Betrachtungstext: 2. Februar – Darstellung des Herrn

Das Fest der Begegnung – Simeon ist ein Mann voller Hoffnung – Durch den Heiligen Geist bewegt

VIERZIG TAGE nach der Geburt Jesu begibt sich die Heilige Familie zum Tempel in Jerusalem, um zwei mosaische Gesetze zu erfüllen: die Darbringung des Erstgeborenen (vgl. Ex 13,2.12-13) und die Reinigung der Mutter (vgl. Lev 12,2-8). Im heutigen Fest klingen zwei Geheimnisse an: das des Gottessohnes und das der Unbefleckt Empfangenen.

Die Darbringung der männlichen Erstgeburt erinnert daran, dass Gott in Ägypten die erstgeborenen Israeliten – im Unterschied zu den erstgeborenen Ägyptern – vom Tod bewahrt hatte. Danach befahl Gott, dass jeder erstgeborene Israelit als Eigentum Gottes angesehen und dem Herrn heilig genannt werden (Lk 2,23) musste, sodass die Zeremonie der Darbringung als eine Art „Loskauf“ gesehen wurde. Die Reinigung der Mutter fand vierzig Tage nach der Geburt statt. Bis zu diesem Zeitpunkt durfte sich die Frau den heiligen Stätten nicht nähern, da sie infolge des Blutverlustes im Zuge der Geburt als unrein galt. Der Reinigungsritus bestand in der Darbringung von zwei Opfertieren: einem Lamm und einer Turteltaube oder einer jungen Taube; war die Frau arm, konnte sie auch nur zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben opfern. Der heilige Josefmaria lädt uns ein, uns in die Szene hineinzuversetzen: „Und diesmal bist du es, mein Freund, der den Korb mit den Turteltauben trägt. Siehst du? Sie, die Unbefleckte, unterwirft sich dem Gesetz, als ob sie der Reinigung bedürfe.“1 Laut der Schilderung des Evangelisten brachten Maria und Josef ein Armenopfer dar (vgl. Lk 2,24).

Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr (Ml 3,1), kündigt der Prophet Maleachi an. Es ist ein einzigartiger und erhabener Moment: Der Sohn Gottes betritt – getragen von seinen Eltern – seinen eigenen Tempel. Und so singt der 23. Psalm: Ihr Tore, hebt eure Häupter, hebt euch, ihr uralten Pforten, denn es kommt der König der Herrlichkeit! Wer ist dieser König der Herrlichkeit? Der Herr, stark und gewaltig, der Herr, im Kampf gewaltig (Ps 23,7-8). Doch der mächtige Gott wollte nicht unter Trompetenschall in den Tempel einziehen, sondern als ein Kind, unbemerkt zwischen dem Kommen und Gehen von Menschen, Pilgern, Betern, Priestern und Leviten; niemand war sich dessen bewusst, was da geschah. Nur zwei ältere Menschen, Simeon und Hanna, werden den König der Herrlichkeit in ihren Armen halten. Deshalb ist das Fest der Darstellung des Herrn im Tempel, wie Papst Franziskus sagte, „das Fest der Begegnung: Die Neuheit des Kindes trifft auf die Tradition des Tempels; die Verheißung findet Erfüllung; die jungen Maria und Josef treffen auf die alten Simeon und Hanna. Alles begegnet einander also, wenn Jesus kommt.2


SIMEON WAR gerecht und fromm und wartete auf den Trost Israels und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe (Lk 2,25-26). Simeon war immer bereit, Gott zu begegnen, wie die klugen Jungfrauen im Gleichnis war sein Ölkrug bis oben voll. Er ist ein alter Mann, der sich jener dauerhaften Jugendlichkeit erfreute, die aus der Hoffnung kommt. Vom Geist bewegt, ging er in den Tempel hinauf, um zu beten. Als er die Familie sah, die aus Bethlehem gekommen war, und seinen Blick auf das Kind heftete, wurde ihm klar, dass dieses nicht eines der vielen war, die jeden Tag zum Tempel gebracht wurden. In diesem Kind, das er in die Arme nahm, erfüllten sich alle Prophezeiungen: Er war der Erwartete, der Erstgeborene einer neuen Menschheit, der Geweihte des Vaters.

