Betrachtungstext: 5. Osterwoche – Freitag

Das Geschenk, von Gott geliebt zu werden – Jesus bleibt uns nahe – Jede Sendung ist eine Sendung des Dienstes

IM LAUFE der Jahre werden die Apostel zurückblicken und sich an Jesu Worte beim Letzten Abendmahl erinnern. Jetzt im Abendmahlssaal werden ihnen viele Abenteuer der letzten drei Jahre weit zurückliegend, ja sogar unwichtig erscheinen, weil sie zu ahnen beginnen, dass der Herr sie für etwas Größeres haben wollte. Ihr Leben wird einen tieferen Sinn, einen größeren Wirkungskreis erlangen: die ganze Welt. Die Worte des Herrn würden sich ihren Seelen für immer einbrennen: Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage (Joh 15,14). Freunde des Gottessohnes selbst! Es war vielleicht schwer zu glauben, aber es war wahr. Der Herr würde sofort bekräftigen, dass niemand eine größere Liebe hat als der, der sein Leben für seine Freunde hingibt. Und genau das hat Jesus für uns getan: Er sieht uns als seine Freunde an und schenkt uns sein Leben, insbesondere im Schatz der Sakramente. Deshalb sprechen wir von „Gnade“, weil es ein unverdientes Geschenk ist. In uns bricht eine Antwort totalen Vertrauens auf, sobald wir, mit Worten Papst Benedikts, zumindest einen Schimmer von „der bedingungslosen und ,leidenschaftlichen‘ Liebe Gottes für uns, die sich voll und ganz in Jesus Christus zeigt,“1 einfangen.

Wir glauben an die Liebe des Herrn zu jeder einzelnen, zu jedem einzelnen von uns. Dies macht unser Leben schön, gibt ihm einen Sinn, eine Richtung und ein Fundament. Es erlaubt uns, unser Leben glücklich und heilig zu färben. Und es weitet sich im Laufe der Jahre aus. Das Echo der Stimme Christi im Abendmahlssaal lässt uns bis heute immer wieder zur Gewissheit dieser Liebe zurückkehren. Der heilige Josefmaria schrieb: „Es ist nicht so schwer zu ahnen, was das Herz Jesu Christi an jenem Abend empfand, dem letzten, den er vor seinem Opfer auf dem Kalvarienberg mit den Seinen verbrachte. Vergegenwärtigt euch einmal eine so menschliche Erfahrung wie den Abschied zweier Menschen, die sich lieben. Sie möchten für immer zusammen bleiben, aber die Pflicht, irgendeine Pflicht zwingt sie, auseinander zu gehen. Am liebsten würden sie sich niemals trennen, aber es steht nicht in ihrer Macht. Da die Liebe des Menschen, mag sie auch noch so groß sein, auf Grenzen stößt, muss sie sich hier mit Zeichen helfen, etwa mit einem Foto und darunter eine so glühende Widmung, dass man meinen könnte, das Papier müsse in Flammen aufgehen. Mehr können sie nicht tun, denn das Tun der Menschen reicht nicht so weit wie ihr Wollen. Doch der Herr kann, was wir nicht können. Jesus Christus, vollkommener Gott und vollkommener Mensch, hinterlässt uns nicht ein Zeichen, sondern eine Wirklichkeit: Er selbst ist es, der bleibt.“2


JEDER KANN sich an den Moment erinnern, in dem Christus kräftiger in sein Leben eingetreten ist, ab dem es nicht mehr möglich war, ohne ihn zu sein. Für jeden Christen ist die Gemeinschaft mit dem Herrn, die uns niemals fehlen wird, der Ausgangspunkt der apostolischen Sendung. Petrus, Johannes, Judas, Thaddäus, Jakobus, Philippus ... Alle Apostel begreifen, dass diese Sendung mit ihrem weiten Horizont der Grund ihres Lebens ist. Sie können die Freude über die Freundschaft und die Erwählung von Christus nicht verbergen. Sie werden sich auf staubige Straßen begeben und Meere bei Sturm und günstiger Witterung durchpflügen, sie werden verfolgt werden und Zeugen von Bekehrungen sein ... Das alles wird sich lohnen, denn nichts wird sie von der Liebe Gottes trennen.

