Betrachtungstext: 15. Woche im Jahreskreis – Sonntag (A)

Jesus teilt sich verständlich mit – Das Erdreich für den Samen pflegen – Wir sind Säleute Gottes

Gott erbaut seine Hallen im Himmel und gründet sein Gewölbe auf die Erde, schreibt der Prophet Amos in einer Vision des Herrn und Schöpfers des Universums, er ruft das Wasser des Meeres und gießt es aus über die Erde (Am 9,6). Beim Lesen dieser Worte könnte Jesus selbst immer wieder darüber gestaunt haben, wie die ganze Schöpfung seinen Vater offenbart. Möglicherweise ist dies auch der Grund, weshalb er, nach den Berichten der Evangelien, so gerne hinausging, um vom Ufer des Sees aus zu den versammelten Menschen zu sprechen: Weil die imposante Naturkulisse das Werk seines Vaters ist und vom ihm Zeugnis gibt.

An diesem Tag füllt sich das Ufer schnell, auch wenn es weitläufig ist. Denn es hat sich herumgesprochen, dass Jesus sich dort aufhält. Da es immer enger wird, steigt der Herr in ein Boot. Und von diesem schaukelnden provisorischen Podium aus wendet er sich an die Menge und erzählt die Geschichte von einem Sämann, der seine Arbeit verrichtete. Als er säte, fiel ein Teil auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen es. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte. Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat. Ein anderer Teil aber fiel auf guten Boden und brachte Frucht, teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach (Mt 13,1-23).

Viele der Anwesenden konnten sich die Szene leicht vorstellen, sie war ihnen aus ihrem eigenen Alltag vertraut. Mehr als einem von ihnen ist wohl schon etwas Ähnliches passiert. Jesus sucht nach Wegen, sich verständlich auszudrücken, er versucht, den Verstand und das Herz zu erreichen, und spricht zu seinem Publikum in dessen Sprache und aus dessen Erfahrung. Kurz gesagt, er kann sich in die Lage derer versetzen, die ihm lauschen, weil er von einem tiefen Dienstgeist bewegt ist. Papst Benedikt betonte: „Gott ist also (…) keine weit von uns entfernte mathematische Intelligenz. Gott kümmert sich um uns, er liebt uns, er ist persönlich in die Wirklichkeit unserer Geschichte eingetreten, er hat sich selbst mitgeteilt und ist sogar Mensch geworden.“1 Bezeugen auch wir die christliche Botschaft durch den Wunsch, uns in die Situation unserer Mitmenschen hineinzuversetzen und ihre Sorgen und Hoffnungen zu verstehen?


IM GLEICHNIS vom Sämann erleidet nicht jeder Same dasselbe Schicksal. Obwohl der Same immer gut ist – denn es sind die Gaben und Gnaden, die Gott in unser Leben ausgestreut hat –, benötigt er das richtige Erdreich, um zu wachsen und Früchte zu tragen. Ein Herz, das von der Angst, dem Verlangen, alles unter Kontrolle zu haben, oder dem Wunsch, materielle Güter aufzuhäufen, blockiert ist, ist ein Ort, an der Same nicht keimen kann. Eine einfache Seele hingegen, die bereit ist, die göttliche Liebe aufzunehmen, lässt die Talente Früchte bringen und trägt so zum Wohl der anderen bei.

Im felsigen Boden, auf dem der Same nicht aufgeht, sieht Papst Franziskus „das oberflächliche Herz, das den Herrn aufnimmt, beten, lieben und Zeugnis geben möchte, aber nicht standhaft ist, ermüdet und nie ,durchstartet‘.“2 Das Saatgut benötigt tiefe Böden, um Wurzeln zu schlagen. Oftmals befinden sich die für das Wachstum notwendigen Nährstoffe nicht in den oberflächlichen Erdschichten, sondern erst in der Tiefe. Unsere innere Welt wird diese Tiefe haben, wenn es ihr gelingt, über die eigenen Stimmungen hinwegzugehen, und sie ihren Halt in tiefen Überzeugungen, in den Idealen, die unser tägliches Leben inspirieren sollen, findet.

