Ein Student, der ein Semester an einer ausländischen Universität absolviert. Eine erfahrene Kommunalbeamtin. Ein freiberuflicher Designer, der von zu Hause aus arbeitet. Eine Gymnasiallehrerin, für die ein neues Schuljahr beginnt. Ein Ingenieur, der ausgewandert ist. Eine Krankenschwester, die gerade bessere Arbeitsbedingungen erhalten hat. Ein Verkaufsangestellter, der eine Verringerung seiner Arbeitszeit und seines Gehalts hinnehmen musste. Eine Friseurin, die ihren Salon während der Pandemie geschlossen hat. Ein Vater oder eine Mutter, die sich um kleine Kinder kümmern. Eine frischgebackene Hochschulabsolventin auf der Suche nach ihrem ersten Job. In diesen und anderen beruflichen und persönlichen Situationen gibt es viele Christen, die den Spuren Jesu, des Arbeiters, folgen wollen und dabei die Bildung im Opus Dei in Anspruch nehmen. Der Handwerker von Nazareth ist ihr wichtigstes Vorbild (vgl. Mt 13,54-58).
In jedem Leben gibt es eine Wegstrecke hinter uns und ein Zukunftsprojekt, manchmal Licht und manchmal Schatten, Freude und Leid, richtige und falsche Entscheidungen, Illusionen und Zweifel, persönliche, familiäre und gesellschaftliche Auswirkungen. Jeder von uns ist in seiner Einzigartigkeit, mit seiner Geschichte und seinen Lebensumständen dazu berufen, die Arbeit zu heiligen, sich selbst in seiner Arbeit zu heiligen und andere durch seine Arbeit zu heiligen.
Wer diese Sendung erfüllen möchte, braucht, wie der heilige Josefmaria betont hat, eine entsprechende Vorbereitung. „Wenn du Salz und Licht sein sollst, brauchst du Wissen und Eignung.“[1] „Damit aber die Aussaat wirksam ist, Kinder meines Herzens, braucht ihr eine Stärkung in geistlicher Hinsicht, eine Stärkung in psychologischer Hinsicht und eine Stärkung auch in beruflicher Hinsicht.“[2] „Es genügt nicht, dass man den Wunsch hat, dem Gemeinwohl zu dienen. Der Weg, um diesem Wunsch Wirklichkeit zu verleihen, besteht darin, fähigen Männern und Frauen tatsächlich eine gründliche Bildung zu vermitteln, damit diese sie dann in den Dienst der anderen stellen.“[3]
Das Opus Dei setzt sich für eine christliche Bildung ein, die alle Lebensbereiche der Person umfasst, einschließlich der beruflichen Dimension. Die intellektuelle und technische Vorbereitung, die für jeden Beruf erforderlich ist, wird jedoch in den Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen der einzelnen Länder und in der Berufserfahrung selbst erworben, nicht im Werk. Das Opus Dei als solches bietet auch keine Kurse in Mentoring, Soft Skills oder Personal Branding an, um nur einige Beispiele aus der Arbeitswelt zu nennen. Worin besteht also diese berufliche Bildung? In den Artikeln dieser Reihe sollen dazu einige Überlegungen angestellt werden.
Heute, für mich: Ausbildung für mein Leben
Die Botschaft des heiligen Josefmaria über die Heiligung der Arbeit, die Umgestaltung der Welt von innen her und die zentrale Stellung des Berufs im gesellschaftlichen Leben veranlassen die Christen, tiefer in die Bedeutung der Arbeit als Achse ihrer Berufung und Sendung inmitten der Welt mit ihren Möglichkeiten und Herausforderungen einzudringen. Die Welt von innen her Gott zu weihen, den Glauben des Evangeliums in der Umwelt zu verbreiten, den Menschen zu dienen und die Strukturen zu vermenschlichen sind einige der Ausdrucksformen der in Taufe grundgelegten Identifikation der Laien mit Christus, dem Priester, Propheten und König[4].