Papst Franziskus predigte: „Als Jesus im Evangelium die Jünger aussendet, täuscht er sie nicht mit Vorspiegelungen von leichtem Erfolg. Im Gegenteil, er warnt sie ausdrücklich, dass die Verkündigung des Reiches Gottes immer Widerspruch mit sich bringt. (...). Die einzige Stärke des Christen ist das Evangelium. In schwierigen Zeiten muss man glauben, dass Jesus uns vorausgeht und nicht aufhört, seine Jünger zu begleiten. (...). Im Wirbel der Ereignisse darf der Christ jedoch nicht die Hoffnung verlieren und meinen, er sei verlassen worden. Jesus beruhigt die Seinen, indem er sagt: Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt (Mt 10,30). Das bedeutet, dass kein Leiden des Menschen, nicht einmal das winzigste und verborgene, unsichtbar ist vor den Augen Gottes. Gott sieht, und gewiss schützt er; und er wird seine Erlösung schenken. Denn mitten unter uns ist Jemand, der stärker ist als das Böse.“3

Der Herr kommt, um uns zu sagen: Ihr werdet bleibende Früchte bringen; denn ich habe euch zu etwas Großem, zu etwas Schönem bestimmt, nämlich das, was ihr gesehen und gehört habt, weiterzugeben, es in die entlegensten Winkel der Erde zu tragen. Und da es sich um eine Sendung handelt, die Gott selbst uns anvertraut, bleibt ihre Wirksamkeit ungebrochen, auch wenn wir die Ergebnisse nicht immer mit unseren eigenen Parametern messen können. Der heilige Josefmaria pflegte zu sagen, dass „Jesus gleichzeitig der Sämann, der Samen und die Frucht der Saat ist“4. Auf diese Weise werden wir mit fester und erneuerter Hoffnung durch die Ereignisse der Geschichte  hindurchgehen.


JEDE SENDUNG, die Christus erteilt, ist eine Sendung der Liebe und des Dienstes. Jeder Christ, vom Letztgetauften bis zu den Nachfolgern der Apostel, lebt seine Berufung als echte Hingabe an die anderen. „Vergessen wir nie“, sagt Papst Franziskus, „dass die wahre Macht der Dienst ist und dass auch der Papst, um seine Macht auszuüben, immer mehr in jenen Dienst eintreten muss, der seinen leuchtenden Höhepunkt am Kreuz hat.“5 Dienen ist ein wunderschönes Wort: Christus ist ein leidender Diener, Maria ist die Dienerin des Herrn. Nur wer zu lieben weiß, kann dienen, und gleichzeitig möchte nur derjenige dienen, der gelernt hat, zu dienen. Sich in den anderen hineinversetzen, an andere denken, sich nicht aufdrängen, offen sein für andere Standpunkte, für andere Geschmäcker, die Zuneigung des Herrn zu jeder Seele spüren, sich durch unsere Arbeit um andere kümmern ... All das bedeutet, lieben lernen.

Ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe (Joh 15,15), sagt uns Jesus. Deshalb sind wir auch zu einem Dienst berufen, der apostolischer Schwung ist, eben der, den der Herr uns vermittelt; das zu teilen, was wir leben und was uns mit Begeisterung und Frieden erfüllt. Der heilige Josefmaria schrieb: „Gott hat den Menschen so geschaffen, dass er nicht umhin kann, die Gefühle seines Herzens mit anderen zu teilen: Wenn er eine Freude erlebt hat, spürt er in sich eine Kraft, die ihn dazu bringt, zu singen und zu lächeln, andere ‒ auf welche Weise auch immer ‒ an seinem Glück teilhaben zu lassen.“6

„Mit Werken des Dienens“, schrieb er ebenso, „können wir dem Herrn einen noch eindrucksvolleren Triumph bereiten, als damals bei seinem Einzug in Jerusalem ... Denn es wird keinen Judas und keine finstere Nacht im Ölgarten geben ... Es wird uns gelingen, das Feuer, das er auf die Erde gebracht hat, zum Brennen zu bringen!“7 Wie bei Maria entfacht sich in uns der Wunsch, jedem Menschen zu dienen, trotz der normalen Schwierigkeiten. „Oh Mutter“, sagen wir mit dem heiligen Josefmaria, „unsere Freude soll wie die deine darin gründen, dass wir bei ihm sind und ihn zu eigen haben.“8


1 Benedikt XVI., Botschaft, 15.10.2012.

2 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 83.

3 Papst Franziskus, Audienz, 28.6.2017.

4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 151.

5 Papst Franziskus, Predigt, 19.3.2013.

6 Hl. Josefmaria, Briefe 37, Nr. 16.

7 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 947.

8 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 95.