„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ (Apg 1, 11) So rügen die beiden Engel die Apostel, als Christus in den Himmel auffährt. Dabei ist es doch natürlich, dass sie ihm nachschauen. Ihm, der in den Himmel aufgenommen wird. So etwas Spektakuläres sieht man schließlich nicht alle Tage.
Sicherlich liegt in den Blicken der Apostel auch Wehmut und Schmerz über den Abschied von ihrem Herrn. Wie wird es weitergehen, ohne ihn an der Seite zu haben? Solche Fragen können lähmen, den Blick verengen. Die Mahnung der Engel soll zu einem Perspektivenwechsel bei den Jüngern führen. Sie sollen die Welt mit neuen Augen sehen, jetzt, wo der Herr im Himmel ist.
Das Leben Jesu hilft uns die Welt mit neuen Augen zu sehen.
Er hat unser menschliches Leben geteilt. In allem war er uns gleich, außer der Sünde (vgl. Viertes Hochgebet). All das, was wir Menschen auf Erden erleben, hat der Sohn Gottes auch erlebt: Geburt, Kindheit, Lernen, Arbeit, Tränen, Schweiß, Angst, Liebe, Freude, Leiden, Tod. All das ist ihm nicht fremd.
Und deshalb können wir auch in all dem, was diese Welt ausmacht, ihm – Gott nämlich – begegnen. In dieser Welt können wir ihm dienen. Diese Welt, dieser Planet Erde, unser Alltag – das sind die Orte, wo wir als Christen, als Jünger Jesu leben und leben sollen. Und diese Welt, diesen Planeten Erde, unseren Alltag können wir uns nicht aussuchen.
Die Welt mit neuen Augen sehen
Die Welt ist zwar der Ort, der uns Menschen zugewiesen ist, aber es gibt ein Mehr. Wenn Jesus die Erde verlässt und zu seinem Vater in den Himmel auffährt, dann liegt darin auch für uns eine Verheißung. Das Tagesgebet der Messe drückt diese mit folgenden Worten aus: „In der Himmelfahrt Deines Sohnes, hast Du den Menschen erhöht. Schenke uns das feste Vertrauen, dass auch wir zu der Herrlichkeit gerufen sind, in die Christus uns vorausgegangen ist.“
Diese Welt, die vergeht, dieser Alltag, der manchmal so zermürbend sein kann – das ist nicht alles. All das Leid, die Sorgen, die Trauer und Angst, die einem begegnen – das ist nicht alles. Es gibt ein Mehr, ein ewiges, herrliches Mehr, das all unsere Vorstellungskraft übersteigt, in dem wir von allem befreit werden, was uns hier unten einengt und bedrängt, in dem unsere Sehnsucht nach glücklichem Leben gestillt wird und wo wir endlich die werden können, die wir in Wahrheit sind.
Deshalb ist die christliche Religion eben nicht „Opium für das Volk“. Wir Christen müssen nicht mit Rauschmitteln in eine andere Welt fliehen. Wir Christen sind nüchterne, realistische Menschen, die ihrer Hoffnung auf eine erlöste Welt in dieser unerlösten Welt Ausdruck verleihen: in Taten, Worten und Gebeten.
Anderen die Augen für den Himmel und die Welt öffnen
„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ Die Engel treiben die Jünger an, nicht wie Salzsäulen stehen zu bleiben, sondern sich aufzumachen in die Welt, in der sie leben. In der auch Jesus gelebt hat. „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16, 15).Damit alle diese Welt sehen, wie sie in Wirklichkeit ist: kostbar aber endlich. Damit allen die neue, wunderbare Perspektive eröffnet wird: Es gibt ein ewiges Leben, das unsere Sehnsucht stillt.
Das ist der Auftrag der Jünger in dieser Welt – unser Auftrag als Christen. In uns will Christus weiterleben. Unsere Münder, unsere Hände sollen seine Botschaft lebendig werden lassen. Jeder, jede von uns ist dazu berufen, ein anderer, ein zweiter Christus, ja „Christus selbst“ zu sein, wie der heilige Josefmaria gern sagte. Wenn wir so mit Christus vereint sind, uns jetzt und hier bemühen, sein Leben weiterzuleben, werden wir auch sein Leben im Himmel in der Herrlichkeit des Vaters erleben. Christi Himmelfahrt lässt uns so die Welt mit neuen Augen sehen: Als den Ort, wo wir das Leben Jesu weiterführen sollen. Und als den Weg, der uns zur wahren Freude führt. Als Christ in dieser Welt zu leben, lohnt sich.