NACHDEM Jesus den Jüngern des Johannes durch Taten und Worte bezeugt hatte, dass er der Messias ist, lobte er den Täufer vor der versammelten Menge. Den Pharisäern und Schriftgelehrten hingegen sprach er eine scharfe Ermahnung aus. Mit einem Vergleich wandte er sich an alle Zuhörer: Mit wem soll ich die Menschen dieser Generation vergleichen? Wem gleichen sie? Sie gleichen Kindern, die auf dem Marktplatz sitzen und einander zurufen: Wir haben für euch auf der Flöte gespielt und ihr habt nicht getanzt; wir haben die Totenklage angestimmt und ihr habt nicht geweint (Lk 7,31-32).
Unterhaltungsspiele folgen üblicherweise festen Regeln, damit alle Beteiligten Freude daran haben. Wenn Teilnehmer diese Regeln aber ignorieren und ihr eigenes Spiel spielen, entsteht Unmut, weil der Sinn des Spiels verloren geht. Mit diesem Bild veranschaulicht Jesus, dass Gott uns Menschen einen Weg bereitet hat, um uns zu erlösen und glücklich zu machen. Einige Pharisäer und Lehrer jedoch bevorzugten ihren eigenen Weg, ausgehend von ihren persönlichen Vorstellungen und Gewissheiten. Sie knüpften das Heil an die Erfüllung von Regeln, die sie selbst aufgestellt hatten und die weit vom ursprünglichen Willen Gottes abwichen. Dadurch lehnten sie nicht nur das Heil ab, das Christus ihnen anbot, sondern verhinderten auch, dass andere das „Spiel“ genossen, das der Herr für sie bereitet hatte.
Papst Franziskus stellt uns die Frage: „Auf welche Weise will ich gerettet werden? Auf meine Weise? Durch eine Spiritualität, die mir angenehm ist, die feststeht, in der alles klar ist und es kein Risiko gibt? Oder auf Gottes Weise, auf dem Weg Jesu, der uns immer wieder überrascht und uns die Türen zu jenem Geheimnis der göttlichen Allmacht öffnet, das im Erbarmen und in der Vergebung liegt?“1 Die Regeln des göttlichen Spiels sind Teil der Weisheit Gottes, die darauf abzielt, unsere tiefsten Sehnsüchte zu stillen. Niemand wünscht sich unser Glück mehr als Gott selbst. Er lädt uns ein, nach einer Melodie zu tanzen, die uns zur wahren Freude auf Erden und im Himmel führen wird.
JESUS erläuterte seinen Vergleich: Johannes der Täufer ist gekommen, er isst kein Brot und trinkt keinen Wein und ihr sagt: Er hat einen Dämon. Der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt und ihr sagt: Siehe, ein Fresser und Säufer, ein Freund der Zöllner und Sünder! (Lk 7,33-34).
Egal, was der Herr tat, es wurde von einigen jüdischen Führern missverstanden. Statt zu erkennen, dass Jesus der verheißene Messias war, hielten sie lieber an ihrem selbstkonstruierten Gottesbild fest, ausgehend von ihren eigenen Regeln.
Wenn wir das Evangelien lesen, erkennen wir deutlich, dass Jesus sich in seinem Handeln nicht nach gesellschaftlichen Konventionen richtete oder davon beeinflussen ließ, was andere von ihm dachten oder erwarteten. Jesus handelte in vollkommener Freiheit: Jede seiner Taten entsprang seiner tiefen Liebe zu Gott, seinem Vater, und zu den Menschen. Wenn er mit Zöllnern und Sündern speiste, tat er dies, weil er wusste, dass gerade diese Menschen seine Nähe und Freundschaft brauchten, um das Heil zu erlangen, für das er gekommen war.
Jesus verurteilt zwar die Sünde, aber er verschließt den Menschen, die Vergebung suchen, niemals die Tür. Barmherzigkeit ist eine der zentralen Eigenschaften des wahren Gottesbildes, auch wenn einige Pharisäer dies nicht begriffen. Deshalb fordert der Herr uns auf, andere nicht nach unseren eigenen Maßstäben zu beurteilen, sondern ihnen stattdessen die Freude und das Heil anzubieten, die sie erfahren, wenn sie Christus in ihr Leben eintreten lassen. Der Prälat des Opus Dei schrieb: „Das Bewusstsein, dass Gott uns in jedem Menschen erwartet (vgl. Mt 25, 40), dass er durch uns im Leben jedes Einzelnen gegenwärtig werden will, bewegt uns dazu, mit vollen Händen weiterzugeben, was wir empfangen haben.“2
DER HERR schließt seine Rede mit einem wichtigen Hinweis auf die Handlungsweise Gottes: Und doch hat die Weisheit durch alle ihre Kinder Recht bekommen (Lk 7,35). Damit meint er: Alle, die sich auf das neue Leben eingelassen haben, das Christus ihnen angeboten hat, bezeugen, wie freudvoller und erfüllend dieser Weg ist. Wenn wir unsere Abhängigkeit von Gott anerkennen, so erklärt der Katechismus, führt uns dies „zu Weisheit und Freiheit, zu Freude und Vertrauen“3.
Der heilige Josefmaria betonte, dass das ernsthafte Streben nach Heiligkeit einen tiefen Frieden und eine ansteckende Freude in sich birgt: „Der Christ ist ein Mensch wie jeder andere in der Gesellschaft; doch seinem Herzen entströmt die Freude von jemandem, der sich fest vorgenommen hat, mit Hilfe der Gnade, die nie fehlt, den Willen des Vaters zu erfüllen.“4 Diese Freude ist ein kraftvolles Zeugnis, das die Weisheit von Christi Worten bestätigt und seine Botschaft auf liebevolle und anziehende Weise weiterträgt. Wie der heilige Paulus rät: Euer Wort sei immer freundlich, doch mit Salz gewürzt, denn ihr müsst jedem in der rechten Weise antworten können (Kol 4,6).
Maria, die Gottes Plänen vertraute, fand ein tiefes Glück, das die Christen durch die Jahrhunderte hindurch inspiriert hat. Von nun an preisen mich selig alle Geschlechter (Lk 1,48), verkündete sie im Magnificat. Ihr Zeugnis erleuchtete nicht nur ihre Zeitgenossen, sondern auch alle Menschen seither. Bitten wir sie darum, dass auch in unserem Leben die Freude eines Menschen sichtbar wird, der Gottes Willen mit einem Ja beantwortet.
1 Franziskus, Tagesmeditation, 3.10.2014.
2 Msgr. Fernando Ocáriz, Hirtenbrief, 9.1.2018, Nr. 4.
3 Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 301.
4 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 93.