Betrachtungstext: 8. Sonntag im Jahreskreis (C)

Die Bedeutung der apostolischen Bildung. - Zuerst auf die eigenen Fehler schauen. - Reinige unser Herz, damit es gute Früchte bringt.

KANN ETWA ein Blinder einen Blinden führen? - stellt Jesus in seiner Predigt die rhetorische Frage: Werden nicht beide in eine Grube fallen? (Lk 6,39). Wenn wir uns daran erinnern, dass der Herr auch gesagt hat, dass das Auge die Leuchte des Leibes ist (vgl. Mt 6,22), erhält diese Lehre eine wichtige Bedeutung für unsere apostolische Aufgabe.

Es reicht nicht aus, wenn ein Blinder von einem anderen Blinden geführt wird, selbst wenn dieser die großzügige Absicht hat; versiegelte Augen brauchen weise Augen, die den Weg klar sehen können. Und das Wissen, das nötig ist, um andere zu leiten, entsteht nicht von selbst: Der Heilige Geist, der uns beisteht, stützt sich auch auf unsere eigene Vorbereitung, um die Sendung zu erfüllen. Der Horizont des Glaubens, der uns befähigt, andere mit Weisheit zu führen, wird durch eine entsprechende Ausbildung erworben. So drückt es der Prophet Jesaja aus: discite benefacere (Jes 1,17), lernt, Gutes zu tun;es nützt eine wunderbare und heilsame Lehre nichts, wenn es keine geschulten Menschen gibt, die sie in die Tat umsetzen1.

Persönliche Bildung entsteht nicht aus dem Stegreif, sie erfordert Zeit und Hingabe. Wir müssen stets den Wunsch wachhalten, unseren Glauben besser kennen zu lernen. Diese offene und jugendliche Haltung kann nur mit einer gewissen Demut des Herzens aufrechterhalten werden. Wir sind nie fertige "Meister", denn wir bleiben immer "Jünger". Ein guter Lehrer ist derjenige, der nie aufhört zu lernen; der beste Führer ist derjenige, der sich selbst führen lässt. Viele dieser blinden Führer (Mt 23,16) sind also solche, die in Unkenntnis ihrer eigenen Grenzen meinen, niemand könne sie etwas Neues lehren. Am Ende seines Lebens erklärte der heilige Josefmaria dies mit weisen Worten: Wir sagen nie, es reicht. Unsere Bildung hört niemals auf: Alles, was ihr bisher an Bildung erhalten habt, ist die Grundlage für das, was später kommen wird2. Vor allem können wir das fortschreitende Wirken des Heiligen Geistes in unserer Seele, der sie mit der Seinsweise Jesu Christi zu identifizieren sucht, niemals als abgeschlossen betrachten.

IN EINEM ZWEITEN Gleichnis verwendet der Herr erneut die Metapher des Auges. Diesmal wird das Auge durch einen Fremdkörper gereizt, der das Sehen unangenehm macht. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht? (Lk 6,41). Jesus unterstreicht die Notwendigkeit der persönlichen Läuterung, um vor allem unser eigenes Herz klar zu sehen und dann auch die anderen sehen zu können. Es ist nicht schwer, in die Gefahr zu geraten, die eigene Unvollkommenheit ‒ den Balken ‒ zu rechtfertigen und gleichzeitig den ‒ vielleicht unbedeutenden ‒ Fehler eines anderen ‒ den kleinen Fleck ‒ zu verurteilen: ‘Es scheint in der Tat, dass die Selbsterkenntnis die schwierigste von allen ist’, sagt der heilige Basilius. Sogar das Auge, das die äußeren Dinge sieht, sieht sich selbst nicht; und unser eigener Verstand, der schnell die Sünde eines anderen beurteilt, ist langsam, seine eigenen Fehler zu erkennen3. Christus gibt da genau die richtige Reihenfolge an, um die Dinge recht zu sehen: Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen (Lk 6,42).

Wie können wir vermeiden, dass wir in ein Urteil über die Fehler anderer abgleiten? Der heilige Augustinus bietet eine einfache Lösung an und beginnt mit der Frage: Sind wir nie in diesen Fehler verfallen? Sind wir jemals davon geheilt worden? Selbst wenn wir es nie getan hätten, sollten wir uns daran erinnern, dass wir Menschen sind und dass wir darin verwickelt sein könnten4. Der Herr schlägt vor, dass wir, bevor wir andere beurteilen, nach innen schauen, unsere Schwächen erkennen und die heikle Aufgabe des Urteilens Gott überlassen. Der erste Schritt besteht also darin, den Herrn um die Gnade der Bekehrung zu bitten (...). Wie viele Dinge können wir über uns selbst sagen? Ersparen wir uns die Kommentare über andere und kommentieren wir uns selbst. Das ist der erste Schritt auf dem Weg zur Großzügigkeit5.

EIN DRITTES kurzes Gleichnis, das wir im Evangelium finden, lautet so: Es gibt keinen guten Baum, der schlechte Früchte bringt, noch einen schlechten Baum, der gute Früchte bringt. Denn jeden Baum erkennt man an seinen Früchten: Von den Disteln pflückt man keine Feigen und vom Dornstrauch erntet man keine Trauben (Lk 6,43-44). Im Zusammenhang mit seiner Lehre über die Reinheit der Absicht betont der Herr, dass alle unsere Taten ihren Ursprung im Herzen haben. So wie die Früchte uns den Baum zeigen, von dem sie stammen, so offenbaren die Werke die Tiefen der Seele. Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor und der böse Mensch bringt aus dem bösen das Böse hervor (Lk 6,45). Jenseits der äußeren Erscheinungsformen sind es die inneren Dispositionen, die wirklich entscheidend sind. Der Wert unseres Handelns wird im Herzen bestimmt, das, wie der Katechismus der Kirche es nennt, der Ort der Entscheidung und der Ort der Wahrheit6 ist.

So entdeckt man den Unrat eines Menschen in seinem Denken, (...) so [bringt] das Wort die Gedanken des Herzens [zum Vorschein] (Jesus Sirach 27,4-6), sagt die Heilige Schrift. Und Jesus fügt hinzu: Denn wovon das Herz überfließt, davon spricht sein Mund (Lk 6,45). Das ist etwas, das unserer Erfahrung entspricht. Es genügt, auf unsere Gespräche zu achten, um zu erkennen, was wir im Herzen tragen, was uns beunruhigt oder mit Freude erfüllt. Wenn wir also über unsere Gespräche nachdenken, können wir Egoismus, Ressentiments oder Neid entdecken, die unser Herz nicht erhellen.

Die heilige Maria behielt die Worte und Gesten ihres Sohnes bei sich in ihrem Inneren; daher kamen von ihren Lippen nur tröstende Aussagen für die Menschen um sie herum. Sie kann uns helfen, uns nach den Lehren Jesu besser zu bilden und andere nicht zu verurteilen, sondern uns an den Gaben zu erfreuen, die Gott ihnen geschenkt hat.


1 Hl. Josefmaria, Briefe 11, Nr. 19.

2 Hl. Josefmaria, Notizen aus einem Familientreffen, 18-VI-1972.

3 Hl. Basilius, in Catena aurea, Kommentar zu Lk 6, 39-42.

4 Hl. Augustinus, Über die Bergpredigt, 19.

5 Papst Franziskus, Tagesmeditation, 13-IX-2013.

6 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2563.