Unser Familienleben in Coronazeiten

Richard und Maria Büchsenmeister leben in Jeging in Oberösterreich. Die beiden Supernumerarier sind als Familientrainer gefragte Referenten. Kein Wunder, haben sie doch selbst 12 Kinder. Wie man die Corona-Krise auch in einer Großfamilie bewältigen kann, erzählen sie hier. Da ist für jede Familie etwas dabei…

Jeging, 19. März 2020

Liebe Familien,

wir sind wieder(!) eine Großfamilie! Waren es bis vor einigen Tagen nur mehr vier bis maximal fünf Kinder, so hat sich das mit dem Coronavirus sehr schnell auf stattliche neun von insgesamt 12 erhöht. Wir haben zum Glück ein großes Haus, einen schönen Garten, leben am Land… Dennoch mussten wir uns zuerst einmal besinnen: Wie soll das die nächsten Wochen oder gar Monate funktionieren. Denn schon am Tag des Eintrudelns beeinflussten neue, nicht nur positive Dynamiken unser trautes und eingespieltes Familienleben. Jetzt haben wir es vom ziemlich eigenständigen Erwachsenen, über die Pubertierenden bis hin zu Kleinkindern zu tun. Ihr könnt uns glauben, da wartet noch einiges auf uns.

Was wir uns für unsere Familie überlegt haben, wollen wir gerne an Euch weitergeben. Dieser Raster ist bei uns nicht in Stein gemeißelt, sondern wird sich je nach Bedarf und Situation ändern, ergänzt usw. Wir denken, dass Ihr auf Grund Eurer speziellen Situationen vielleicht sogar einen ganz anderen Plan machen müsst.

1. Struktur des Tages

Wir haben sofort einen ganz groben Plan für unsere Familie erstellt und ihn allen mitgeteilt und dass wir das so wollen und uns auch von den erwachsenen Kindern erwarten, damit wir nicht gemeinsam verrückt werden. Das war grundsätzlich für alle einsichtig, auch wenn der eine oder die andere meinte, es besser zu wissen… Je schneller man sich als Eltern und Familie konkret einigt, umso leichter wird es angenommen. Der Vormittag ist nun straff organisiert, der Nachmittag frei.

2. Pünktlich Aufstehen, pünktlich ins Bett

So lange zu schlafen, wie man gerade will, macht bei uns immer schlechte Laune. Deswegen sitzen alle gemeinsam beim Frühstück. Diese Uhrzeit kann man verhandeln. Gerade Pubertierende möchten ein Mitspracherecht. Wir Eltern hatten hier einen Zeitrahmen abgesprochen und dann die Kinder mit einbezogen. Nun gibt es bei uns um 7:30 Frühstück. Das ist viel später als zu Schulzeiten und gleichzeitig früher als in den Ferien.

Am Abend gelten ähnliche Schlafenszeiten wie an normalen Werktagen, natürlich nach Alter verschieden. Wenn die Kleinen dann endlich im (elterlichen) Bett einschlafen, ist noch Zeit mit den größeren Kindern gemütlich zusammen zu sitzen. Eine Tasse Tee, ein Film, ein Buch, ein Gesellschaftsspiel.

3. Gemeinsame Mahlzeiten am Familientisch

Die sind bei uns auch unter normalen Bedingungen ganz wichtig. Der Familientisch ist die Werkbank der Erziehung. Hier wird gehobelt und geschliffen, es fallen Späne und man freut sich über Erfolge, teilt das Leid, streitet, lacht und vieles mehr. Man könnte fast sagen, der Familientisch ist der Altar der Familie. Je mehr um ihn herum und darauf geschieht, desto besser.

Gleichzeitig haben wir von Anfang an versucht, private Mahlzeiten, Kühlschrankplünderungen und dergleichen zu unterbinden – es hat sich bewährt. Ein gesunder Hunger und folglich die Freude auf eine gemeinsame Mahlzeit sind die Folge.

