JESUS griff in seiner Verkündigung gerne zu Beispielen aus dem Alltag, um seinen Zuhörern den Zugang zu seiner Botschaft zu erleichtern. Zu den Fischern sprach er von Booten und Netzen; zu den Bauern von Samen und Ernten; zu den Hausfrauen von ihren täglichen Arbeiten. Auch im heutigen Evangelium verwendet er ein anschauliches Bild. Nachdem die Bergpredigt und die apostolische Rede bei den religiösen Führern wenig Gehör gefunden haben, ruft er voller Schmerz aus: Mit wem soll ich diese Generation vergleichen? Sie gleicht Kindern, die auf den Marktplätzen sitzen und anderen zurufen: Wir haben für euch auf der Flöte gespielt und ihr habt nicht getanzt; wir haben die Totenklage angestimmt und ihr habt euch nicht an die Brust geschlagen (Mt 11,16-17).
Mit diesem Kinderlied bringt Jesus seine Enttäuschung über die Reaktionen auf seine Worte zum Ausdruck. Die damaligen religiösen Führer hatten das außergewöhnliche Vorrecht, die Frohe Botschaft direkt aus dem Mund des Sohnes Gottes zu hören. Doch statt darauf einzugehen, hielten sie an ihrem bisherigen Weltbild fest, als wäre nichts geschehen. Im Gegensatz dazu nahmen viele einfache und bescheidene Menschen die Botschaft mit gläubigem Herzen an. In diesem Zusammenhang wird Jesus später im Gebet zu seinem Vater sagen: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast (Mt 11,25).
Die Adventszeit lädt uns ein, uns bewusst und intensiv auf die Feier der Geburt Jesu vorzubereiten. Sie ist eine Zeit der Besinnung, in der wir unser Leben und besonders unsere Haltung gegenüber den Gaben Gottes überprüfen können. Nehmen wir diese Gaben mit dem Herzen der Einfachen und Demütigen an, die das Wort Gottes hörten und danach lebten? Oder verhalten wir uns eher wie jene Führer, die in ihrer vermeintlichen Weisheit die Einladung Jesu ablehnten? Bitten wir Gott um die nötige Offenheit, seine Gaben anzunehmen.
Der heilige Josefmaria schrieb dazu: „Mit seinen Eingebungen verleiht der Heilige Geist unseren Gedanken, Werken und Wünschen eine übernatürliche Note. Er spornt uns an, die Lehre Christi zu bejahen und sie uns ganz zu eigen zu machen. Er erleuchtet uns, damit wir uns unserer persönlichen Berufung bewusst werden, und stärkt uns, das zu tun, was Gott von uns erwartet. Wenn wir dem Heiligen Geist gegenüber fügsam sind, wird das Bild Christi in uns immer klarer Gestalt annehmen und wir werden Gott, unserem Vater, jeden Tag näher kommen, wie der heilige Paulus sagt: Alle, die sich vom Geiste Gottes leiten lassen, die sind Söhne Gottes (Röm 8,14).“1
DENN JOHANNES ist gekommen, er isst nicht und trinkt nicht und sie sagen: Er hat einen Dämon. Der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt und sie sagen: Siehe, ein Fresser und Säufer, ein Freund der Zöllner und Sünder! (Mt 11,18-19). Jesus macht seinen Zuhörern unmissverständlich klar, dass viele, die gekommen waren, weder der Aufforderung zur Buße durch Johannes den Täufer noch seiner Botschaft der Freude gefolgt sind. Sie sind wie die Kinder aus dem Lied, die weder auf den Hochzeiten tanzten noch auf Begräbnissen weinten.