Alle Arbeiten, von den traditionellsten und meistgeordneten bis hin zu den kreativsten Tätigkeiten und den Teilzeitjobs, erfordern solche Überlegungen seitens derjenigen, die sie ausüben. Es wird gemeinsame Aspekte geben, denn "die Würde der Arbeit gründet auf der Liebe"[5], sie "soll eine Opfergabe sein, die des Schöpfers würdig ist"[6], sie „ist Zeichen der Liebe und zielt hin auf die Liebe".[7] Andere wiederum werden eher persönlich sein, abhängig von der Beziehung des Einzelnen zu Gott, von seinem Sinn für die Hingabe, die sich mit der Hingabe Christi am Kreuz und in der Heiligen Messe verbindet, von seinem Wunsch zu dienen und von seiner Kenntnis der konkreten Merkmale seiner beruflichen Arbeit.
In dem riesigen Geflecht von Faktoren, aus dem das Gewebe der beruflichen Arbeit gesponnen ist, gibt es zwei Merkmale, über die nur jeder selbst nachdenken kann und die er selbst klären muss: Was bedeutet es, meine konkrete Arbeit zu heiligen? Und wie soll das unter den gegebenen aktuellen Umständen meiner selbst und meines Umfelds geschehen?
Zur Heiligung der Arbeit gehört für einen Onkologen beispielsweise sowohl das Bemühen, auf dem neuesten Stand der Forschung zu sein, als auch das einfühlsame Hinhören auf die Patienten; für einen Busfahrer die Art und Weise, wie er eine Kurve nimmt, und das Lächeln, das er den Fahrgästen schenkt; für einen Architekten das Eingehen auf den Kunden und dessen Bedürfnisse, die Qualität der Lösungen und die Schönheit des Resultats. Die Antwort auf die Frage "Wie kann ich meine Arbeit heiligen?" wird für eine Profisportlerin, einen Lagerarbeiter im Supermarkt, einen Youtuber, einen Anwalt, einen Geschäftsführer, einen Koch, eine Sopranistin, einen Landwirt, eine Community-Managerin, einen Lehrer oder einen LKW-Fahrer unterschiedlich ausfallen. Und auch diejenigen, die in Rente gehen, arbeitslos sind oder an einer Behinderung leiden, müssen sich auf ihre eigene reflektierende Suche machen.
Neben den Besonderheiten jedes beruflichen Engagements spielt die Klugheit eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, bestimmte Haltungen zu kultivieren und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Jemand, der kurz vor dem Ruhestand steht, kann die letzte Phase seines Arbeitslebens träge oder begeistert angehen. Eine verheiratete Frau, die ein weiteres Kind erwartet, muss sich den Herausforderungen eines Umfelds stellen, das Schwangerschaften und Mutterschaftsurlaub in der Regel misstrauisch gegenübersteht, sie missbilligt oder ablehnt. Eine Wirtschaftswissenschaftlerin oder eine Juristin kann sich in Situationen wiederfinden, die ihrem Gewissen widersprechen. Angesichts von Armut oder Instabilität kann ein Paar überlegen, ob einer der Gatten in eine relativ weit entfernte Stadt ziehen soll, um die Familie zu unterstützen. In anderen Fällen kann die Frage lauten, ob die Arbeitszeit reduziert werden soll, um pflegebedürftige Eltern, kleine Kinder oder kranke Familienangehörige zu betreuen.
Die rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bedingungen eines jeden Landes haben Einfluss auf die Möglichkeiten und Schwierigkeiten des Berufslebens, und die Klugheit hilft, sie zu bewerten und die geeigneten Mittel zu suchen, um Entscheidungen zu treffen.
Einige aktuelle Herausforderungen
Die Arbeitswelt ist eine komplexe Realität, die wir alle mehr oder weniger stark erleben. Einige der heute vielleicht maßgeblichsten Herausforderungen, auf die wir im Folgenden hinweisen, werfen ein Licht auf die Aspekte, unter denen die Bildung uns hilft, die Arbeit heute und jetzt zu heiligen.
Seit Jahren zeigt sich, wie notwendig gründliches Studium ist. Als Frucht der Reflexion und einer weisen Menschenkenntnis steht es im Gegensatz zur Oberflächlichkeit und Verarmung, die da und dort durch die Vorherrschaft der Technologie und der Spezialisierung hervorgerufen werden. Noch so viel Ausbildung bedeutet keine Bereicherung, wenn sie nicht von Kontemplation, Reflexion, Dialog oder lohnender Lektüre begleitet wird: „Wenn jemand nicht lernt innezuhalten, um das Schöne wahrzunehmen und zu würdigen, ist es nicht verwunderlich, dass sich für ihn alles in einen Gegenstand verwandelt, den er gebrauchen oder skrupellos missbrauchen kann. Zugleich muss man, wenn man tiefgreifende Veränderungen erzielen will, berücksichtigen, dass die Denkmuster wirklich die Verhaltensweisen beeinflussen“[8], so Papst Franziskus.
