Brief des Prälaten (Februar 2008)

Bischof Echevarria ruft uns dazu auf, die Fastenzeit mit Optimismus und dem Wunsch nach Bekehrung zu begehen, um so an Gottes Freude teilzuhaben.

Die Fastenzeit steht vor der Tür, eine Zeit, in der die Kirche als gute Mutter ihre Kinder an die Notwendigkeit erinnert, uns immer wieder zu Gott zu bekehren und zu begradigen, was in unserem Leben geändert werden muß. Gewiß darf sich, wie der Papst bei einer ähnlichen Gelegenheit sagte, „dieser Weg der dem Evangelium entsprechenden Umkehr nicht auf eine besondere Periode des Jahres beschränken: Es ist ein Weg, der jeden Tag zu gehen ist, der den ganzen Bogen der Existenz, jeden Tag unseres Lebens umfassen muß“(1).

Die Worte, die der Priester während der Liturgie des Aschermittwochs bei der Auflegung der Asche spricht, stellen einen drängenden Aufruf zur Gewissenserforschung dar: Bedenke, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst(2). Das ist eine aussagekräftige Erinnerung daran, daß wir sterbliche Geschöpfe sind und einst der Augenblick kommen wird, in dem Gott uns in seine Gegenwart ruft, um unsere Gedanken, Worte und Werke zu richten und uns den Lohn zu geben, den unser Leben verdient, sei es die ewige Herrlichkeit, die Läuterung oder die Verdammung.

Die Betrachtung dieser Wirklichkeit sollte uns nicht erschrecken, sondern uns Schmerz über unsere Fehler empfinden und Vorsätze zur Besserung fassen lassen und auch Vorfreude auf die endgültige Begegnung mit der Dreifaltigkeit hervorrufen. In seiner letzten Enzyklika erinnert der Heilige Vater daran: „Der Ausblick auf das Gericht hat die Christenheit von frühesten Zeiten an als Maßstab des gegenwärtigen Lebens, als Forderung an ihr Gewissen und zugleich als Hoffnung auf Gottes Gerechtigkeit bis in das alltägliche Leben hinein bestimmt.3

Dieser Gedanke zeigt sich in einem anderen Satz, der bei diesem Ritus gesprochen werden kann: Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium4. Wir sind Sünder und brauchen Gottes Vergebung; daher werden wir aufgefordert, umzukehren und unsere irdischen Schritte auf das ewige Ziel, die ewige Glückseligkeit mit Gott, auszurichten. Es ist mein Wunsch, daß wir mit Optimismus in diesen Worten die Einladung erkennen, uns jeden Tag zu bessern; wenn wir diesen Kampf aufrechterhalten, wird der göttliche Richter „kein Richter im strengen Sinne des Wortes sein, sondern einfach Jesus“5, „unser“ Jesus, ein Gott, der verzeiht.

Betrachten wir also, was der heilige Josefmaria einmal schrieb: „Betrachtet die Sorge des Herrn um uns: Er ist immer bereit, uns zu erhören, er ist immer offen für das Wort des Menschen. Er ist immer für uns da, aber besonders jetzt, da unser Herz willig ist und entschlossen, sich zu läutern, wird er die Bitten eines zerknirschten und demütigen Herzens (Ps 50, 19) nicht verschmähen.“6

Als gute und erfahrene Erzieherin stellt uns die Kirche ein ums andere Mal die Grundlagen der christlichen Lehre vor Augen, damit sie sich uns einprägen und wir sie nicht vergessen. Zu Beginn der Fastenzeit lädt uns der Priester während des Ritus des Aschermittwochs zu einem Gesang voller Hoffnung ein: Laßt uns umkehren zum Herrn, unserem Gott, denn er ist gnädig und barmherzig und langmütig. Groß ist seine Güte, und es reut ihn, daß er Unheil verhängt hat7.

Jedes Jahr betrachten wir von neuem, wie der Geist der Fastenzeit in drei praktischen Traditionen dieser Wochen zum Ausdruck kommt: in Gebet, Buße und Werken der Barmherzigkeit. Gerade anläßlich dieser liturgischen Zeit habe ich Euch eingeladen, diesen Aspekten eure Aufmerksamkeit zu schenken. Jetzt möchte ich mein Augenmerk auf den Geist der Buße lenken, der uns bewegen soll, für unsere Sünden und die aller Menschen zu sühnen, und das voller Schmerz und indem wir unsere Zuflucht zur göttlichen Barmherzigkeit nehmen.

