Die liebevolle Umarmung des Bußsakraments

In seiner Katechese bei der Generalaudienz fragt Papst Franziskus: „Wann war meine letzte Beichte? Vor zwei Tagen — zwei Wochen — zwei Jahren — zwanzig Jahren — vierzig Jahren?“

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Durch die Sakramente der christlichen Initiation – Taufe, Firmung und Eucharistie – empfängt der Mensch sein neues Leben in Christus. Dieses Leben tragen wir, wie bekannt ist, „in zerbrechlichen Gefäßen“ (2 Kor 4,7), denn wir sind noch immer der Versuchung, dem Leid und dem Tod ausgesetzt; durch unsere Sünden können wir sogar das neugewonnene Leben wieder verlieren. Deshalb hat der Herr gewollt, dass die Kirche ihr Heilswerk auch zugunsten jener Menschen fortsetzt, die ihr bereits angehören, insbesondere durch die Sakramente der Buße und der Krankensalbung, die wir unter dem Namen „Heilungssakramente“ zusammenfassen können. Das Bußsakrament ist ein Heilungssakrament. Wenn ich zur Beichte gehe, tue ich es, um mich zu heilen, meine Seele zu heilen, mein Herz zu heilen von einem Übel, das ich selbst ihm zugefügt habe. Das biblische Bild, das diese beiden Sakramente und ihren tiefen Zusammenhang am besten darstellt, ist die Geschichte der Heilung des Gelähmten, in der Jesus sich als Arzt der Seele und des Leibes zugleich offenbart (vgl. Mk 2,1-12; Mt 9,1-8; Lk 5,17-26).

1. Das Sakrament der Buße und Versöhnung entspringt unmittelbar dem Ostergeheimnis. Denn noch am Abend des Tags seiner Auferstehung erschien der Herr den Jüngern, grüßte sie mit den Worten: „Friede sei mit euch!“; hauchte sie an und sagte: „Empfangt den HeiligenGeist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben“ (Joh 20,21-23). Diese Textstelle zeigt uns die tiefere Dynamik dieses Sakraments. Erstens macht sie deutlich, dass wir uns unsere Sünden nicht selber vergeben können. Ich kann nicht einfach sagen: Ich vergebe mir meine Sünden. Um Vergebung bittet man; man erbittet sie von jemand anderem, und in der Beichte bitten wir Jesus darum. Die Vergebung ist nicht eine Folge unserer Bemühungen, sondern ein Geschenk, eine Gabe des Heiligen Geistes, der uns aus jener Quelle der Barmherzigkeit und der Gnade wäscht, die unaufhörlich aus dem Herz des gekreuzigten und auferstanden Christus fließt. Zweitens ermahnt sie uns, dass wir nur dann wirklich den Frieden finden können, wenn wir uns in unserem Herrn Jesus mit dem Vater und mit unseren Brüdern versöhnen lassen. Diese Erfahrung haben wir alle gemacht, wenn wir mit einer Last auf der Seele traurig zur Beichte gegangen sind; nachdem wir die Vergebung Jesu erhalten haben, fühlen wir den Frieden einkehren, jenen schönen Frieden der Seele, den nur Jesus allein uns geben kann.

2. Im Laufe der Zeit hat sich die Feier dieses Sakraments aus einer öffentlichen Form – denn ursprünglich bekannte man seine Sünden öffentlich – in die diskrete und persönliche Form der Beichte weiterentwickelt. Das darf jedoch nicht über den kirchlichen, gemeinschaftlichen Charakter hinwegtäuschen, der den Nährboden dieses Sakraments bildet. Die christliche Gemeinde ist der Ort, an dem sich der Heilige Geist offenbart, indem er die Herzen in der Liebe zu Gott festigt und aus den vielen Brüdern einen einzigen Leib in Jesus Christus macht. Aus diesem Grund reicht es nicht aus, im Gedanken und im Herzen Gott um Verzeihung zu bitten, sondern es ist notwendig, dass wir unsere Sünden in Demut und Vertrauen dem Priester beichten. In diesem Sakrament vertritt der Priester nicht nur Gott, sondern die ganze kirchliche Gemeinschaft, die sich in der Schwäche ihres Gliedes wiedererkennt, gerührt seinem Schuldbekenntnis zuhört, sich mit ihm wieder versöhnt, ihm Mut macht und es auf seinem Bekehrungsweg begleitet, der zugleich auch ein Weg der christlichen und menschlichen Reife ist. Manche sagen: Ich beichte direkt bei Gott. Ja, du kannst Gott um Verzeihung bitten und deine Sünden bekennen, aber unsere Sünden verletzen nicht nur Gott, sondern auch unsere Brüder und den Leib der Kirche. Deshalb ist es notwendig, dass wir unsere Brüder und die Kirche um Vergebung bitten, in der Person ihres Stellvertreters, des Priesters. „Aber, Heiliger Vater, ich schäme mich…“ Das ist gut; es tut gut, sich ein bisschen zu schämen, es ist gesund. Wenn ein Mensch sich wegen nichts schämt, sagt man in meinem Land, dass er ein „sin verguenza“ ist, ein schamloser. Sich zu schämen tut gut, denn es lehrt uns Demut, und der Priester wird ein solches Schuldbekenntnis liebevoll und zärtlich annehmen und in Gottes Namen vergeben. Auch rein menschlich betrachtet tut es gut, mit einem anderen über diese Dinge zu reden, die mein Gewissen so sehr belasten. Man spürt, dass man vor Gott, vor der Kirche, vor einem Bruder sein Herz ausschüttet. Habt keine Angst vor der Beichte! Wenn man vor dem Beichtstuhl ansteht und wartet, empfindet man all diese Dinge, auch Scham; aber wenn man dann nach der Beichte den Beichtstuhl wieder verlässt, ist man frei, groß, schön, versöhnt, rein, voller Freude. Das ist das Schöne an der Beichte! Ich will euch fragen – aber antwortet jetzt bitte nicht laut; jeder soll sich selbst im Stillen die Antwort geben –: Wann hast du zuletzt gebeichtet? Denkt bitte darüber nach… Wie lange ist es her? Zwei Tage, zwei Wochen, zwei Jahre, zwanzig Jahre, vierzig Jahre? Und wenn es lange her ist, dann geh, warte nicht einen Tag länger, denn der Priester wird gut zu dir sein. Denn Jesus selbst wartet auf dich, und Jesus ist von Herzen gut; Jesus empfängt dich, er empfängt dich voller Liebe. Sei mutig und geh zur Beichte.

3. Liebe Freunde, das Bußsakrament feiern bedeutet, in einer liebevollen Umarmung zu sein: die Umarmung der unendlich großen Barmherzigkeit des Vaters. Denken wir an jene schöne, schöne Geschichte des Sohns, der sich seine Erbschaft auszahlen lässt und damit das Haus seines Vaters verlässt. Er verschleudert sein ganzes Geld und kehrt dann, als er nichts mehr besitzt, wieder nach Hause, um dort nicht als Sohn, sondern als Knecht zu leben. Er hatte eine große Schuld auf seinem Herzen und schämte sich sehr. Die Überraschung kam, als er anfing, mit seinem Vater zu sprechen und ihn um Vergebung zu bitten: Der Vater ließ ihn gar nicht ausreden, sondern umarmte ihn, küsste ihn und ordnete ein Fest an. Ich sage euch: Immer, wenn wir beichten, umarmt Gott uns und richtet ein Fest für uns an! Lasst uns auf diesem Weg voranschreiten. Gott segne euch!

[Aus dem Italienischen übersetzt von Alexander Wagensommer]

Quelle: https://www.zenit.org/de/

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