IN DER zweiten Adventwoche stellt uns die Liturgie die Gestalt des heiligen Johannes des Täufers als Vorbild für die Vorbereitung des Kommens Jesu vor Augen. Im heutigen Evangelium sehen wir Jesus, umgeben von seinen Jüngern, die ihn fragen: Warum sagen denn die Schriftgelehrten, zuerst müsse Elija kommen? (Mt 17,10). Laut einer Prophezeiung von Maleachi sollte der Prophet Elija vor dem Erscheinen des Messias neuerlich auftreten, um dessen Ankunft durch Bekehrung und Versöhnung vorzubereiten. Jesus bestätigt diese Erwartung: Ja, Elija kommt und er wird alles wiederherstellen (Mt 17,11).
Johannes der Täufer verneinte selbst, Elija zu sein. Dies zeugt von Realismus und Demut, steht aber nicht im Widerspruch zur Erfüllung der Prophezeiung in seiner Person. Denn Johannes war, wie Elija, mit dem Geist und der Kraft Gottes ausgestattet (vgl. Lk 1,17), kleidete sich wie Elija (2 Kön 1,8), zog sich wie Elija zurück in die Wüste und rief wie Elija zur inneren Erneuerung, zur Reue über die Sünden und zur Versöhnung auf. Vor allem aber sah Jesus in ihm Elija. Wir bitten den Herrn, uns zu erleuchten, damit auch wir uns so erkennen, wie er uns sieht: Zeige uns, Herr, das Gute, das du mit uns tun willst, und das Glück, das von unserer Fügsamkeit gegenüber deinen Plänen abhängt. Zeige uns auch, wo wir uns verändern sollen, wo du uns näherkommen möchtest.
Johannes war der Vorläufer Jesu und erfüllte seine Aufgabe, indem er dessen Kommen ankündigte und die Menschen auf ihn hinwies. Ebenso vertraut Gott darauf, dass auch wir die Freude des Evangeliums in unseren Kreisen verbreiten. Papst Franziskus betont: „Diese Freude erfüllt das Herz und das gesamte Leben derer, die Jesus begegnen. Wer sich von ihm retten lässt, wird befreit von Sünde, Traurigkeit, innerer Leere und Einsamkeit. Mit Jesus Christus kommt die Freude immer wieder neu.“1 Der heilige Josefmaria lädt uns zu einem innigen und großzügigen Gebet ein: „Mein Sohn, setze dein persönliches Gebet fort, das keine Worte braucht. Und sprich mit dem Herrn von Angesicht zu Angesicht, du und er allein (…). Ich wünsche mir, dass du in der Einsamkeit deines Herzens – einer Einsamkeit, die von Gott begleitet wird – zu deinem Vater sagst: ‚Ich bin dein!‘ – Sei kühn, sei mutig, sei tapfer!“2
UND JESUS fuhr fort: Elija ist schon gekommen, doch sie haben ihn nicht erkannt, sondern mit ihm gemacht, was sie wollten. Ebenso wird auch der Menschensohn durch sie leiden müssen. Da verstanden die Jünger, dass er zu ihnen von Johannes dem Täufer sprach (Mt 17,12-13).