Papst Franziskus predigte einmal am heutigen Fest: Simeon ließ sich nicht vom Lauf der Zeit zermürben. Er ist ein Mann, in dem trotz der Last der Jahre das Feuer seines Herzens weiterbrennt; in seinem langen Leben war er gewiss manchmal verwundet und enttäuscht worden, und doch hat er die Hoffnung nicht verloren; geduldig bewahrt er die Verheißung, ohne wegen der vorübergegangenen Zeit zu verbittern oder sich von jener resignierten Melancholie verzehren zu lassen, die aufkommt, wenn man den Lebensabend erreicht. Die hoffnungsvolle Erwartung nahm bei ihm die Gestalt einer alltäglichen Geduld an, und er blieb trotz allem wachsam, bis seine Augen das Heil sahen (vgl. Lk 2,30).3

Mit Hilfe des Heiligen Geistes bezeichnete Simeon das Kind als Licht für alle Völker (vgl. Lk 2,29-35). Die heutige Liturgie beginnt mit einer Lichterprozession, die symbolisiert, dass Christus das Licht ist, das in die Welt kommt, um die Menschen zu erleuchten, die ohne Gott in die Irre gehen. Das Wort Gottes, so sagt der heilige Josefmaria, „erfüllt die Herzen mit Licht und Hoffnung4. Wahrscheinlich war dies ein Teil des Geheimnisses, dass Simeon sich diese Jugendlichkeit bewahren konnte: mit seiner aufrichtigen Offenheit, mit einem stets frischen Blick für das Wort Gottes.


NACH SIMEON traf die Familie aus Bethlehem auf Hanna, eine altehrwürdige Prophetin, die täglich in den Tempel ging und Gott diente Tag und Nacht mit Fasten und Beten (Lk 2,37). Die greise Witwe lobte Gott, nachdem sie Jesus begegnet war, und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten (Lk 2,38). Sowohl Simeon wie Hanna prophezeien, dass Jesus der erwartete Messias ist, und vermuten, dass sein Tod und seine Auferstehung alle Völker retten werden.

Die Gegenwart des Heiligen Geistes ist in der Szene spürbar und bewegt, wie Papst Benedikt sagte, „die Schritte und Herzen derer, die ihn erwarten. Es ist der Geist, der die prophetischen Worte von Simeon und Hanna anregt, Worte des Segens, des Lobes an Gott, des Glaubens an seinen Gesalbten, des Dankes, weil unsere Augen endlich sein Heil sehen und in die Arme nehmen können (vgl. Lk 2,30).5 In Simeon und Hanna erkennen wir zwei Personen, die den göttlichen Regungen gefügig sind. Der Heilige Geist war der Motor ihres Lebens, „er war in ihnen, er leitete sie, er drängte sie, er sprach in ihren Herzen. Sie sind der Inbegriff der Heiligkeit, denn sie hören und verkünden das Wort Gottes und suchen entschlossen das Antlitz Christi.

Papst Franziskus fuhr fort: Im Tempel kommt Jesus uns entgegen, und wir gehen ihm entgegen. Wir betrachten die Begegnung mit dem greisen Simeon, der das treue Warten Israels und den Jubel des Herzens über die Erfüllung der alten Verheißungen verkörpert. Wir blicken auch bewundernd auf die Begegnung mit der betagten Prophetin Hanna, die beim Anblick des Kindes vor Freude jubelt und Gott preist. Simeon und Hanna sind die Erwartung und die Prophetie, Jesus ist die Neuheit und die Erfüllung: Er stellt sich uns dar als die ewige Überraschung Gottes; in diesem Kind, das für alle geboren wurde, begegnen sich die Vergangenheit, die aus Erinnerung und Verheißung besteht, und die Zukunft, die voller Hoffnung ist.6 Wir können uns vorstellen, wie Simeon und Hanna die junge Maria bewundert haben müssen, die diese Hoffnung in ihrem Schoß getragen hatte. Sie tritt für uns ein, damit unserem Leben nie der Atem des Heiligen Geistes fehlt, der alles neu macht.


1 Hl. Josefmaria, Der Rosenkranz, 4. freudenreiches Geheimnis: Die Darstellung im Tempel.

2 Franziskus, Predigt, 2.2.2019.

3 Franziskus, Predigt, 2.2.2021.

4 Hl. Josefmaria, Kreuzweg, 1. Station.

5 Benedikt XVI., Predigt, 2.2.2013.

6 Franziskus, Predigt, 2.2.2016.