Das “Butterdrama” des Pater Doyle – 100 Jahre später

Pater Willie Doyle, ein irischer Jesuit und Militärgeistlicher, fiel vor hundert Jahren im Ersten Weltkrieg. Es folgt ein Bericht, wie der heilige Josefmaria von ihm hörte und dann sein Beispiel der Selbstverleugnung in sein Buch "Der Weg" aufnahm.

“Gemeinsam lasen wir beide das heroisch gewöhnliche Leben jenes Gottesmannes. – Wir sahen ihn Monate und Jahre hindurch (welch exakte "Buchführung" in seinem Partikularexamen) kämpfen. Beim Frühstück: heute siegte er, morgen unterlag er... Er notierte: "Keine Butter genommen..., Butter genommen!"

Wenn wir, du und ich, doch auch unser... "Butterdrama" hätten.” (Der Weg, Nr. 205).

Der “Gottesmann”, auf den sich der hl. Josefmaria in diesem Punkt aus dem Weg bezieht, war Pater Willie Doyle, ein irischer Jesuit und Militärgeistlicher. Er starb im August vor hundert Jahren während der dritten Flandernschlacht bei dem Versuch, zwei verwundete Soldaten zu retten.

William Doyle (er wurde allgemein Willie genannt) wurde am 3. März 1873 in Dublin geboren. Er war das jüngste von siebn Geschwistern. Ein bemerkenswerter Charakterzug seiner Jugendjahre war seine Hilfsbereitschaft. So stand er frühmorgens auf, um Aufgaben zu erledigen, die eigentlich Sache der Hausangestellten waren. Aus eigener Initiative brachte er den Armen seiner Heimatstadt Essen und Geld und erwies ihnen allerlei Dienste. Wenn er und sein Bruder den Armen zu Weihnachten Geldgeschenke brachten, polierte er die Münzen vorher, damit sie wie neu aussahen – eine kleine, verborgene Geste, die dem Geschenk mehr Würde gab.

Pater Willie Doyle, Jesuit und Militärpfarrer

1891 trat Doyle in den Jesuitenorden ein und empfing am 28. Juli 1907 die Priesterweihe. Eine persönliche Aufzeichnung vom Morgen seines Weihetags gibt einen Einblick in sein geistliches Leben: “Mein lieber Jesus, am Morgen meiner Priesterweihe möchte ich aus Dankbarkeit für all das, was Du für mich getan hast, in Dein heiligstes Herz den Vorsatz legen, von heute an direkt nach der Heiligkeit zu streben. Mein aufrichtiger Wunsch und fester Entschluss ist es, mit aller Kraft danach zu streben, ein Heiliger zu werden.”

Viele Jahre hielt er Exerzitien und Volksmissionen und war ein gesuchter Seelenführer. Er hatte eine besondere Liebe zu einfachen Arbeitern und Handwerkern. Er träumte davon, ein Einkehrhaus für Arbeiter zu gründen. Die Vorstellung, dass Laien und insbesondere Arbeiter an Exerzitien teilnehmen, war in Irland zu dieser Zeit eine unerhörte Neuerung. Doyle bereiste ganz Europa, um apostolische Einrichtungen für Arbeiter kennenzulernen und schrieb eine Broschüre über die Notwendigkeit von Tagen geistlicher Einkehr für Arbeiter in Irland. Allerdings verstarb er, bevor sein Traum Wirklichkeit wurde. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 bot ihm jedoch eine besondere Gelegenheit, den einfachen arbeitenden Menschen nahe zu sein, die nun Soldaten waren. Er schrieb: Es ist “eine herrliche Gelegenheit, den alten Menschen dazu zu bringen, etwas um der Liebe Christi willen zu ertragen.”

Pater Doyle als Militärpfarrer

Als Militärpfarrer hatte Pater Doyle den Dienstgrad eines Hauptmanns. Aber ungeachtet der relativen Annehmlichkeiten, die er daher hätte in Anspruch nehmen können, fand man ihn immer bei seinen Männern. Er teilte ihre Leiden. Ein Offizier schrieb: „Pater Doyle gönnte sich keine Ruhe. Er war Tag und Nacht bei uns. Wenn er einen Sterbenden oder Gefallenen fand, betreut er ihn, tröstet ihn mit einem Lächeln, fertigt dann ein kleines Kreuz an und hilft, ihn zu begraben. Und dann geht es weiter.”

Pater Doyle nahm an einigen großen Schlachten des Ersten Weltkriegs teil, darunter der Schlacht an der Somme (1916) und an der Schlacht bei Messines (1917). Am 16. August 1917, während der Dritten Flandernschlacht, geriet eine Gruppe von Soldaten zwischen den feindlichen Linien in Schwierigkeiten. Pater Doyle versuchte, ihnen beizustehen. Es scheint, dass die Soldaten und er bei dem Versuch, Schutz zu suchen, von einer deutschen Granate getroffen und getötet wurden. Sein Leichnam wurde nie gefunden.

