ALS DER HERR lehrte: Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden (Mt 5,4), dachte er wohl auch an seine Mutter. Maria stand ihm in unzähligen Momenten seines Lebens bei und schenkte ihm Trost – schon in seiner Kindheit, wenn er sich verletzte, etwas zerbrach oder einen Kummer hatte. An diesem vierten Tag der Novene zur Unbefleckten Empfängnis betrachten wir eine besondere Szene.
Maria und Josef kommen mit dem kleinen Jesus in den Tempel von Jerusalem. Vierzig Tage nach seiner Geburt erfüllen sie den Ritus der Darstellung des Erstgeborenen und der Reinigung der Mutter. Obwohl Maria aufgrund ihrer Unbeflecktheit nicht der Reinigung bedurfte, nahm sie den Akt im Bewusstsein unserer menschlichen Schuld dennoch auf sich. Sie wollte uns lehren, unsere Sünden aufrichtig zu bereuen und uns im Reueschmerz mit der Hingabe ihres Sohnes zu vereinen. Die Heilige Familie kommt also nicht nur, um ein Gesetz zu erfüllen, sondern um Vergebung für die Sünden der gesamten Menschheit zu erbitten. Sie flehen um die Barmherzigkeit und den Trost, den diese Welt braucht. Maria begnügt sich nicht damit, Gott selbst nicht zu beleidigen; ihr tiefstes Verlangen ist es, dass alle Menschen – ihre Söhne und Töchter – das Glück der göttlichen Liebe erfahren und nicht den Täuschungen und Schmerzen der Sünde erliegen.
„Bitte Jesus nicht allein für deine Schuld um Verzeihung“, sagte der heilige Josefmaria, „liebe ihn nicht nur mit deinem Herzen. Biete ihm Sühne an für alle Beleidigungen, die man ihm angetan hat, ihm antut und ihm noch antun wird. Liebe ihn mit der Kraft der Herzen aller Menschen, die ihn am meisten geliebt haben.“1 Maria schenkt uns Trost in den Verwundungen, die die Sünde in unseren Herzen hinterlässt. Sie hilft uns, dass unsere Tränen nicht zu reiner Traurigkeit werden, sondern zu einem Wunsch nach Wiedergutmachung und einem Neuanfang – so oft es nötig ist.
IM TEMPEL kam ein alter Mann namens Simeon auf Maria und Josef zu. Mit großer Freude nahm er das Jesuskind in seine Arme und erkannte in ihm den Trost Israels (Lk 2,25). Wie der heilige Johannes Paul II. erklärte, war das gesamte Leben Christi ein Dienst des Trostes: „die Verkündigung einer Freudenbotschaft an die Armen, die Verkündigung der Freiheit an die Unterdrückten, der Heilung an die Kranken, der Gnade und des Heils an alle.“2 Doch um diesen Trost zu empfangen, müssen wir uns unserer Hinfälligkeit bewusst werden und diese anerkennen. Es kann verlockend sein, unsere Schwächen zu verbergen und so zu tun, als wären sie nicht da. Aus Angst, verletzlich zu erscheinen, scheuen wir uns manchmal davor, sie zuzugeben. Doch diese Haltung führt dazu, dass wir uns unseren Problemen nicht stellen und die Hilfe ablehnen, die uns der Herr oder Mitmenschen anbieten könnten.
Die Jungfrau Maria lehrt uns zu weinen – nicht aus Verzweiflung, sondern in demütiger Anerkennung unserer Fehler und Sünden. Es ist ein Weinen über den Schaden, den wir angerichtet haben. Papst Franziskus erklärt dazu: „Das ist das Weinen darüber, nicht geliebt zu haben, und das hervorbricht, weil das Leben der anderen Bedeutung hat. Hier weinen wir, weil wir dem Herrn, der uns so sehr liebt, nicht entsprechen, und wir sind traurig bei dem Gedanken an das Gute, das wir nicht getan haben; das ist, was Sünde bedeutet. Man sagt: ,Ich habe den, den ich liebe, verletzt‘, und das schmerzt so sehr, dass die Tränen kommen. Gott sei Lob und Dank, wenn diese Tränen kommen!“3 Wir bitten Maria, die Unbefleckte Empfängnis, uns dieses Weinen zu schenken, das den heiligen Petrus und so viele Heilige dazu brachte, ihre Schwäche anzuerkennen und Jesus mit neuer Liebe zu lieben.
NACHDEM SIMEON die Eltern Jesu gesegnet hatte, sagte er zu Maria: Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele zu Fall kommen und aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird, – und deine Seele wird ein Schwert durchdringen. So sollen die Gedanken vieler Herzen offenbar werden (Lk 2,34-35). Mit diesen Worten wies Simeon auf das Leid hin, das Maria in ihrem Leben erfahren würde, ein Leid, das sie mit dem Schicksal ihres Sohnes verband. Maria, die Mutter aller Menschen, lehrt uns, am Leid der anderen teilzuhaben, unsere Seele von den Schmerzen unserer Mitmenschen berühren und unser Herz davon durchbohren zu lassen. So werden wir zum Trost Gottes werden, der sich selbst in unsere Herzen ergießt, um uns zu trösten.
Um sein Erbarmen fühlbar zu machen, stützt sich Gott auf Männer und Frauen wie wir. So sandte er, als Jerusalem zerstört war, seine Propheten mit folgender Botschaft: Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Redet Jerusalem zu Herzen und ruft ihr zu, dass sie vollendet hat ihren Frondienst, dass gesühnt ist ihre Schuld, dass sie empfangen hat aus der Hand des Herrn Doppeltes für all ihre Sünden! (Jes 40,1-2). Und ein anderes Mal spricht Gott mit äußerster Zärtlichkeit zu seinen Kindern: Wie einen Mann, den seine Mutter tröstet, so tröste ich euch; in Jerusalem findet ihr Trost (Jes 66,13).
Der größte Trost, den wir unseren Mitmenschen schenken können, ist, sie an die unendliche Barmherzigkeit Gottes zu erinnern. Wie der Psalmist singt: Er handelt an uns nicht nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Schuld (Ps 103,10). Diese Gewissheit verwandelt selbst die tiefste Trauer in Hoffnung und Freude. Maria erlebte dies auf dem Kalvarienberg – als sich die Worte Simeons erfüllten. Beim Anblick ihres Sohnes am Kreuz, der die Last aller Sünden der Welt trug, wurde ihr Herz vom Schmerz durchbohrt. Doch zugleich sah sie den Sieg ihres Sohnes, der der Menschheit das Heil brachte. Und so spendete Maria am Fuß des Kreuzes Trost, nicht nur Johannes und den Frauen, die bei ihr waren, sondern auch uns allen. Sie lädt uns ein, den Blick über den Schmerz hinweg auf die Auferstehung zu richten. Selig sind die Trauernden, denn Maria wird sie trösten, indem sie ihnen die Hoffnung auf den endgültigen Triumph Christi schenkt – den Sieg über Sünde und Tod.
1 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 402.
2 Hl. Johannes Paul II., Angelus-Gebet, 13.8.1989.
3 Franziskus, Audienz, 12.2.2020.
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