UNTER den zwölf von Jesus erwählten Aposteln finden wir Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten. Jeder von ihnen hatte seinen eigenen Hintergrund, kam aus seinem eigenen Umfeld und hatte seine individuelle Persönlichkeit. Einige waren eher impulsiv oder begeisterungsfähig, andere eher introvertiert oder nachdenklich. Manche kannten eine strenge Gesetzesauslegung von klein auf, andere lernten das Gesetz erst durch ihre Begegnung mit Jesus kennen. Trotz dieser Unterschiede erhielten sie alle denselben Auftrag: das Kommen des Reiches Gottes anzukündigen. Zusätzlich gab ihnen Jesus die Macht, Dämonen auszutreiben und Krankheiten zu heilen (vgl. Mt 10,1-7), und widmete sich beständig ihrer Bildung.
Die meisten Apostel brachten keine besonderen intellektuellen Voraussetzungen mit, um ihre Sendung zu erfüllen. Laut den Evangelien waren fast alle bescheidene Menschen. Oft verstanden sie nicht einmal die einfachsten Beispiele und Gleichnisse, die Jesus ihnen erzählte, und verfingen sich in oberflächlichen Diskussionen. Doch eines war ihnen klar: Sie waren von Christus erwählt worden. Ob einer Apostel wird oder nicht, hing damals wie heute nicht von außergewöhnlicher Fähigkeiten ab, sondern von der Bereitschaft, den Ruf Jesu anzunehmen, sich für seine Gabe zu öffnen und sie im eigenen Leben fruchtbar zu machen.
Die Zwölf waren Jesus Christus begegnet und hatten einen Schatz gefunden, für den es wert war, das Leben hinzugeben. Und sie verspürten das Bedürfnis, das Feuer, das in ihnen entfacht worden war, an ihre Zeitgenossen weiterzugeben. Diese innere Notwendigkeit entspricht einer alten Wahrheit, die Papst Franziskus so formuliert: „Das Gute neigt immer dazu, sich mitzuteilen. Jede echte Erfahrung von Wahrheit und Schönheit drängt von sich aus danach, sich auszubreiten.“1 Dies geschieht, weil auf der einen Seite die Freude über das empfangene Geschenk überströmt und auf der anderen Seite die Menschen jedes Zeitalters danach dürsten. Heiligkeit breitet sich durch Anziehung aus. Im Bewusstsein der Schönheit des empfangenen Geschenks können wir mit dem Psalmisten ausrufen: Siehe ich komme. Deinen Willen zu tun, war mein Gefallen (vgl. Ps 40,8-9).
WENN der heilige Josefmaria über die Aussendung eines Apostels nachdachte, betonte er stets, wie wichtig es ist, das letzte Ziel aller Arbeit und Mühe im Auge zu behalten. Er sagte: „Vergesst nicht, meine Kinder, dass wir keine Seelen sind, die sich mit anderen Seelen zusammentun, um eine gute Sache zu vollbringen. Das ist viel ... aber es ist wenig. Wir sind Apostel, die einen gebieterischen Befehl Christi ausführen.“2 Diese Gewissheit, dass wir für etwas arbeiten, das viel größer ist als das, was wir aufs Erste erkennen, stellt die Schwierigkeiten, denen wir begegnen können, in ein neues Licht. Gott wird uns nie etwas auftragen, das nicht zu unserem Besten ist; etwas, das auf dem Weg Licht und Schatten enthält, aber am Ende nicht zu unserem Glück beiträgt.
Jedes größere menschliche Projekt setzt sich aus kleinen Aufgaben zusammen, die oft mit Opfern verbunden sind. Angesichts einer Schwierigkeit können wir den Eindruck haben, dass sich die Mühe nicht lohnt – und unsere Begeisterung schwindet. Wenn wir unseren Blick aber heben, werden wir erkennen, dass unsere Sendung weitaus größer und hoffnungsvoller ist als die konkrete Aufgabe, mit der wir uns gerade herumschlagen. Denn Apostel zu sein, heißt nicht, eine bestimmte Aufgabe mehr oder weniger perfekt zu erfüllen, sondern stellt eine Wirklichkeit dar, die unsere tiefste Identität ausmacht. Es wird Momente der Dunkelheit geben, doch der Stern, der uns die Richtung weist, wird weiterhin leuchten: Das Leben des Apostels hat immer einen Grund und ein Licht, das ihn leitet. Wo immer er sich befindet, tut er nicht nur „Gutes“, sondern verbreitet das Evangelium Christi durch sein persönliches Zeugnis.
IN DEN Jahren, die sie an der Seite Jesu verbrachten, erfreuten sich die Apostel an den Wundern, die sie wirkten, und den Bekehrungen, die sie erlebten. Doch ihre anfängliche Begeisterung begann zu wackeln, als sie erfuhren, dass der Herr zum Tode verurteilt werden würde. Sogar danach, als schon klar war, dass Christus auferstanden war, wagten sie aus Angst vor den jüdischen Obrigkeiten nicht, das Haus zu verlassen. Erst als der Heilige Geist zu Pfingsten kam, erhielten sie eine neue Gabe, die ihnen die Kraft für ihren Auftrag schenkte.
Der Anstoß des göttlichen Beistands brachte sie dazu, ihre Ängste zu überwinden und sich aufzumachen, um ihren Mitmenschen zu dienen. Die erste Evangelisierung folgte somit nicht in einer ausgeklügelten menschlichen Strategie, sondern der „Kraft des Heiligen Geistes selbst“3, wie der Prälat des Opus Dei schrieb. Und in seiner Enzyklika über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute betont Papst Franziskus ganz ähnlich, dass für die Glaubensverbreitung „keine Motivation ausreichen wird, wenn in den Herzen nicht das Feuer des Heiligen Geistes brennt. (...). Um den missionarischen Eifer lebendig zu halten, ist [daher] ein entschiedenes Vertrauen auf den Heiligen Geist vonnöten, denn er nimmt sich unserer Schwachheit an (Röm 8,26). Aber dieses großherzige Vertrauen muss genährt werden, und dafür müssen wir den Heiligen Geist beständig anrufen.“4
Es ist möglich, dass die anfängliche Begeisterung über unsere apostolische Sendung allmählich abklingt. Dagegen ist nichts einzuwenden: Es ist menschlich, und die Heiligen haben dies als erste erlebt. Es wird Zeiten geben, in denen wir das brennende Verlangen haben, das Feuer Christi an andere weiterzugeben, und es wird Zeiten geben, in denen wir etwas kühler sind. Wenn wir aber bereit sind, uns vom Heiligen Geist verwandeln zu lassen, wird er uns nach und nach ein Herz geben, das dem Herzen Christi ähnelt, und die apostolische Sendung wird zum Mittelpunkt unseres Lebens werden. Bitten wir Maria, dass wir wie sie auf die Anregungen zu hören wissen, die der Beistand uns jeden Tag eingibt.
1 Franziskus, Evangelii Gaudium, Nr. 9.
2 Hl. Josefmaria, Instruktion 19.3.1934, Nr. 27.
3 Msgr. Fernando Ocáriz, Hirtenbrief, 14.2.2017, Nr. 9.
4 Franziskus, Evangelii Gaudium, Nr. 261 und 280.