Betrachtungstext: 25. Woche im Jahreskreis – Mittwoch

Erwählt, um gesandt zu werden – Das Wesentliche und das Beiläufige – Die Erfahrung des Scheiterns

JESUS rief die Zwölf zusammen und sandte sie aus, das Reich Gottes zu verkünden und die Kranken gesund zu machen, indem er ihnen Kraft und Vollmacht über alle Dämonen und zur Heilung von Krankheiten gab (vgl. Lk 9,1-2). Die Anweisungen und Ratschläge, die er ihnen in diesem Zusammenhang geben wird, erhellen einige wichtige Eigenschaften des christlichen Apostolats.

Allem voraus geht die persönliche Berufung. Die Apostel werden einzeln für ihren Dienst ausgewählt. Diese Erwählung ist Teil des göttlichen Geheimnisses und richtet sich nicht nach menschlichen Maßstäben wie Bildungsgrad oder Leistung. Die meisten der Apostel waren Fischer ohne umfangreiche Bildung; Matthäus war der Einzige, der vielleicht über etwas Besitz und eine bessere Ausbildung verfügte, aber weil er Zöllner war, wurde er von vielen skeptisch betrachtet. Auch in sittlicher Hinsicht standen die Apostel nicht groß da: Wie in den Evangelien dargestellt, waren sie ehrgeizig, rivalisierten und verglichen sich untereinander, dachten oft rein menschlich und taten sich schwer, in übernatürlichen Bahnen zu denken. Die Erfahrung der Apostel lehrt uns, den Ruf und die Sendung so zu verstehen, wie Papst Franziskus es treffend darlegt: „Alles hängt von einem unentgeltlichen Ruf Gottes ab; Gott erwählt uns auch für Dienste, die unsere Fähigkeiten manchmal zu übersteigen oder unseren Erwartungen nicht zu entsprechen scheinen; auf den Ruf, den wir als unentgeltliches Geschenk empfangen haben, sollten wir unentgeltlich antworten.“1

Die Zwölf werden sich aufmachen, das Reich Gottes zu verkünden, nicht weil sie gelehrt oder heilig sind, sondern weil sie sich von Christus berufen fühlen und gerne bereit sind, von ihm gesandt zu werden. Diese Überzeugung treibt die Kirche seit den ersten Jahrhunderten bis heute an, das Evangelium in der ganzen Welt zu verbreiten: Christen wissen, dass sie die Sendung Christi fortführen und berufen und gesandt sind, das Heil allen Menschen zu bringen. Das Apostolat ist daher etwas, das in der Identität des Christen selbst wurzelt: Durch die Taufe ist unser Leben auf eine Sendung ausgerichtet. Wir machen Apostolat nicht als Auftrag, der unserem christlichen Dasein übergestülpt wird, sondern unsere tiefste Identität besteht darin, dass „wir Apostel sind“2, wie der Prälat des Werkes oft betont.


NACHDEM der Herr den Zwölfen ihre Sendung mitgeteilt hat, gibt er ihnen einige Anweisungen zur Umsetzung: Nehmt nichts mit auf den Weg, keinen Wanderstab und keine Vorratstasche, kein Brot, kein Geld und kein zweites Hemd (Lk 9,3). Jesus verlangt von jenen, die er in die apostolische Mission entsendet, eine radikale Armut: den Verzicht auf einige Dingen, die zwar an sich gut sind, die für sie im Moment aber nicht in Frage kommen, weil sie ihren Auftrag hemmen oder behindern könnten. Denn das macht die wahre Armut aus: Sie ist eine Tugend, die es uns ermöglicht, unseren Geist und unser Herz auf das wirklich Wertvolle und Bedeutsame zu richten und uns nicht vom Scheinbaren, Nichtigen oder Beiläufigen ablenken zu lassen.

Das Wesentliche des Apostolats ist die Zentralität Gottes: Wer in den Menschen handelt, ist der Herr. Wir sind Werkzeuge. Natürlich ist auch unsere Rolle wichtig, aber sie ist weder zentral noch letztlich ausschlaggebend. Im Unterschied zu einem passiven materiellen Werkzeug bringen wir dabei freiwillig alle unseren persönlichen Qualitäten und Fähigkeiten ein sowie alle uns zur Verfügung stehenden menschlichen Mittel – und der Herr rechnet damit, dass wir das tun. Und doch betont Jesus im Evangelium nachdrücklich, dass all das, was wir haben – ob persönliche Fähigkeiten oder materielle Mittel –, im Vergleich zu unserer Identität zweitrangig ist: Wir sind von ihm berufen und zu den Seelen gesandt.

