide entfalten sich im Gebet. „Wenn wir Gott auf diese Weise suchen“, schrieb der heilige Josefmaria, „verwandelt sich der ganze Tag in ein einziges inniges und vertrauensvolles Gespräch. Ich habe dies oft gesagt und niedergeschrieben, aber ich wiederhole es gern, da der Herr uns durch sein eigenes Beispiel gezeigt hat, dass dies der richtige Weg ist: beständiges Gebet, vom Morgen bis zum Abend und vom Abend bis zum Morgen. Geht alles leicht: Danke, mein Gott! Kommen schwierige Momente: Herr, verlass mich nicht!“1


WARUM findet ihr nicht schon von selbst das rechte Urteil? (Lk 12,57), fragt der Herr seine Zuhörer. Urteile, die wir über wichtige Dinge in unserem Leben fällen, sind nie nur reine Verstandessache, wie wenn es um etwas rein Theoretisches ginge. Wille und Herz sind stets in die Entscheidungsfindung einbezogen. Die Erleuchtung des Heiligen Geistes hilft uns, sowohl unsere inneren Beweggründe als auch das Geschehen in der Welt um uns herum zu verstehen.

Die Fähigkeit zur Unterscheidung, ob ich dies oder jenes tun soll oder wie ich Stellung beziehen soll, erfordert dann, wie Papst Franziskus betont, „dass ich mich selbst kenne und weiß, was hier und jetzt gut für mich ist. Sie verlangt vor allem eine kindliche Beziehung zu Gott, der Vater ist und stets bereit ist, uns einen Rat zu geben, uns zu ermutigen, uns zu nehmen, wie wir sind. Er zwingt uns niemals seinen Willen auf. Warum? Weil er geliebt und nicht gefürchtet werden will. Gott möchte, dass wir Kinder sind und nicht Sklaven: freie Kinder. Denn die Liebe kann nur in Freiheit gelebt werden.“2 Der Herr will nicht, dass wir uns darauf beschränken, äußerlich Gutes zu tun, sondern möchte, dass wir es auch von Herzen tun. Der Prälat des Werkes betont in diesem Sinn, „dass die wahre Freiheit des Geistes in der Fähigkeit und gewohnheitsmäßigen Haltung besteht, aus Liebe zu handeln, insbesondere in der Bemühung, das zu tun, was Gott in jeder Situation von uns möchte.“3


WENN DU mit deinem Gegner zum Gericht gehst, bemüh dich noch auf dem Weg, dich mit ihm zu einigen! Sonst wird er dich vor den Richter schleppen und der Richter wird dich dem Gerichtsdiener übergeben und der Gerichtsdiener wird dich ins Gefängnis werfen. Ich sage dir: Du kommst von dort nicht heraus, bis du auch die letzte Münze bezahlt hast (Lk 12,58-59). Mit diesem Bild lehrt uns der Herr, dass wir, wenn wir uns verirrt haben, noch Zeit haben, um auf den rechten Weg zurückzufinden. Je früher wir das tun, desto besser, denn noch befinden wir uns auf dem Weg zum Gericht, das am Ende unseres irdischen Daseins stattfinden wird. In diesem Sinne mahnt uns auch ein afrikanischer Kirchenvater, uns von der Sünde, dem ersten Tod, abzuwenden und so eine erste Auferstehung zu feiern, auch um dadurch der Strafe nach dem zweiten Tod zu entkommen und eine zweite Auferstehung zu genießen. Er schrieb: „Es beeile sich, an der ersten Auferstehung teilzunehmen, wer nicht zur ewigen Strafe des zweiten Todes verurteilt werden will. Diejenigen, die im gegenwärtigen Leben, verwandelt durch die Furcht des Herrn, vom bösen zum guten Tun übergehen, gehen vom Tod zum Leben über und werden später aus einem demütigen in einen herrlichen Zustand gehoben werden.“4

Im Leben eines jeden gibt es Dinge zu berichtigen. Einige Fehler sind uns bewusst, und wir bitten den Herrn, uns zu helfen, sie mit heiterer Gelassenheit anzunehmen und mit Geduld und kindlichem Vertrauen darin zu kämpfen, ohne uns entmutigen zu lassen. Andere sind vielleicht unbemerkt geblieben. Der Geist der Prüfung hilft uns, wie der selige Don Álvaro sagte, „jene Reinheit des Herzens anzustreben, die uns dazu führt, Gott in allem zu sehen“5. Dadurch sind wir in der Lage, in unserem Alltag zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, „zwischen dem, was von Gott kommt, und dem was von unseren eigenen Leidenschaften und dem Teufel herrührt“6.

Die tägliche Gewissenserforschung bedeutet, wie Papst Franziskus sagt, „im Buch unseres Herzens zu lesen, was im Laufe des Tages geschehen ist“7. Im Allgemeinen genügen ein paar Minuten am Ende des Tages, obwohl es auch Gelegenheiten gibt, bei denen wir mehr Zeit benötigen: vor der Beichte, bei Besinnungstagen, wenn etwas Besonderes geschehen ist ... Don Javier Echevarría empfahl: „In jedem Fall ist es immer ratsam, den Heiligen Geist anzurufen, damit er uns sein Licht schenkt, und den Tag mit einem Akt des Reueschmerzes und einem konkreten Vorsatz für den nächsten Tag zu beenden. Auf diese Weise werden wir den Kurs unseres Lebens berichtigen und mit Reueakten die Flecken beseitigen, die wir im Buch unseres Lebens verursacht haben könnten.“8 Wir bitten Maria, die Zuflucht der Sünder, uns in unserem täglichen Kampf zu helfen, ihren Sohn in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen.


1 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 247.

2 Franziskus, Audienz, 31.8.2022.

3 Msgr. Fernando Ocáriz, Hirtenbrief, 9.1.2018, Nr. 5.

4 Hl. Fulgentius von Ruspe, De remissione peccatorum, 12,4.

5 Sel. Álvaro del Portillo, Hirtenbrief, 8.12.1976, Nr. 8.

6 Ebd.

7 Franziskus, Audienz, 30.11.2022.

8 Javier Echevarría, Hirtenbrief, 1.1.2016.