4. Einheitliche Lernzeiten

Das hat sich bereits in diesen ersten Tagen positiv ausgewirkt! Momentan leben bei uns wieder sieben Schüler und ein Student, die alle ein volles Pensum an Lernstoff bekommen haben. Gerade für die Volks- und Unterstufenschüler ist es eine große Erleichterung, dass am Vormittag alle um den Küchentisch bzw. an ihren Computern sitzen und gemeinsam lernen. Wir haben zwei Einheiten mit je 1,5 Std. festgelegt. Da herrscht eine gewisse Ruhe und niemand wird unnötig abgelenkt. Braucht einer länger, dann gibt es noch immer den Nachmittag. Ist ein Kind früher fertig, dann geht es noch nicht in den Garten, sondern beschäftigt sich still. Bücher gibt es bei uns zum Glück genug!

5. Arbeitseinsatz für alle

Nach den Mahlzeiten gilt bei uns schon lange die Regel: „Niemand verlässt die Küche, bevor sie nicht fertig ist!“ An das halten wir uns auch jetzt.

Zusätzlich haben wir einen Arbeitseinsatz ausgehandelt. Um ganz ehrlich zu sein: Hier haben wir nicht wirklich verhandelt, sondern unsere Kinder vor Tatsachen gestellt. Begonnen hat alles am Samstag mit einer harmlosen Frage: „Wer kann bitte beim Kochen helfen?“ Und wie viele unserer gut erzogenen Kinder haben sich gemeldet? Richtig geraten – keines! Da war uns klar: Wir wollen nicht wochenlang Bittsteller sein, da flippt zumindest Mutti schnell einmal aus.

Diese wäre mit harmlosen 30 Minuten Hilfe pro Tag zufrieden gewesen. Zum Glück gibt es einen Vater! Der hat sofort eine Stunde festgelegt und alle Kinder haben akzeptiert.
In der Praxis machen wir das jetzt zu Mittag: Die einen helfen beim Kochen, einer arbeitet im Garten, zwei haben sich die Fenster vorgenommen… Arbeit gibt es ja in Hülle und Fülle. Das Witzige daran: Dieses praktisch gelebte ‚Familie als Team‘ macht gute Laune! Nicht nur bei der Mutter, sonder auch bei den Kindern.

6. Genusszeiten

Ist man als Familie die ganze Zeit zusammen, dann regelt man oft nur die Pflichten und vergisst auf das Vergnügen. Das geht dann leicht unter! Schließlich hat man die Kinder ja eh den ganzen Tag…

Gerade jetzt sind unsere Vormittags- und Nachmittagsjause enorm wichtig. Da gibt es Obst, Wasser, Kaffee, Tee… Den Kleinen liest meine Frau an dieser Stelle immer etwas vor. Momentan sind wir wieder einmal mitten in ‚Den Chroniken von Narnia‘ unterwegs… Man glaubt nicht, wie wirksam das für die Beziehungspflege in unserer Familie ist. Wir verbringen miteinander eine wunderschöne, spannende Zeit und können danach darüber reden oder scherzen… Wir genießen!

Wie kriegt man auch die Pubertierenden freiwillig dazu? Unsere Lösung: Wir erpressen sie mit einer Süßigkeit. Die gibt es nur zur Jausenszeit und nur am Couch- bzw. Terrassentisch mit den anderen gemeinsam. Es ist unglaublich, wie handsam ein 19-jähriger plötzlich wird, wenn es um Schokolade geht!

Eine nette Idee von einer Kundin: „Ich führe jetzt die Online-Gute-Nacht-Geschichte mit den Großeltern ein. Mir kommt vor, die Kinder schaffen es nicht ordentlich mit den Großeltern zu telefonieren und diese brauchen aber Zeit mit den Kindern. Also wird jetzt vorgelesen, am Abend via Skype oder WhatsApp... mal schauen, ob das klappt.“

7. Auslüften

Wir haben ein großes Haus und denken voller Mitgefühl an jene, die nun in einer kleinen Wohnung leben müssen. Trotzdem: Auch wir müssen täglich raus! Daheim fällt einem so schnell die Decke auf den Kopf. Einige unserer sportlicheren Jugendlichen (Erwachsenen) haben sich vorgenommen, in der Früh schon eine Runde zu laufen. Die Kinder nutzen den Garten. Und wir Eltern? Tja, da müssen wir noch schauen. Irgendwie geht es jetzt genauso schwer wie vorher…

8. Ein neues Projekt

Diejenigen, die nur mehr halbtags arbeiten oder von Zuhause aus, haben nun mehr Zeit.
Wir wollten schon seit langem den Keller neu gestalten, vorher ausräumen und unnötige Dinge entsorgen. Das haben wir fast geschafft.