Ein Schützengraben des Ersten Weltkriegs

Doyles Leben lässt sich aber nicht auf seine intensive pastorale Tätigkeit und seinen heldenhaften Einsatz während des Krieges beschränken. In seinem Zimmer in Dublin fand man mehrere Kartons mit Briefen und Tagebüchern. Er wollte, dass sie im Falle seines Todes, vernichtet würden. Seine Oberen hielten es allerdings für angebracht, dieses Material seinem Freund, Professor Alfred O’Rahilly, zu übergeben, der an Doyles Biographie arbeitete. Sie enthält umfangreiche Auszüge aus den Tagebüchern, erschien 1920 und wurde zu einem Bestseller, der in die wichtigsten europäischen Sprachen übersetzt wurde. 1933 las der heilige Josefmaria die spanische Übersetzung.

Der heilige Josefmaria liest die Biographie im Jahre 1933

Das Buch macht deutlich, das Pater Doyle ein Leben fast ständiger Selbstverleugnung, begleitet von einem intensiven Gebetsleben führte. Darüber führte in seinen privaten Tagebüchern genau Buch. Die Verbindung von Gebet und Abtötung war demnach die Triebfeder seines heroischen Eifers.

Pater Doyle spürte eine besondere Berufung zu einem strengen Leben. Er praktizierte Bußübungen, die an die der großen Heiligen der Geschichte erinnerten. Allerdings suchte er auch nach Möglichkeiten für das Opfer in allerlei Kleinigkeiten. Eine davon war das Bemühen, sein Brot ohne Butter zu essen. Das hat den heiligen Josefmaria besonders beeindruckt. Für Doyle war das keineswegs eine einfache Übung, und es ist bemerkenswert, wie jemand, der in der Lage war große Opfer zu bringen, dennoch mit derartigen, scheinbar kleinen Dingen zu kämpfen hatte. 1913 notierte er in seinem Tagebuch: „Während der Messe und der Danksagung hatte ich die heftige Versuchung, meinen Vorsatz aufzugeben und beim Frühstück meinem Appetit zu frönen. Der Gedanke an ein Frühstück mit trockenem Brot und Tee ohne Zucker erschien mir unerträglich. Jesus drängte mich, um Stärke zu beten, obwohl ich mich kaum dazu überwinden konnte. Aber im Refektorium verließ mich die Versuchung, und ich freute mich sehr über diesen Sieg. Ich sehe, dass ich nicht nachgeben muss, wenn ich nur um Stärke bete.”

Das "Butterdrama"

Im Jahre 1933 schrieb der heilige Josefmaria in sein Tagebuch: „Ich habe die Biographie von Pater Doyle flüchtig gelesen: Wie gut ich das Butterdrama verstehe.” Für den heiligen Josefmaria bestand sein persönliches „Butterdrama“ in dem Bemühen, seine Zeitungslektüre zu reduzieren. Wenige Tage nachdem er die Biographie von Pater Doyle gelesen hatte, begann er seine Besinnungstage. Über seinen persönlichen Kampf mit der Zeitung schreibt er: „Keine Zeitung zu lesen ist für mich meist kein geringes Opfer; trotzdem blieb ich dem Vorsatz dank der Hilfe Gottes treu, bis zur Schlussphase der Parlamentsdebatte über das Gesetz gegen die religiösen Kongregationen. Was für einen Kampf hatte ich auszutragen! Ein solches Epos kann nur verstehen, der es selbst durchgemacht hat. Manchmal siege ich, meistens werde ich besiegt.”

Es ist tröstlich zu sehen, dass Menschen wie der heilige Josefmaria und Pater Doyle mit scheinbar kleinen Dingen wie der Zeitung oder der Butter zu kämpfen hatten, aber ihre Bemühungen immer wieder von neuem aufnahmen.

Pater Doyle taucht 1938 ein weiteres Mal in den Aufzeichnungen und Predigtleitfäden des Heiligen auf. In dieser Zeit empfahl er den Mitgliedern des Opus Dei, das Leben von Pater Doyle zu lesen: „Gewohnheit: Beispiel für die kleinen Dinge. Heroische Minute: Das Butterdrama (Doyle).” Und: „Innere und äußere Abtötung. Die heroische Minute: Das Butterdrama.”

Der heilige Josefmaria in der Zeit, in der er die Biographie von Pater Doyle las.

Es ist interessant, dass frühe Übersetzungen von Punkt 205 des Weges ins Englische von einem “Marmeladen-” bzw. einem “Zucker-”Drama sprechen. Den englischen Übersetzern war es unverständlich, dass der Verzicht auf Butter ein Opfer darstellen könnte. Einem Iren ist dagegen der Verzicht auf Butter widerwärtig und stellt eine viel größere Abtötung dar, als auf Köstlichkeiten wie Marmelade oder Zucker zu verzichten.

Josemaría Escrivá war nicht der einzige Heilige, der sich für Pater Doyles Spiritualität interessierte. Auch von Mutter Teresa von Kalkutta weiß man, das sie einige seiner geistlichen Übungen übernommen hat.

Bereits vierzehn Jahre nach Pater Doyles Tod von waren über 6.000 Gebetserhörungen aus aller Welt aktenkundig, die seiner Fürsprache zugeschrieben werden. Hundert Jahre nach seinem letzten Opfer wahren ihm viele Menschen ein liebevolles Gedenken.

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Der Verfasser, Dr. Patrick Kenny, lebt mit seiner Frau und vier Töchtern in Dublin. Er betreibt einen Blog über Pater Willie Doyle (www.fatherdoyle.com) und hat kürzlich das Buch: "To Raise the Fallen: A selection of the war letters, prayers and spiritual writings of Fr Willie Doyle SJ." herausgegeben.