Betrachtungstext: 2. Januar

Die zentrale Bedeutung Jesu Christi: „Bleibt in mir“ – Vereinigung mit Christus – Der Täufer, Vorbild für die Nachfolge des Herrn

WIR SIND IN EIN NEUES JAHR eingetreten. Jesus Christus ist der Herr der Zeit und Geschichte, und wir möchten, dass er außerdem den Mittelpunkt unseres Lebens bildet. Eine neue Etappe hat begonnen, in der wir lieben, dienen und unseren Weg in seiner Gegenwart gehen wollen. Wir hoffen, dass sich in diesem Jahr, wie es der Prälat des Werkes in einem Brief formulierte, „alles mehr und mehr um seine Person drehen wird.“1 Das Kommen des Messias, so betonte Papst Benedikt, „ist das qualitativ wichtigste Ereignis in der gesamten Geschichte, das ihr die letzte und volle Bedeutung verleiht“2. Jesus erfüllt unsere Tage und das gesamte Dasein des Christen. In diesen ersten Tagen nutzen wir die Gelegenheit, unsere Hoffnungen und Erwartungen für das kommende Jahr seiner göttlichen Vorsehung anzuvertrauen.

Die zentrale Bedeutung Jesu Christi wird von Jesus selbst formuliert, wenn er im Johannesevangelium sagt: Bleibt in mir. Der Lieblingsjünger befindet sich im Abendmahlssaal neben dem Herrn und hört aus dessen Mund die Worte: Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht (Joh 15,5). Der jüngste der Apostel schrieb sein Evangelium als letzter und hatte mehr Zeit, über das Geheimnis Christi nachzudenken und es in sich reifen zu lassen. Viele Jahre später hallen diese Worte immer noch in ihm nach, und deshalb finden wir denselben Ausdruck im ersten seiner Briefe, den wir heute in der Lesung hören: Wenn das, was ihr von Anfang an gehört habt, in euch bleibt, werdet auch ihr im Sohn und im Vater bleiben (1 Joh 2,24). Es ist ein ähnlicher Zusammenhang wie zwischen dem Weinstock und den Reben: Letztere erhalten ihr ganzes Leben vom Weinstock, ohne ihn verlieren sie nach und nach ihre Kraft.

„Bleiben“, so sagte Papst Franziskus, ist „ein Wort, das dem Herrn so lieb ist, dass er es immer wieder wiederholt ... Wenn du im Herrn bleibst, im Wort des Herrn, im Leben des Herrn, wirst du ein Jünger sein.“3 Jesus möchte sein Leben mit unserem vereinen, sogar verschmelzen. In ihm bleiben bedeutet, für ihn, mit ihm und in ihm zu leben. Der heilige Ambrosius sagte einmal: „Nimm das Wasser Christi (...). Fülle dein Inneres mit diesem Wasser, damit dein Erdreich gut getränkt wird (...); und wenn es gefüllt ist, wirst du andere beschenken.“4


FÜR DEN CHRISTEN, so formulierte es Don Fernando Ocáriz, ist „Christus das Leben. Und wenn wir diese Realität aufgrund von Schwäche, Müdigkeit oder anderen Lebensumständen manchmal aus den Augen verlieren, wartet er immer auf uns.“5 Der heilige Josefmaria drückt sein Verlangen nach der Vereinigung mit Christus mit folgenden Worten aus: „Christus nachfolgen – venite post me et faciam vos fieri piscatores hominum (Mt 4,19) – ist unsere Berufung. Und zwar ihm so sehr aus nächster Nähe folgen, dass wir mit ihm zusammen leben, wie die ersten Zwölf; so sehr aus nächster Nähe, dass wir mit ihm eins werden, dass wir sein Leben leben, bis der Augenblick kommt – vorausgesetzt, wir haben keine Hindernisse errichtet –, dass wir mit Paulus sagen können: Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir (Gal 2,20).“6

Wenn wir in den Weihnachtstagen das Kind betrachten, das in einer bescheidenen Krippe liegt, umgeben von der Liebe Marias und Josefs und der Wärme einiger Tiere, drücken wir ihm unseren Wunsch nach Liebe und Vereinigung mit ihm aus. Indem wir unsere Augen auf ihn richten, der so klein und doch der König des Universums ist, werden wir uns in diesem neuen Jahr und während unseres ganzen Lebens von der Aufgabe angetrieben fühlen, mit ihm gleichförmig zu werden. Ein Kirchenvater schrieb: „Lasst uns Christus lieben, lasst uns immer seine Nähe suchen, und alles, was schwer ist, wird leicht erscheinen.“7