Die Wände im restlichen Haus haben schon viele Spuren unserer Kinder abgekriegt. Aus Erfahrung wissen wir, welchen Erfolg man mit den Farbresten der letzten Generalausmalerei erzielen kann. Einfach nur die schmutzigen Stellen übermalen und alles ist fast wie neu. Steht noch an!

Thema Kinderzimmer: Wie lange wollten wir schon die Kinder neu und altersgerechter in andere Zimmer aufteilen. Da braucht es oft gar keine neuen Möbel, sondern einfach einen Kasten oder Bett umgestellt, ein anderer Kasten oder Tisch vom Dachboden und fertig ist die neue Einrichtung. Und man glaubt gar nicht, was alles hinter den umgerückten Teilen zum Vorschein kommt. Einmal begonnen, wird man fast süchtig weiter zu machen…

Meine Frau redet immer wieder von den schlechten Lichtverhältnissen in den Zimmern und Vorräumen. Vielleicht bekomme ich übers Internet ein paar geeignete Leuchtkörper zum Einbauen…

Ich glaub, ich werd‘ nicht fertig… Vor Jahren habe ich mir vorgenommen, wenn es zu viel wird, die zu erledigenden Arbeiten in kleine Schritte zu zerlegen. Das werde ich jetzt auch machen. Manche Dinge ändern sich nicht…

Und noch ein wichtiges Projekt: Wir wollen beim Abendgebet wieder neu mit der Religionsbuchreihe „ Glaube und Leben“ beginnen. Diese Reihe hat uns schon bei den jetzt erwachsenen Kindern unglaublich geholfen, den Glauben gut und systematisch weiterzugeben. Das ist ganz einfach. Ich lese nur ein oder einen Teil eines Kapitels vor und die Kinder fragen und fragen und fragen und wir sind mitten im familiären Glaubensgespräch.

9. Wir Eltern machen Pausen

Das ist zumindest unser guter Vorsatz! Wir wissen, wie wichtig das wäre. Kommt man dabei doch etwas herunter und lädt seine Batterien neu auf. Gelingt uns im normalen Alltag ganz gut, aber jetzt ist immer irgendjemand da und will etwas und erzählt etwas… Dabei schiele ich voller Vorfreude auf meinen verheißungsvollen Bücherstapel…

10. Wir möchten das Gute sehen!

Das könnte man so verstehen, dass wir nicht zu viel im Internet surfen möchten und nicht unbedingt die schrecklichsten Bilder aus Italien sehen müssen.

Aber wir denken hier an die Beziehungen innerhalb der Familie. Wir haben wirklich gute Kinder und wir wissen, dass sie uns aufrichtig lieben und sie wissen das von uns auch. Trotzdem gab es in den letzten Tagen gerade mit den älteren Kindern bereits Reibungen…

Und da ist die Versuchung groß, sich an einer Sache festzubeißen. Deswegen: Wir möchten das Gute sehen! Da gibt es so vieles! Und wir dürfen erkennen, dass all diese positiven Charakterzüge, diese guten Angewohnheiten, dieser Humor, dieser Fleiß… auch eine Frucht unserer Arbeit sind.

11. Gott neu entdecken

Das fängt sicher damit an, dass wir selbst wieder mehr an ihn denken, mehr mit ihm sprechen… Aber auch als Familie wollen wir hier Altes festigen und Neues überlegen: Ein Morgengebet vor dem Frühstück, Tischgebete, der Rosenkranz, die Bibel, Gottesdienste im Internet… Es gibt so vieles!

In dieser Zeit tut es uns gut, den Sonntag besonders hervorzuheben. Nicht nur durch eine besondere Tischkultur, sondern ebenfalls durch ein festliches Gewand (auch wenn es niemand sieht) und einer Hl. Messe über Livestream.

12. Fazit

Bei einer Besinnungsstunde habe ich unlängst folgenden, für mich jetzt wichtigen Satz des heiligen Josefmaria Escrivá mitgenommen: Unsere Berufung ist es, den Alltag zu heiligen. Zu unserem Alltag gehört nun auch die aktuelle Situation rund um den Coronavirus, die geheiligt werden will…

Alles Liebe und Gute

Eure Familie
Richard und Maria Büchsenmeister

www.ehefamiliebuch.at