Gott hat immer einen Plan B

Juan Carlos wurde 1974 in Avila (Spanien) geboren. Er wollte seit frühester Jugend Multimillionär werden und gestaltete sein Leben entsprechend. "Aber dann zeigte mir Gott, dass, auch wenn ich Plan A nicht gefolgt war, er einen Plan B für mich hatte."

Juan Carlos sagt gerne, dass er von Beruf Unternehmer ist. Er wurde 1974 in Avila geboren und war seit frühester Jugend Kaufmann. Seine Jackentaschen sind voller Papiere und seine Handgelenke voller Armbänder, jedes mit seiner eigenen Geschichte. „Es hatte für mich keinerlei Attraktivität, wirklich gut zu sein, besser gesagt, ich glaubte, es bereits zu sein. Ich vergnügte mich lieber und verdiente Geld; aber dann zeigte mir Gott, dass, auch wenn ich Plan A nicht gefolgt war, er einen Plan B für mich hatte.

Ich hatte es zu zwölf Gesellschaften gebracht, die auf drei Kontinenten ihre Produkte abwarfen… Es war nicht so, als interessierte mich Religion nicht, sie war eher wie eine Sprache die du nicht kannst, etwas, das mir ziemlich absurd erschien. Und da ich glaubte, ich sei gut, die Kirche aber schlecht – also was soll ich noch dazu sagen… Ich ging zur Messe, wenn es Hochzeiten, Taufen und sonstige Feiern dieser Art gab. Dabei verstand ich nicht, was der Pfarrer sagte, er sprach für mich in einer fremden Sprache. Deswegen blieb ich hinten an der Tür stehen, rauchte eine Zigarre oder rettete mich in die nächste Kneipe, damit die Zeit schneller verging.

Ich verstand nur die Sprache der Geschwindigkeit, der Geschäfte und des schnellen Geldverdienens; ich zog in das Viertel Salamanca in Madrid, natürlich in eine Luxuswohnung; Ich kaufte mir das letzte Modell von Porsche…, Büros im Hochhaus des Torre Colón. An einem Tag weihte ich im T-4 von Madrid eine Kette von Tapas-Bars ein, deren Besitzer ich war, am nächsten war ich in Dubai, wo ich einem libanesischen Investor beibrachte, wie er im Vorderen Orient eine Restaurantkette aufbauen konnte; am nächsten Tag zeigte ich einem ägyptischen Küchenchef, wie man mit dem Wok umgeht, und so jettete ich durch England, Mexiko, die USA… Dazwischen Pressekonferenzen, Treffen mit Vermögensberatern und Geschäftsführern, die meine Unternehmen kaufen wollten. Ich kannte keine Pause, ich dachte nur daran, meine Gesellschaft noch zu verbessern und Multimillionär zu sein, bevor ich dreißig wurde.“

-Und dich hat nichts aufgehalten? Du hast an nichts geglaubt?

„Nun ja, auf meine Art schon; ich glaubte ‚à la carte’, das eine ja, das andere nicht.

Ich komme aus einer normalen, das heißt katholischen Familie aus Avila. Ich bin kirchlich verheiratet, und eine Großtante von mir war Tochter der Nächstenliebe in Marokko und dann Missionarin in Südamerika; ein Onkel ist Priester und eine Tante unbeschuhte Karmelitin. Wir besuchten sie ein Mal im Jahr in ihrem Kloster. Diese Tante zum Beispiel schrieb mir wunderbare Briefe, von denen ich aber auch nicht ein Wort begriff. Heute lese ich sie mit der Begeisterung und Rührung eines Kindes; ich bin mir bewusst, wie sehr mich diese heilige Frau liebte und für mich gebetet hat, aber wenn du den Kopf voll hast von anderen Sachen, ist alles, was mit Religion zu tun hat, unverständlich, und du bist überzeugt, dass es dich bei der Erreichung deines Zieles stören wird. Man muss den Chip wechseln, alles, deine Seele resetten, um zu begreifen, dass du ein „Dummkopf“ gewesen bist. Ich sagte es schon: Ich glaubte in gewisser Weise, denn als Junge wollte ich erst Soldat werden, dann Multimillionär und schließlich, sobald ich Multimillionär war, Missionar, um helfen zu können.“

