Betrachtungstext: 6. Osterwoche – Sonntag (A)

Die göttliche Einwohnung in der Seele – Der Heilige Geist und der Friede – Mit dem Feuer des Heiligen Geistes

(provisorische Übersetzung)

DIE OSTERZEIT neigt sich ihrem Ende zu. In diesen Wochen haben wir uns an einige Begegnungen des auferstandenen Christus mit den Aposteln und den heiligen Frauen erinnert. Himmelfahrt und Pfingsten rücken näher, und die Kirche lädt uns ein, uns innerlich auf diese beiden Hochfeste vorzubereiten. Im Evangelium hören wir die Abschiedsworte Jesu beim Letzten Abendmahl: Noch eine kleine Weile und die Welt wird mich nicht mehr sehen, ihr aber werdet mich sehen, denn ich lebe und ihr werdet leben. An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass ich im Vater bin und ihr in mir und ich in euch (Joh 14,19-20).

Jesus offenbart die Unermesslichkeit der Liebe Gottes und das Geheimnis der göttlichen Einwohnung in der Seele: Wir sind dazu berufen, Tempel und Wohnung der Heiligen Dreifaltigkeit zu sein. Der heilige Johannes Paul II. betonte: „Welch höheren Grad der Gemeinschaft mit Gott könnte der Mensch anstreben, welch größeren Beweis könnte Gott dafür erbringen, dass er in die Gemeinschaft mit dem Menschen eintreten will, als diesen? Die ganze jahrtausendealte Geschichte der christlichen Mystik kann uns – bei all den erhabenen Ausdrucksweisen, die sie hervorgebracht hat – nur unvollkommen von dieser unaussprechlichen Gegenwart Gottes im Innersten der Seele künden.“1

Gott offenbart uns seine Nähe. Er begnügt sich nicht damit, bei uns zu sein: Er will in uns sein und unsere Herzen mit seiner Gegenwart erfüllen. „Gott ist mitten unter uns, gegenwärtig, lebendig“, schrieb der heilige Josefmaria, „er sieht uns, er hört uns, er leitet uns an und schaut auf unsere kleinsten Handlungen, unsere verborgensten Absichten.“2 Sich oft seiner zu erinnern, wird uns helfen, seine Gegenwart zu erfahren und in den kleinen und großen Dingen unseres Lebens treu zu sein. Der heilige Josefmaria verspricht: „Wenn du in dieser Vertrautheit mit ihm umgehst, wirst du ein guter Sohn Gottes und ein großer Freund von ihm werden: auf der Straße, auf den Plätzen, in deinen Geschäften, in deinem Beruf, in deinem gewöhnlichen Leben.“3


WENN IHR MICH LIEBT, werdet ihr meine Gebote halten; und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der immer bei euch sein wird, den Geist der Wahrheit (Joh 14,15-17). Die Kirche entspringt dem Ostergeheimnis Christi und wird vom Heiligen Geist stets geleitet und belebt. Auf ihrer Reise durch die Geschichte hört die dritte Person der Dreifaltigkeit nie auf, ihr beizustehen, trotz der Schwächen des Menschen.

Die Apostel waren angesichts des bevorstehenden Fortgangs Jesu wohl beunruhigt. Der Kontrast zwischen der Größe der ihnen anvertrauten Aufgabe und ihren Fähigkeiten war immens: Wie sollten sie den Auftrag erfüllen, sein Wort in die Welt hinauszutragen? Deshalb sucht Jesus seine Jünger zu beruhigen, nachdem er ihnen die Aussendung des Heiligen Geistes angekündigt hat: Den Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz verzage nicht und lasse sich nicht beunruhigen (Joh 14,27).