Der heilige Hieronymus kommentierte den Aufruf des Propheten Joël zur Reue – „Kehrt um zu mir von ganzem Herzen“8, den die Liturgie zu Beginn der Fastenzeit an uns richtet, auf folgende Weise: „Eure innerliche Buße zeige sich durch Fasten, Weinen und Klagen. So werdet ihr, wenn ihr in dieser Zeit fastet, danach gesättigt werden; wenn ihr jetzt weint, werdet ihr später lachen können; wenn ihr jetzt klagt, werdet ihr später getröstet werden (…). Zweifelt nicht an der Vergebung, denn so groß auch eure Schuld sein mag, die Größe seines Erbarmens wird eure vielen Sünden sicher vergeben.“9

An erster Stelle wollen wir für unsere eigenen Fehler Buße leisten. Wir alle haben die Taufe empfangen, die uns zu Kindern Gottes und Gliedern des Mystischen Leibes Christi, der Kirche, gemacht. Ist es nicht selbstverständlich, daß wir so viel Liebe aus ganzem Herzen erwidern? Und trotzdem müssen wir zugeben, daß wir den Willen Gottes oft aus Schwäche nicht erfüllt haben oder zumindest seiner Liebe nicht mit der Schnelligkeit und der Großzügigkeit entsprochen haben, die er mit Recht von uns erwarten kann.

Wie sehr schmerzte es unseren Vater, daß viele Christen die Größe und Würde ihrer Gotteskindschaft vergessen! Wir können seine Worte auch auf uns anwenden. „Reagiere sofort. – Höre die Stimme des Heiligen Geistes: »Si inimicus meus maledixisset mihi, sustinuissem utique« – wenn mein Feind mich beleidigt, so wundert mich das nicht, und es ist leicht zu ertragen. Aber du … »tu vero homo unanimis, dux meus, et notus meus, qui simul mecum dulces capiebas cibos« – du, mein Freund, mein Apostel, der du dich mit mir an den Tisch setzt und herrliche Gerichte kostest!“10

Meine Töchter und Söhne, ohne je den Frieden zu verlieren, sollten wir ohne Umschweife unsere Sünden und Fehler anerkennen, denn Gott ist Vater, Vater durch und durch, immer bereit, uns in seine Arme zu nehmen. Nehmen wir uns täglich einige Minuten zur Gewissenserforschung – ohne Skrupel, jedoch mit einem feinfühligen Gewissen –, um mit dem Licht des Heiligen Geistes zu entdecken, was gut war, was schlecht war und was wir besser machen könnten. Laßt uns dankbar sein angesichts des Guten; bitten wir angesichts der Fehler kindlich um Verzeihung; und schließen wir immer mit einem Akt der Reue – Schmerz aus Liebe – und mit einem konkreten Vorsatz, der vielleicht klein ist, der aber aus dem ernsthaften Bestreben nach innerem Wachstum entspringt.

Wenn wir dann zur Beichte gehen, sind wir gut vorbereitet und werden einen größeren geistlichen Nutzen daraus ziehen. Sind wir uns bewußt, daß wir bei der Gewissenserforschung, diesem traditionellen christlichen Mittel, unsere Seele vor Gott offenlegen? Machen wir uns auch bewußt, daß Gott bereit ist, uns seine Gnade zu schenken, damit wir ihn mehr lieben?

Die Kirche hat seit jeher die Praxis der häufigen Beichte angeraten und tut es weiterhin. Ohne dieses Mittel der persönlichen Heiligung ist es sehr schwer – um nicht zu sagen, unmöglich –, das christliche Leben auf einem hohen Niveau zu halten; besonders, wenn unser Umfeld viele Gelegenheiten, uns von Gott zu entfernen, bereithält. Ich werde daher nicht müde, Euch zu ermuntern, weiterhin ein intensives und extensives Apostolat der Beichte zu verwirklichen. Geben wir nicht der Menschenfurcht nach, sondern wecken wir auch in unseren Freunden, Verwandten und Kollegen den Eifer, den Menschen ihrer Umgebung in diesem Sinne zu helfen.

Ratet allen – auch dadurch, daß sie an uns sehen, wovon wir innerlich überzeugt sind –, die reiche Gnade der Fastenzeit auszunutzen, um ihre Seele gründlich zu läutern und den innigen Umgang mit Gott neu zu entdecken oder zu intensivieren. Sie werden Frieden finden und glücklicher sein, denn es gibt keine größere Freude, als zu wissen, daß man ein Kind Gottes ist. Arbeiten wir darauf hin, daß sie regelmäßig zu diesem Sakrament der Freude gehen, wie unser Vater es nannte.