-Diese drei Zukunftsvisionen sind nicht unbedingt miteinander vereinbar…

„Für mich waren sie das in gewisser Weise. Mit 18 etwa machte ich als Freiwilliger bei einem Sondereinsatz mit; als ich nach Hause kam, übernahm ich für einige Monate die Geschäfte, die ich dann aber wieder abgab mit dem erklärten Wunsch, aus eigener Kraft Multimillionär zu werden.

Das mit dem Missionar würde ich dann später mal sehen. In dieser Hinsicht war etwas in meinem Inneren verborgen, aber ich war klug genug, es nicht zu beachten und vermied es um jeden Preis, mit einem Priester zu sprechen oder eine Kirche zu betreten.“

-Warum das denn?

„Oh, du weißt sehr gut, dass dich das verändern kann, und deine dunkle Seite zieht gewaltig nach unten. Jetzt bereitet es mir jetzt Unbehagen, nur daran zu denken, es zuzugeben. Du wirst verstehen, dass wir bei einem solchen Lebensstil nicht nur Mineralwasser tranken, auch wenn wir nicht völlig haltlos waren. Aber du suchst eben um jeden Preis den Erfolg. Ein Geschäft geht gut, du investierst, verdienst viel Geld; bei einem anderen Handel ruinierst du dich und fängst von vorne an: Kleidungsgeschäfte, Hotels, Restaurants… Handelsunternehmen, Ruhm, Anerkennung. Das ist alles nicht schlecht, aber wenn diese Dinge in sich selbst zu Zielen werden, lenken sie vom wirklich Wichtigen ab.“

-Und wie kommt man aus diesem Teufelskreis raus?

Ich werde die Frage als Wortspiel nehmen. Man kommt dank eines Plans B heraus. Eines guten Tages 2009 war ich beim x-ten Treffen an jenem Tag. Ich erinnere mich noch genau daran, dass ich einen Kandidaten auf einen leitenden Posten für den Verkauf von Elektrowaren in einem Fernsehgeschäft hin interviewte. Wir saßen in der Cafeteria eines Luxushotels der Castellana-Straße in Madrid. Plötzlich begann ich mich sehr müde und abgeschlagen zu fühlen. Ich hatte Mühe, dem Gespräch zu folgen, mein Gehirn funktionierte normal, aber meine Gesichtsmuskulatur verlor zunehmend an Beweglichkeit, sie reagierte immer schwerfälliger. Das Ganze endete schlecht: Der arme Kandidat musste denken, ich sei ein ziemlich seltsamer Typ oder was für ein komisches Tier auch immer. Ich konnte mich gerade noch bis nach Hause schleppen, jedoch ohne die Leute, die ich im Aufzug traf, grüßen zu können. In meinem Haus angekommen warf ich mich buchstäblich auf den Gegenstand, der der Eingangstür am nächsten stand, auf das Sofa. Ich glaube, ich konnte das halbe Gesicht nicht mehr bewegen, der Mund verzog sich, ich war unfähig, mit der Zunge ein Wort zu formen. Die gesamte rechte Körperhälfte, Arm, Bein usw. begann, Lähmungserscheinungen aufzuweisen. Ich verschone dich mit weiteren Einzelheiten. Am Ende verbrachte ich 18 Tage im Krankenhaus und ca. sechs Monate brauchte ich, um die ursprüngliche Beweglichkeit wieder zu erlangen.“

-Du hattest einen Schlaganfall…

„Nein, das war eine der Diagnosen, die sie stellten, aber sofort wieder verwarfen. Danach verwarf man die Idee, es sei ein Hirntumor, und noch eine lange Liste seltener Krankheiten, bis alles sich auf eine einzige Möglichkeit reduzierte: Multiple Sklerose. Mit dieser Diagnose habe ich viele Monate, die Jahre bis heute gelebt. Man hat eigentlich immer noch nicht exakt festgestellt, was ich habe, ich werde weiterhin untersucht. Aber das ist das wenigste. Was ich bekommen habe, war ein Hinweis, dass ich nicht so weiter leben konnte, was ich nicht als Unglück interpretiere. Es war für mich eine der härtesten Erfahrungen, aber gleichzeitig eine der nützlichsten; wenn ich wählen könnte, würde ich es noch einmal durchstehen wollen.