Eine weitere Herausforderung für die heutige Mentalität besteht darin, angesichts einer Kultur des Erfolgsdrucks die Freude am Teilen und den Reichtum menschlicher Beziehungen wiederzuentdecken. Der Leistungsdruck, der Erfolg als selbst auferlegter Maßstab für Qualität, die Prozesse, die den Menschen überrollen, oder das erlittene Mobbing können Frustration, Erschöpfung, Misserfolg oder Entmutigung hervorrufen und sogar zu physischen oder psychischen Krankheiten führen. Papst Franziskus ruft dazu auf, das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren: „Versucht vor allem, Räume zu schaffen, in denen zur Kultur der Effizienz, der Leistung und des Erfolgs die Kultur selbstloser Liebe hinzukommt, die allen (…) Möglichkeiten eines glücklichen, gelungenen Lebens anbietet.“[9]
Außerdem ist es in vielen Fällen eine Herausforderung, Zeitaufwand und Prioritäten in Einklang zu bringen. „Die Familie ist ein großer Prüfstein. Wenn die Organisation der Arbeit sie als Geisel hält oder sogar ihren Weg behindert, dann können wir sicher sein, dass die menschliche Gesellschaft begonnen hat, gegen sich selbst zu arbeiten!“[10] So mahnt der Papst. Und das gilt nicht nur für die Familie. Wir brauchen auch Zeit, um uns zu erholen und Sport zu treiben, ein Museum zu besuchen oder Freunde zu treffen, in einem Verein mitzuarbeiten oder uns einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen, einen Kurs zu absolvieren oder Kranke zu besuchen. Wir brauchen Zeit für christliche Bildung und ein Leben des Umgangs mit Gott.
Andererseits beschleunigt die Arbeitswelt selbst ihre Entwicklung. Der digitale Wandel setzt sich in vielen Sektoren fort, und es sind neue Arbeitsformen entstanden: mehr Kooperation, Projektarbeit, Home-Office... Neben den positiven Aspekten – mehr Flexibilität, Kreativität und Zusammenarbeit – gibt es auch andere, die negativ sind – etwa eine größere Unsicherheit. Nur wenige junge Menschen wollen in einem Unternehmen mit einer festen Stelle anfangen und dort in Rente gehen, wie es vielleicht ihre Eltern oder Großeltern getan haben. Andererseits machen es die neuen Plattformen leichter, die eigenen Neigungen und Kenntnisse zur Grundlage eines beruflichen Engagements zu machen, mit dem man seinen Lebensunterhalt verdienen kann.
Diese Veränderungen haben das Entstehen neuer Berufe begünstigt. Gleichzeitig ist in vielen von der Wirtschaftskrise betroffenen Ländern der Berufseinstieg zu einer größeren Herausforderung geworden. Die Suche junger Menschen nach einer ersten stabilen Arbeitsstelle, die Rückkehr ins Berufsleben aus einer Phase der Arbeitslosigkeit in einem bestimmten Alter, die Umschulung in einem sich schnell verändernden Sektor oder die Frühpensionierung sind einige der Situationen, die Einzelpersonen und Familien am meisten zu schaffen machen.
Schließlich zeigt sich, dass rund um die Arbeit Strukturen zu schaffen sind, die sie vermenschlichen helfen: Arbeitsrecht, Löhne, Sicherheitsbedingungen, Verträge, Sozialleistungen und viele andere Aspekte müssen fair gestaltet werden. Besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, die volle Einbeziehung der Frauen in das Berufsleben und in den öffentlichen Dienst zu gewährleisten und auf ihre Herausforderungen zu reagieren (gläserne Decke, Lohngefälle, Lasten der Mutterschaft usw.).
Ganzheitliches Leben, einheitliche Bildung
Zur Bewältigung dieser Herausforderungen, sowohl der persönlichen als auch der mit der Arbeitssituation in jeder Gesellschaft verbundenen, ist eine einheitliche und integrale Bildung erforderlich, die die ganze Person in ihren unterschiedlichen Dimensionen einbezieht. Die Förderung von Tugenden wie Geduld, Tapferkeit, Kühnheit, Demut oder Beständigkeit ist ein wichtiger Beitrag zur notwendigen Vorbereitung auf Herausforderungen wie die oben genannten.