In ihrem Inneren erkannten diese Menschen weder in Johannes den angekündigten Elija noch in Jesus den verheißenen Messias. Vielleicht waren sie zu verhaftet in ihren eigenen Überzeugungen und Vorurteilen, um zu begreifen, wer zu ihnen sprach. Papst Franziskus beschreibt dieses Phänomen eindrücklich als das Drama der Heilsgeschichte: „Wir wollen das Heil, aber auf unsere Art und Weise, nicht so, wie der Herr es will. (...) wir wollen nicht mit unserer Freiheit gerettet werden, sondern mit unserer Autonomie: Die Regeln schaffen wir uns selbst.“ In diesem Licht tut es uns gut, uns zu fragen: „Auf welche Art und Weise will ich gerettet werden? Auf meine Weise?“2
Wir wollen den Herrn bitten, uns die Gabe zu schenken, seine Eingebungen zu verstehen, sodass wir die Dinge aus einer übernatürlichen Perspektive betrachten und uns von ihm überraschen lassen können – denn Gott ist lebendig, sowohl in unseren Mitmenschen als auch in den Ereignissen, die uns umgeben. Um jedoch nicht in die Haltung jener Zeitgenossen Jesu zu verfallen, von denen das heutige Evangelium spricht, sollten wir eine lebendige Beziehung zu Gott pflegen, die uns zu einem beschaulichen Leben führt.
Gleichzeitig müssen wir bereit sein, uns auf die schöpferische Art Gottes einzulassen, anstatt stur auf unseren Vorstellungen seines Handelns zu beharren. Nur mit dieser Offenheit werden wir die Erfüllung der Verheißungen des Propheten Jesaja erleben können: Dein Heil wäre wie ein Strom und deine Gerechtigkeit wie die Wogen des Meeres. Deine Nachkommen wären wie der Sand und die Sprösslinge deines Leibes wie seine Körner. Ihr Name wäre in meinen Augen nicht getilgt und gelöscht (Jes 48,18-19).
DIE GEBETE der heutigen Messe nehmen Bezug auf das Gleichnis von den klugen Jungfrauen und laden uns ein, ihrem Beispiel in der Vorbereitung auf das Kommen des Bräutigams zu folgen. Sie scheinen uns zuzurufen: „Der Herr wird kommen, eilt ihm entgegen; er ist es, der Friedensfürst.“3
Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen erzählt Jesus, um das Himmelreich zu beschreiben. Fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen mit, aber kein Öl, die klugen aber nahmen mit ihren Lampen noch Öl in Krügen mit (Mt 25,1-4). Das Gleichnis ist eine eindringliche Aufforderung, stets vorbereitet zu sein, damit wir, wenn der entscheidende Augenblick der Begegnung mit dem Bräutigam kommt – dessen Zeitpunkt niemand kennt –, in Liebe zu Gott und unseren Mitmenschen bereit sind. Es fordert uns auf, den Blick auf die höchsten Güter zu richten, zu erkennen, was wahres Glück bedeutet, und die notwendigen Schritte zu unternehmen, um dieses Glück zu erlangen. Das „Öl“ symbolisiert dabei jene Tugenden und guten Werke, die uns befähigen, dem Bräutigam der Kirche entgegenzugehen, der in Bethlehem geboren wird.
Eine der beiden Adventpräfationen greift dieses Thema auf. Sie betont, dass unser Herr „uns in diesen Tagen die Freude schenkt, uns für das Fest seiner Geburt zu bereiten, damit wir ihn wachend und betend erwarten und bei seinem Kommen mit Liedern des Lobes empfangen.“4 Wir wollen uns ein Beispiel an den klugen Jungfrauen nehmen und in Voraussicht handeln, damit der Herr uns ebenfalls wachend und betend vorfindet. Der heilige Josefmaria ermutigt uns, über unseren Tag eine Art Bogen zu spannen: „Einige Minuten des stillen Gebets, die heilige Messe – wenn möglich täglich – und die häufige Kommunion, der regelmäßige Empfang des Sakraments der Versöhnung – selbst wenn du dir keiner schweren Schuld bewusst bist –, der Besuch des Herrn im Tabernakel, das Beten und Betrachten der Rosenkranzgeheimnisse sowie andere gute Übungen, die uns helfen, in der Gegenwart Gottes zu leben.“5
Bitten wir um die Fürsprache unserer Mutter, der Jungfrau Maria, damit sie uns hilft, unser Gebetsleben zu erneuern und zu vertiefen, damit wir im Sinne des heutigen Tagesgebets die Ankunft des Sohnes „mit großer Wachsamkeit erwarten und unserem Erlöser und Heiland Jesus Christus mit brennenden Lampen entgegengehen“6.
1 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 135.
2 Franziskus, Predigt, 3.10.2014.
3 Ruf vor dem Evangelium, Freitag der 2. Adventswoche.
4 Präfation vom Advent II.
5 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 149.
6 Tagesgebet, Freitag der 2. Adventswoche.