Jede Umkehr ist ein Freudenfest

Eine Betrachtung von Klaus Klein-Schmeink zum 4. Fastensonntag Laetare

Jesus erzählt das Gleichnis vom verlorenen Sohn den Pharisäern und Schriftgelehrten, und zwar so, dass sie sich darin wiedererkennen können: 

Da ist der abtrünnige Sohn, der sich nun wirklich schäbig benimmt und restlos herunterkommt - der noch tiefer sinkt als die Schweine, die er hüten muss. Für die Juden, die die Schweine als unreine Tiere angesehen haben, war klar: Tiefer kann keiner sinken. Unschwer erkennen die biblischen Zuhörer darin die Sünder und vor allem die Zöllner, die ja das eigene Volk ausbeuten und der römischen Besatzungsmacht dienen. Und auf der anderen Seite steht der ältere Sohn. Der Vater hat ihm nichts vorzuwerfen, nennt ihn sein Kind und sagt ihm, dass sie beide alles gemeinsam haben. In diesem Sohn dürften die Pharisäer unschwer sich selbst erkannt haben. 

Jesus kritisiert die Pharisäer hier nicht dafür, dass sie das Volk in Gerechte und Sünder einteilten. Er leugnet auch nicht, dass die Zöllner Sünder sind. Levi und Zachäus bewegt er ja zur Umkehr. Und er behauptet auch nicht, dass die Pharisäer nicht wirklich oft heiligmäßige Menschen sind. Aber er besteht darauf – und damit wendet er sich gegen die Pharisäer –, dass kein Mensch als „Gerechter“ oder „Sünder“ abgestempelt werden darf. Jedem muss die Gelegenheit zur Umkehr gelassen werden. 

Damit sind auch wir gemeint. Wen grenzen wir modernen Pharisäer nicht alles aus: Obdachlose, Drogenabhängige, Asoziale, Kriminelle, Fremde – die modernen Sünder und Zöllner, denen wir oft genug den Stempel aufdrücken: „Umkehr zwecklos!“  

Aber ein anderer Punkt wird oft vergessen: Die Tatsache, dass wir uns selber abstempeln mit der Aufschrift: „Umkehr zwecklos!“ Wie oft entschuldigen wir uns, wenn wir anderen wieder über den Mund gefahren sind, wenn wir einen Schritt zu weit gegangen sind, mit einem Achselzucken und der Bemerkung: „So bin ich nun mal.“ Wie oft bemerken wir dunkle Punkte in unserem eigenen Charakter: Die Bequemlichkeit, auf etwas Luxus nicht verzichten zu wollen: „Tut mir leid, aber das brauche ich nun einmal.“ Oder wenn wir unser lasterhaftes Gerede nicht unter Kontrolle halten: „Da kann ich nichts dran ändern.“ Oder, wenn wir uns im Gebet nicht zurechtfinden wollen, es uns überhaupt sehr schwer fällt, etwas Geistliches zu tun: «Ich bin eben kein Heiliger.“ 

Das sind alles Gedanken der Pharisäer, der Pharisäer in uns, mit denen wir uns selbst die Umkehr versperren. Die uns weismachen wollen, dass es bei uns nichts zu ändern gibt. Und – noch schlimmer – die uns einreden wollen, dass das eigentlich gar keine Sünde ist, sondern eine Charaktereigenschaft, die zu meiner Person gehört. Und Gott liebt mich doch schließlich so, wie ich bin – oder? 

Der verlorene Sohn wurde von seinem Vater auch geliebt, als er Schweine hütete. Aber deshalb hat er sich nicht zufrieden in den Trog gesetzt und gesagt: Was will ich mehr, mein Vater liebt mich, wie ich bin. Paulus schreibt: „Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!“ Bleibt nicht so, wie ihr seid. Jeder kann umkehren zum Vater. Keiner hat das Recht, sich selbst abzustempeln: „Umkehr vergeblich!“ oder „Umkehr nicht nötig!“ 

Wer umkehrt, seine ausgetretenen Pfade verlässt und sich aufmacht – der ist lebendig. Das meint auch der barmherzige Vater, als er ruft: „Mein Sohn war tot, doch nun lebt er wieder!“ Der Vater lässt ein Fest feiern, weil sein Sohn zu ihm heimgekehrt ist, weil der Sohn ihm wiedergeschenkt ist. Jede Umkehr zum Vater ist ein Freudenfest. Und das nicht nur für den Vater Gott. 

Nutzen wir diese Fastenzeit zur Umkehr. Vielleicht raffen wir uns sogar auf, die Beichte – das Sakrament der Freude und Versöhnung – in Anspruch zu nehmen. Jedes Mal, wenn wir die Worte des Priesters hören „Und so spreche ich dich los von deinen Sünden“, ist das ein Freudenfest im Himmel und auf der Erde.