Vom Beginn seines öffentlichen Wirkens an hat Jesus Christus seine Sendung eng mit der seines Vorläufers Johannes des Täufers verknüpft. Wir finden auch hierin ein Vorbild: Ein authentisch christliches Leben setzt voraus, dass wir uns jeden Tag neu mit dem Herrn verbinden. In diesem Sinne rät der heilige Josefmaria: „Mein Sohn, der Beginn dieses Advents ist eine Gelegenheit, um einen Akt der Liebe zu verrichten: um zu sagen, ich glaube, um zu sagen, ich hoffe, um zu sagen, ich liebe, um uns an die Mutter des Herrn zu wenden und sie zu bitten, uns von der Heiligsten Dreifaltigkeit mehr Gnaden zu erlangen. So werden in Momenten, in denen im Leben ein starker, schneidender Wind zu blasen scheint, der die Blüten der Seele verderben kann, unsere Blüten unversehrt bleiben.“3
Die enge Verbindung zwischen dem Dienst Jesu Christi und dem von Johannes dem Täufer beschränkt sich jedoch nicht auf die Anfänge von Jesu öffentlichem Leben. Indem der Herr zuließ, dass sein Vorläufer das Martyrium erlitt, knüpfte er ihn nochmals an seine erlösende Sendung, Die Betrachtung des Leidens des Johannes bis hin zum Martyrium sowie des Leidens und Todes unseres Herrn lädt uns ein, über unsere eigene Berufung nachzudenken. Auch wir sind dazu berufen, Jesus in unserem Leben und in unserer Welt gegenwärtig zu machen. Dabei stoßen wir oft auf Schwierigkeiten, die wahre Akte der Buße sein können. Doch sie sind nie allein zu bewältigen – sie werden immer von der Kraft Gottes vorbereitet, getragen und begleitet.
„RICHTE uns wieder auf, o Gott. Lass dein Angesicht leuchten, dann sind wir gerettet.“4 Mit diesen Worten lädt uns die Liturgie ein, weiterhin die Gnade der Bekehrung vom Herrn zu erbitten und uns einer tiefgreifenden Läuterung zu unterziehen. Diese Läuterung geht über bloße äußere Handlungen hinaus – sie betrifft unser Herz, unsere Vorstellungskraft, unser Gedächtnis und unsere Fähigkeiten. Es geht darum, aus uns selbst herauszutreten und das Wohl anderer in den Mittelpunkt zu stellen. Der heilige Josefmaria nennt uns in diesem Zusammenhang praktische Beispiele: „Die treffende Bemerkung und der Witz, die du dir verkneifst; das freundliche Lächeln für einen, der dich stört; das Schweigen gegenüber ungerechten Vorwürfen; wohlwollendes Verhalten gegenüber aufdringlichen Menschen und solchen, die ungelegen kommen; Nachsicht mit den lästigen Angewohnheiten derjenigen, mit denen du täglich zu tun hast und die dir auf die Nerven gehen ..., all das, mit Beharrlichkeit geübt, ist handfeste innere Abtötung.“5
Diese Abtötung reinigt die Seele und ist keineswegs ein rein negatives Unterfangen, das lediglich auf Verzicht abzielt. Sie wurzelt in der Liebe und ist Ausdruck des Wunsches, Gott in jedem Moment zu lieben. Auch Phantasie, Gedächtnis und Empfindungsvermögen sollen auf Gott ausgerichtet werden und uns zum beschaulichen Leben führen. Dann kann die Seele mit dem Psalmisten sagen: Ich denke an die Taten des Herrn, ja, ich will denken an deine früheren Wunder (Ps 77,12).
Bitten wir die heiligste Jungfrau Maria um ihre Fürsprache, damit sie unserem Herrn unsere Wünsche vorträgt. Möge sie uns helfen, in einem Geist der Buße und inneren Läuterung Weihnachten entgegenzugehen. Gemeinsam beten wir mit den Worten des Tagesgebets der heutigen Messe: „Allmächtiger Gott, lass deine Herrlichkeit in unseren Herzen aufstrahlen und nimm den Todesschatten der Sünde von uns, damit wir bei der Ankunft deines Sohnes als Kinder des Lichtes offenbar werden.“6
1 Franziskus, Apost. Schreiben Evangelii gaudium, Nr. 1.
2 Hl. Josefmaria, Im Zwiegespräch mit dem Herrn, S. 41.
3 Hl. Josefmaria, Worte aus einer Betrachtung, 3.12.1961.
4 Antwortpsalm, Samstag der 2. Adventswoche.
5 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 173.
6 Tagesgebet, Samstag der 2. Adventswoche.