Zu Weihnachten äußerte der heilige Josefmaria einmal seinen Wunsch nach Vereinigung und Liebe zum Herrn: „Oh, Jesus, werde ich ihm sagen, ich wünschte mir, ein Freudenfeuer der Verrücktheit aus Liebe sein! Ich wünschte mir, dass allein meine Anwesenheit ausreichte, um die Welt meilenweit ringsherum mit einem unauslöschlichen Feuer zu entflammen. Ich wünschte mir zu wissen, dass ich Dein bin (...). Leiden und lieben. Lieben und leiden. Ein wunderbarer Weg! Leiden, lieben und glauben: Glaube und Liebe. Der Glaube des Petrus. Die Liebe des Johannes. Der Eifer des Paulus. Es bleiben dem Eselchen noch drei Minuten Vergöttlichung, guter Jesus, und befiehl ... dass du ihm mehr Eifer als Paulus, mehr Liebe als Johannes, mehr Glauben als Petrus schenkst. Und ein letzter Wunsch: Jesus, möge mir das Heilige Kreuz nie fehlen.“8


IM HEUTIGEN Evangelium tritt Johannes der Täufer erneut auf, wie bereits in der Adventzeit. Die Tempelvorsteher schicken Priester und Leviten auf die andere Seite des Jordan, um ihn zu befragen: Wer bist du (Joh 1,19). Sie bedrängen ihn mit vielen Fragen, um ihn in die Enge zu treiben: Bist du der Messias, bist du Elia, bist du ein Prophet? Was sagst du über dich? Die Antwort des Täufers lässt jemanden erkennen, der Gottes Willen zum Horizont seines eigenen Lebens gemacht hat. Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft (Joh 1,23). Meine einzige Aufgabe – so will er ihnen sagen – ist es, Israel darauf vorzubereiten, den Erlöser von Herzen zu empfangen.

In Jesus Christus bleiben bedeutet, in Gemeinschaft mit ihm sein: dass Jesus in unserem Verstand, in unserem Willen, in unserem Herzen und in unseren Werken gegenwärtig ist. Der offensichtlichste Beweis für unser Bleiben in Jesus Christus ist das Halten seiner Worte und Gebote; er selbst hat uns gesagt, dass, wer dies tut, in Gott bleibt und Gott in ihm bleibt (1Joh 3,24). Wir bitten den Herrn um die Gabe, dass jeder von uns und alle Christen nach dem Evangelium atmen mögen. „Jetzt, vor dem Jesuskind, können wir“, so Worte des heiligen Josefmaria, „unsere persönliche Gewissenserforschung fortsetzen: Sind wir entschlossen, dafür zu sorgen, dass unser Leben Vorbild und Lehre sein kann für unsere Geschwister, unseresgleichen, die Menschen? Sind wir entschlossen, ein anderer Christus zu sein? Ein Lippenbekenntnis reicht nicht aus. Du – ich frage jeden von euch und ich frage mich selbst –, du, der du als Christ gerufen bist, ein anderer Christus zu sein, verdienst du es, dass man von dir sagt, dass du gekommen bist, facere et docere, um die Dinge als Kind Gottes zu tun, auf den Willen des Vaters achtend, damit du auf diese Weise alle Seelen an allem Guten, Edlen, Göttlichen und Menschlichen der Erlösung teilhaben lässt? Lebst du das Leben Christi in deinem gewöhnlichen Leben mitten in der Welt?“9

Wir freuen uns mit der Jungfrau Maria, die glücklich ist, den Erlöser in ihren Armen zu halten, die Frucht ihres treuen Hörens auf den Willen Gottes. Durch sie „ist das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“10. Wir bitten sie, dass es uns, wie der heilige Josefmaria betonte, „nicht an Glauben, an Mut und an Kühnheit fehlt, den Willen unseres Jesus zu tun“11.


1 Msgr. Fernando Ocáriz, Brief, 14.2.2017, Nr. 8.

2 Benedikt XVI., Predigt, 31.12.2006.

3 Franziskus, Predigt, 1.4.2020.

4 Hl. Ambrosius, Brief 2, 4 (PL 16, 880).

5 Msgr. Fernando Ocáriz, Brief, 5.4.2017.

6 Hl. Josefmaria, Im Zwiegespräch mit dem Herrn, Betrachtung „Zur Ehre Gottes leben", 1b.

7 Hl. Hieronymus, Brief 22, 39.

8 Hl. Josefmaria, Persönliche Aufzeichnungen, Tag der Unschuldigen Kinder, 28.12.1931.

9 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 21.

10 Stundengebet, Vesper vom 2. Januar, kurzes Responsorium.

11 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 497.