Und sperrt man mich ein im finsteren Kerker,
das alles sind rein vergebliche Werke;
denn meine Gedanken zerreißen die Schranken und Mauern entzwei:
die Gedanken sind frei.
Wochenlang keine Besuche und eine Ausgangssperre für Bewohner und Bewohnerinnen von Seniorenheimen: Die COVID-19 Maßnahmen wurden zum Schutz älterer Menschen eingeführt. Gleichzeitig leiden die Betroffenen unter der sozialen Isolation. Je nach mentalem Zustand wissen sie oft nicht, warum sie „eingesperrt“ sind oder plötzlich gar keine Besuche mehr bekommen. Das gilt auch für ein Seniorenheim in einem Wiener Außenbezirk, in dem wir vom Studentinnenheim Währing aus während des Semesters regelmäßig zu Besuch sind, um älteren Menschen Gesellschaft zu leisten und für sie da zu sein.
Was also tun in Corona-Zeiten? Musik hilft, dachten wir uns, auch wenn es nur mit gebührendem Mindestabstand geht.
„Die Gedanken sind frei!“ So lautet ein bekanntes Volkslied, das wir gesungen haben. Denn nicht nur die Gedanken, sondern auch die Noten sind frei! Das Lied schien perfekt für den Anlass: Wir konnten die Senioren nicht im Zimmer besuchen, wie wir es normalerweise ein paar Male pro Semester machen – und sie dürfen nicht hinausgehen. Wir standen also draußen im Hof, und unser Publikum war drinnen im Heim. Einige Senioren kamen auf den Balkon oder ans Fenster. Ein Lied folgte auf das andere: Mit dem Wiener Lied „Nein, aber nein!“ machten wir weiter. Dann luden wir die Senioren mit Liedern wie „In die Berg bin I gern“ und „Wohl ist die Welt so groß und weit“ auf eine geistig-musikalisch Wandertour in die Berge mit ein. Mit „Die Geige, sie singet“ nahm ein kleines Orchester Form an, und schließlich verabschiedeten wir uns mit dem Lied „Wohl ist die Welt so groß und weit“.
„Wir kommen wieder!“ Das haben wir versprochen. – „Bitte, möglichst bald!“, sagte daraufhin Gabi, eine 90-Jährige lebhafte Wienerin, die fast bei allen Liedern mitsingen konnte. Ihre spontane Antwort und die sichtlich gerührten Blicke der Pflegenden haben unsere Herzen mit Freude erfüllt uns gezeigt, dass die Worte „Froh zu sein bedarf es wenig“, die wir zum Aufwärmen gesungen haben, wirklich weise Worte sind.
Mit wenig Aufwand und viel Liebe haben wir offenbar große Freude bereitet. „Wenig“ kann wirklich „viel“ bedeuten! Auf ein baldiges Wiedersehen und Wiederhören!