Bildung ist nicht in erster Linie die Vermittlung von Lehrinhalten oder Wissen, sondern ein persönlicher Entwicklungs-, Wachstums- und Reifungsprozess, der, mit den dem Geist des Opus Dei eigenen Akzenten, die Identifikation mit Jesus Christus, Mensch und Gott, anstrebt. So helfen uns die verschiedenen Facetten der Bildung (menschlich, beruflich, spirituell, doktrinell und apostolisch), in unserer Arbeit mit Gott in Beziehung zu treten, die Wahrheit und das Gute in unserem Beruf zu entdecken, die Tugenden zu üben, Qualität anzustreben und die Menschen, mit denen wir zu tun haben, mehr zu lieben. Unser Leben wird von einer großen Liebe zur Freiheit und daher auch von großem Verantwortungsbewusstsein geprägt sein, was den persönlichen Wunsch zur Folge hat, Tag für Tag besser zu werden, indem man die Mittel einsetzt, die das Werk seinen Gläubigen und den Teilnehmern an seinen Bildungsmitteln zur Verfügung stellt.[11] Auf diese Weise wird das Lebens- und Berufsprojekt in die Sendung integriert, zu der wir berufen wurden.
Die Arbeit ist das Rückgrat der gesamten Lebenswirklichkeit eines Menschen. Durch die Arbeit – die uns zusammen mit der Kindschaft in der Welt verankert ("Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria und sind nicht Jakobus, Josef, Simon und Judas seine Brüder?“[12]) – lernen wir, als Bürger unter Bürgern zu leben und durch unseren Dienst andere zu leiten.
So kann man sich dem Thema Arbeit aus allen Blickwinkeln der Bildung nähern: „Die Bildung der Gläubigen des Opus Dei, die beginnt, wenn sie die ersten Schritte im Werk tun und die bis zum Augenblick des Todes dauert, umfasst die menschlichen, beruflichen, geistlichen, apostolischen und doktrinellen Aspekte, die einander harmonisch durchdringen, wie es der starken Einheit des Lebens entspricht, die für den Geist des Opus Dei charakteristisch ist und die allen Gläubigen von der Kirche nachdrücklich empfohlen wird.“[13]
Diese harmonische und ausgewogene Entwicklung von Haltungen und Tugenden ist für eine christliche Lebensweise von grundlegender Bedeutung, denn die Berufung zur Heiligkeit und zum Apostolat verwirklicht sich gerade in der beruflichen Arbeit und durch den Vollzug der beruflichen Arbeit. Mit ihr verdienen wir unseren Lebensunterhalt, ernähren wir unsere Familien und tragen bei zur Durchführung von Initiativen zum Wohle aller; in ihr betätigen wir das gemeinsame Priestertum der Gläubigen durch unser Zeugnis und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen.[14]
An der Hand des heiligen Josef, der ein arbeitender Vater war, „vermag die Krise unserer Zeit, die eine wirtschaftliche, soziale, kulturelle und geistliche Krise ist, allen ein Aufruf sein, den Wert, die Bedeutung und die Notwendigkeit der Arbeit wieder neu zu entdecken.“[15]
[1] Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 340.
[2] Hl. Josefmaria, Als Er unterwegs mit uns redete, S. 249.
[3] Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 73.
[4] Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Lumen gentium, Nr. 34-36.
[5] Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 48.
[6] Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 55.
[7] Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 48.
[8] Papst Franziskus, Laudato Sí, 215.
[9] Papst Franziskus,Ansprache beim Treffen mit den Bischöfen, Tokio, 23.11.2019.
[10] Papst Franziskus, Generalaudienz, 19.08.2015.
[11] Vgl. Prälatur vom Heiligen Kreuz und Opus Dei, Ratio Institutionis, Rom 2007, Nr. 8.
[12] Mt 13, 55.
[13] Prälatur vom Heiligen Kreuz und Opus Dei, Ratio Institutionis, Rom 2007, Nr.4.
[14] Vgl. ebd., Nr. 6.
[15] Papst Franziskus, Patris Corde, Nr. 6.
Teresa Escobar
Jerry Wang