Ich habe auch von der Notwendigkeit gesprochen, um Verzeihung für die Sünden der anderen zu bitten. Dazu sind keine großen Dinge nötig. Das Große hat unser Herr Jesus Christus bereits getan, als er am Kreuz für uns starb. Aber er möchte, daß wir seinem Erlösungsopfer unsere kleinen Abtötungen und Bußwerke hinzufügen, die das Leben mit sich bringt: die Beschwernisse einer Krankheit, das Unverständnis seitens anderer, die Schwierigkeiten in der Arbeit, das Scheitern eines Planes, den wir mit großer Vorfreude geschmiedet hatten … Um die Widrigkeiten dieser Art, die das Material unserer persönlichen Heiligung sind, mit guter Laune zu tragen, ist es angebracht, vor allem während dieser Wochen großzügig kleine Abtötungen beim Essen und Trinken, hinsichtlich der Bequemlichkeit, bei der Erholung oder der Entspannung hinzuzufügen. Sie verbinden uns mehr mit dem Kreuz Jesu und bereiten uns darauf vor, aus dem Osterfest viel Frucht zu ziehen.

Vor kurzem hat Benedikt XVI. alle an die Gültigkeit dieser Haltung erinnert. In seiner Enzyklika über die Hoffnung schreibt er: „Zu einer heute vielleicht weniger praktizierten, aber vor nicht allzu langer Zeit noch sehr verbreiteten Weise der Frömmigkeit gehörte der Gedanke, man könne die kleinen Mühen des Alltags, die uns immer wieder einmal wie mehr oder weniger empfindliche Nadelstiche treffen, "aufopfern" und ihnen dadurch Sinn verleihen.11

Und der Papst fügt im Gedanken daran, daß diese Zeichen der Liebe zu Gott in Vergessenheit zu geraten scheinen, hinzu, daß fromme Seelen immer davon überzeugt waren, daß sie mittels der Aufopferung der Widrigkeiten des „Tages ihre kleinen Mühen in das große Mitleiden Christi hineinlegen konnten, so daß sie irgendwie zu dem Schatz des Mitleids gehörten, dessen die Menschheit bedarf.12 Und er sagt abschließend: „Vielleicht sollten wir doch fragen, ob solches nicht auch für uns wieder zu einer sinnvollen Möglichkeit werden kann.“13

Diese Frage gebe ich an Euch weiter, damit jeder sie im Gebet erwäge und so den Wert des „verborgenen und schweigenden Opfers“14 wiederentdecke. Und daß ihr sie auch den Menschen, denen ihr begegnet, stellt.

Wie jeden Monat bitte ich Euch, sehr vereint mit meinen Anliegen zu sein. Empfehlt jetzt besonders den Beginn der apostolischen Arbeit in Rumänien und in Indonesien; es werden zur Zeit konkrete Schritte unternommen, damit sie, wenn Gott will, wirklich innerhalb dieses Jahres beginnt. Und betet weiter für den Papst und seine Anliegen, unter denen der Wunsch nach der Einheit aller Christen, die auf einer tieferen und übernatürlicheren Einheit unter den Katholiken aufbaut, einen wichtigen Platz einnimmt.

Es liegt mir auch am Herzen, daß wir Gott täglich die Kranken anempfehlen. Er gewährt uns wahrhaft in reichem Maß den Schatz, uns um so viele kümmern zu können, die leiden. Mir liegt daran, daß wir uns alle nach dem Beispiel Christi, der den Kranken folgte, um sie zu heilen und zu trösten, durch unsere Sorge um sie den Reichtum einer wahren Nächstenliebe, die auch menschliche Zuneigung ist, zu eigen machen.

Ich möchte zum Schluß kommen, nicht ohne Euch zu bitten, Euch an unseren geliebten Don Alvaro zu wenden, der am 19. Februar seinen Namenstag feiert. Bitten wir ihn, daß er uns vom Herrn überreiche brüderliche Liebe schenken möge, so daß alle im Werk ganz lebendig spüren, daß das Opus Dei eine Familie im tiefsten Sinne des Wortes ist, in der sich alle bis zum Letzten füreinander einsetzen – und das in jedem Augenblick und mehr noch, wenn jemand krank ist.

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(1) Benedikt XVI., Ansprache bei der Generalaudienz, 21.2.2007

(2) Meßbuch, Aschermittwoch, Auflegung der Asche (vgl. Gen 3, 19)

(3) Benedikt XVI., Enz. Spe salvi, 30.11.2007, Nr. 41

(4) Meßbuch, Aschermittwoch, Auflegung der Asche (vgl. Mk 1, 15)

(5) Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 168

(6) Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 57

(7) Meßbuch, Aschermittwoch, Antiphon bei der Auflegung der Asche (vgl. Joël 2, 13)

(8) Meßbuch, Aschermittwoch, Erste Lesung (Joël 2, 12)

(9) Hl. Hieronymus, Kommentar zum Buch des Propheten Joël II, 12-13

(10) Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 244

(11) Benedikt XVI., Enz. Spe salvi, 30.11.2007, Nr. 40

(12) Ebd.

(13) Ebd.

(14) Vgl. Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 185 und 509