Das Wesentliche läuft über zwei Achsen: Die erste ist die Stütze, die mir in dieser schwierigen Lage meine Frau, meine Mutter und meine Schwester geben. Und die zweite ist mein Freund Eduardo, der ins Krankenhaus kam, um mich zu besuchen. Er muss sich ungeheuer geschickt angestellt haben, denn der Eintritt war für alle verboten, ich wollte in meinem Zustand niemanden sehen. Niemand hat es denn auch geschafft, aber er war hartnäckig, und von der Vorsehung geschickt kam er bis in mein Zimmer. Ich war total gerührt und umarmte ihn. Er schenkte mir ein Exemplar des Buches ‚Die Passion Christi’ von Luis de la Palma, in das er eine Widmung schrieb, die mich ziemlich umwarf: Suche Christus, finde Christus, liebe Christus.“

-Weißt du, wer einmal dasselbe Buch mit derselben Widmung verschenkt hat?

Erst später habe ich erfahren, dass der hl. Josefmaria dasselbe Geschenk einem Architekturstudenten gemacht hat. Für mich war es der Beginn meines wirklichen Lebens. Später machte ich mit Eduardo Besinnungstage; als ich zurückkam, wollte ich Jesus unbedingt besser kennen lernen. Ich verstand nicht, wie ich vorher hatte leben können, ohne diesen Menschen, der in Jerusalem gelebt hat, zu kennen. Aus dem Internet kopierte ich eine Menge Material: Andachtsbücher, das Evangelium jeden Tages, Betrachtungen usw. Also ein Bekehrter 2.0. Nein, im Ernst. Heute spreche ich häufig mit dem Priester, der jene ersten Besinnungstage gehalten hat. Das erste, was er mir damals sagte, war: „Immer mit der Ruhe.“ Jedes Mal, wenn ich mich an ihn erinnere, erkenne ich dankbar seine Geduld.

Inzwischen kann ich nicht mehr leben ohne täglich eine Lücke für eine Weile des Gebetes rauszuschlagen. Ich versuche zur Messe zu gehen, den Rosenkranz zu beten… Ich kümmere mich um meine Freunde, opfere die Arbeit auf und versuche, sie gut zu machen und auch Zeit für die Familie zu haben. Ich würde gerne behaupten, dass ich ein guter Mitarbeiter des Opus Dei bin; sagen wir lieber, dass ich es versuche zu sein.“

-Hast du den einen oder anderen Freund verloren, weil du jetzt den Glauben ernst nimmst?

Nun, mehr als sie zu verlieren, habe ich bemerkt, wie sie sich von mir entfernen. Genau so, wie ich erlebt habe, dass viele andere sich nähern. Ich habe mehr Freunde, seit ich näher bei Gott bin, als wie ich fern von ihm war. Außerdem sind es echtere Freunde.

Es gibt Menschen, denen es nicht lieb ist, wenn jemand in ihrer Nähe den Glauben ernst nimmt. Das wird dann hart, denn du glaubst, dass alle dich verstehen werden, aber so einfach ist das nicht. Ich bete aus ganzem Herzen für sie; aber letztendlich sind sie in der Minderheit und ich verliere nicht die Hoffnung, sie doch noch zurück zu gewinnen, denn ich verstehe sie gut. Schließlich war ich so wie sie. Und wenn ich mich in ihre Lage versetze, dann würde ich wie sie sagen: „Der ist echt daneben.“