Diese Überzeugung erfüllt das Herz eines Apostels, wie es der heilige Josefmaria seinen Kindern in den Anfangsjahren des Opus Dei nahebrachte: „Vergesst nicht, meine Kinder, dass wir keine Seelen sind, die sich mit anderen Seelen zusammentun, um eine gute Sache zu vollbringen. Das ist viel, ... aber es ist wenig. Wir sind Apostel, die einen gebieterischen Befehl Christi ausführen.“3 Und weil der Apostel sein Vertrauen auf Gott setzt, der ihn erwählt und gesandt hat, kann er diesen göttlichen Befehl in persönlicher Freiheit, mit Großzügigkeit und Freude erfüllen. Und er ist zu jedem Opfer bereit und bewegt sich hoffnungsfroh und kühn.


BLEIBT in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst! Wenn euch aber die Leute nicht aufnehmen, dann geht weg aus jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie! (Lk 9,4-5). Damit beendet der Herr seine Ratschläge für die apostolische Mission. Jesus verdeutlicht, dass das apostolische Zeugnis seiner Gesandten manchmal gerne angenommen wird und manchmal nicht. Im letzteren Fall empfiehlt er den Zwölfen, den Staub von ihren Füßen zu schütteln: eine anschauliche Geste in der semitischen Kultur, um zu zeigen, dass man nichts von dem Ort mitnehmen möchte, an dem man abgelehnt wurde, nicht einmal ein bisschen Erde. Uns kann dieses Bild daran erinnern, dass wir nicht zulassen sollten, dass Misserfolge oder Abweisungen, die wir als Apostel erfahren werden, unsere Herzen bedrücken und die übernatürliche Begeisterung, die uns antreibt, allmählich auslöschen.

„Du wirst nicht verstanden?“, schrieb der heilige Josefmaria. „Er war die Wahrheit und das Licht, aber nicht einmal seine eigenen Leute haben ihn verstanden. Wie ich dir oft geraten haben, erinnere dich an die Worte des Herrn: Der Jünger steht nicht über dem Meister.“4 Jesus ist realistisch in seiner Beschreibung des apostolischen Lebens. Er verschweigt nicht, dass es Verzicht erfordert, um das Wesentliche im Augen zu behalten, und nicht immer von Erfolg gekrönt ist: Seinen Aposteln wird es an Schwierigkeiten, Drangsalen und sogar Verfolgung nicht fehlen (vgl. Lk 28,12-19); sie werden nicht ohne Rückschläge durch das Leben gehen und auch nicht einen Sieg nach dem anderen erringen, und deshalb sollten sie ihre Freude nicht auf unmittelbare Ergebnisse gründen, sondern auf die übernatürliche Fruchtbarkeit ihrer Bemühung. Sie werden das Hundertfache und das ewige Leben (Mt 19,29) erlangen. Denn aus ihrem Zeugnis des christlichen Lebens, aus ihrer uneingeschränkten Treue zur apostolischen Sendung wird der Herr eine Fülle übernatürlicher Früchte hervorgehen lassen, eine Fülle, die die menschlichen Erwartungen oftmals weit übersteigen wird.

Bitten wir Maria, die Mutter der Apostel, in unseren Herzen das Sendungsbewusstsein der ersten Zwölf zu wecken. Und lassen wir uns im Alltag von Worten des heiligen Josefmaria inspirieren: „Du und ich, Kinder Gottes, wenn wir Menschen sehen, sollen wir an Seelen denken: Hier ist eine Seele – sollen wir uns sagen –, der geholfen werden muss; eine Seele, die verstanden werden muss; eine Seele, mit der man zurechtkommen muss; eine Seele, die gerettet werden muss.“5


1 Franziskus, Audienz, 15.3.2023.

2 Msgr. Fernando Ocáriz, Hirtenbrief, 14.2.2017, Nr. 9.

3 Hl. Josefmaria, Instruktion 19.3.1934, Nr. 27.

4 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 239.

5 Hl. Josefmaria, Betrachtung vom 25.2.1963.