Mit dem Heiligen Geist schenkt Jesus ihnen den Frieden. Einen Frieden, der eine Gabe Gottes ist und daher über das hinausgeht, was wir mit menschlicher Kraft allein erreichen können. Oft herrscht auf Erden, wie der Gründer des Opus Dei sagte, „nur ein Scheinfrieden: ein Gleichgewicht der Angst, fragwürdige Kompromisse“4. Der Friede, den der Herr uns schenkt, ist hingegen vor allem die Folge der Liebe, die der Heilige Geist in unsere Herzen ausgießt (vgl. Röm 5,5). „Der Friede des Herrn", erläutert Papst Franziskus, „folgt dem Weg der Sanftmut und des Kreuzes: Er bedeutet, sich der anderen anzunehmen. Denn Christus hat unser Übel, unsere Sünde und unseren Tod, auf sich genommen. Er hat all das an sich genommen. So hat er uns befreit. Er hat für uns bezahlt. Sein Friede ist nicht Frucht irgendeiner Übereinkunft, sondern entspringt der Gabe seiner selbst.“5


ALS DIE APOSTEL erfuhren, dass die Samariter zwar das Wort Gottes gehört, aber den göttlichen Beistand noch nicht empfangen hatten, sandten sie Petrus und Johannes zu ihnen. Als sie ankamen, beteten sie für sie, damit sie den Heiligen Geist empfingen; denn er war noch auf keinen von ihnen herabgekommen, sondern sie waren nur auf den Namen des Herrn Jesus getauft. Dann legten sie ihnen die Hände auf und sie empfingen den Heiligen Geist (Apg 8,15-17).

Dieser ständig erneuerte missionarische Schwung zieht sich durch die gesamte Geschichte der Kirche. Und er ist ein Grund zur Hoffnung bei der Aufgabe der Evangelisierung, in die auch wir eingetaucht sind. Der Heilige Geist ist dabei unermüdlich tätig, wie Papst Benedikt aufzeigte: „Der Geist begleitet die Kirche auf dem langen Weg zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen Christi: Ich gehe weg und komme zu euch zurück (Joh 14,28), sagte Jesus zu den Aposteln. Zwischen dem ,Fortgehen‘ und dem ,Wiederkommen‘ Christi liegt die Zeit der Kirche, die sein Leib ist. (...). ,Zeit der Kirche, Zeit des Heiligen Geistes‘: Er ist der Meister, der die Jünger formt: Er entzündet in ihnen die Liebe zu Jesus; er erzieht sie zum Hören auf sein Wort, zur Betrachtung seines Antlitzes.“6

In den ersten Jahren seines Priestertums verwendete der heilige Josefmaria Heiligenbildchen, um in seinem Brevier verschiedene Stellen zu kennzeichnen. Eines Tages hatte er den Eindruck, dass sie ihm ans Herz gewachsen waren, trennte sich von den Bildchen und legte statt dessen Zettel ein, auf die er später schrieb: Ure igne Sancti Spiritus! Brenne mit dem Feuer des Heiligen Geistes! „Ich habe sie lange benutzt“, erinnerte er sich, „und jedesmal, wenn ich sie sah, war mir, als sagte ich zum Heiligen Geist: Entzünde mich, lass mich brennen!“7 Mit dem gleichen Verlangen und mit Maria im Gebet verharrend (vgl. Apg 1,14) bereiten wir uns darauf vor, den Heiligen Geist in unseren Herzen zu empfangen. So werden wir, entzündet in unserer Liebe zu Gott und zu den anderen, allen Menschen die göttliche Wärme bringen, wie es die Apostel taten.


1 Hl. Johannes Paul II., Predigt, 5.5.1986.

2 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 658.

3 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen von einem Treffen, 17.11.1972.

4 Hl Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 73.

5 Franziskus, Audienz, 13.4.2022.

6 Benedikt XVI., Predigt, 13.5.2007.

7 Salvador Bernal, Msgr. Josemaría Escrivá de Balaguer, Aufzeichnungen über den Gründer des Opus Dei, Adamas Verlag 1978, S. 319.