Gutes Saatgut benötigt ein sorgfältig und kontinuierlich bewirtschaftetes Feld. Manchmal wachsen Disteln, wenn der Boden vernachlässigt und sich selber überlassen wird. Der heilige Josefmaria schrieb: „Die Treue ist ein fortwährendes Geben: eine Liebe, eine Freigebigkeit, eine anhaltende Loslösung und nicht einfach das Ergebnis von Trägheit.“3 Der gute Same schlägt Wurzeln, wenn er auf unsere Bemühung trifft, ein beständiges Gebetsleben zu führen, den geistigen Reichtum des Christentums kennenzulernen, uns um die menschlichen Beziehungen am Arbeitsplatz und in der Familie zu kümmern usw. Diese Bereiche sind wie verschiedene Furchen, die wir geduldig bearbeiten, damit das kontemplative Leben in unserer Seele Wurzeln schlagen kann.


DIE GESCHICHTE vom Sämann findet im Leben eines jeden Kindes Gottes seine Fortsetzung. Der Herr streut seine Saat weiterhin in weitem Bogen aus, voller Sehnsucht nach Herzen, die ihn aufnehmen wollen. Wie der Gründer des Werkes schrieb, setzt er durch jeden von uns „seine göttliche Aussaat fort. Christus drückt den Weizen in seinen wunden Händen, durchtränkt ihn mit seinem Blut, reinigt ihn, läutert ihn und wirft ihn in die Furche, die diese Welt ist. Er streut die Körner einzeln aus, damit jeder Christ an dem Ort, an dem er lebt, Zeugnis von der Fruchtbarkeit des Todes und der Auferstehung des Herrn gibt.“4

Es ist tröstlich zu wissen, dass unser Leben ein göttliches Samenkorn in den Händen des Herrn ist, hinausgeworfen in diese Welt, die er erschaffen hat und die gut ist. Wenn wir uns bemühen, zur Ehre Gottes zu handeln – auch wenn wir manchmal scheitern, manchmal fallen und immer wieder von Neuem beginnen –, wenn uns der Eifer bewegt, dass andere die Freude am Haus des Vaters entdecken, dann keimt der Same, auch wenn wir sein Wachsen manchmal nicht bemerken. „Wenn du den Impulsen der Gnade treu entsprichst“, schrieb der heilige Josefmaria, „wirst du Frucht bringen: bleibende Frucht zur Verherrlichung Gottes. Heiligkeit schließt ein, wirksam zu sein, auch wenn der Heilige seine Wirksamkeit weder fassen noch sehen kann.“5

Manchmal können wir mutlos werden, weil wir fälschlicherweise glauben, dass es in unserem Umfeld kein geeignetes Erdreich gibt, auf dem die göttliche Saat aufgehen könnte. Der Herr handelt in jeder Situation, er ist ein allmächtiger Sämann, und außerdem sehnt sich ein jeder in der Tiefe seiner Seele nach dem Glück Gottes. Wer mit dem göttlichen Sämann zusammenarbeitet, schreibt Papst Franziskus in seiner Enzyklika über das Apostolat, „weiß wohl, dass das eigene Leben Frucht bringen wird, beansprucht aber nicht zu wissen wie, wo oder wann. Man hat die Sicherheit, dass keine der Arbeiten, die man mit Liebe verrichtet hat, verloren geht, dass keine der aufrichtigen Sorgen um den Nächsten, keine Tat der Liebe zu Gott, keine großherzige Mühe, keine leidvolle Geduld verloren ist.“6 Die Jungfrau Maria möge uns helfen, uns mit ihrem Sohn zu vereinen und mit seinem Blut zu durchtränken, damit unser Leben immer fruchtbarer wird.


1 Benedikt XVI., Audienz, 28.11.2012.

2 Franziskus, Angelusgebet, 16.7.2017.

3 Hl. Josefmaria, Brief 2, Nr. 12.

4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, n. 157.

5 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 920.

6 Franziskus, Evangelii gaudium, Nr. 279.