DER HEILIGE LUKAS wurde in Antiochia geboren, vermutlich als Grieche und von heidnischer Herkunft. Er war Arzt und trat um das Jahr 40 zum Christentum über. Lukas begleitete den heiligen Paulus auf dessen zweiter apostolischer Reise und blieb bis zum Ende seines Lebens an seiner Seite. Er ist der Verfasser des dritten Evangeliums und der Apostelgeschichte.
Lukas ist der Evangelist, der uns den tiefsten Einblick in die Kindheit Jesu gibt. Durch ihn erfahren wir viele Details, die uns die Menschlichkeit Jesu und das alltägliche Leben der Heiligen Familie näherbringen: das Kind in Windeln in einer Krippe, die Reinigung Marias, die Darstellung Jesu im Tempel und der Verlust des Jesusknaben in Jerusalem. Diese Begebenheiten spiegeln das normale Familienleben jener Zeit wider.
Lukas beendet seine Erzählung der Kindheit Jesu mit den Worten: Jesus aber wuchs heran und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen (Lk 2,52). Lukas zeigt, dass der Sohn Gottes diese Lebensabschnitte durchlief, wie jeder von uns sie durchlaufen kann, und im Heranwachsen seinen Eltern gehorsam war. Der heilige Josefmaria betonte, dass das gesamte Leben Christi, einschließlich seiner verborgenen Jahre, eine Offenbarung des Vaters ist und nicht bloß eine Vorbereitung auf sein öffentliches Wirken. „Gott will, dass wir Christen uns das ganze Leben des Herrn zum Vorbild nehmen. (…) Der Herr will, dass viele Menschen in den Jahren seines stillen, unscheinbaren Lebens ihren Weg finden.“1
ALLE Taten und Worte Jesu offenbaren Gottes Barmherzigkeit gegenüber den Menschen. Wie Johannes Paul II. betonte, ist es jedoch besonders der Evangelist Lukas, der „diese Themen der Lehre Christi“ in den Vordergrund stellt, weshalb sein Evangelium auch als „Evangelium des Erbarmens“ bekannt ist.2 Lukas hebt hervor, dass Jesus gekommen ist, um zu suchen und zu retten, was verloren war (Lk 19,10). Durch ihn erfahren wir von der Vergebung, die einer öffentlich bekannten Sünderin zuteil wurde, vom Blick Jesu auf Petrus nach dessen Verleugnung und von Jesu Gebet für die Vergebung derer, die ihn ans Kreuz schlugen. Darüber hinaus berichtet Lukas von drei Gleichnissen, die die unermüdliche Suche Gottes nach uns verdeutlichen, um uns seine Liebe zu schenken. Papst Franziskus erklärte dazu: „Jesus offenbart in diesen Geschichten die Natur Gottes als die eines Vaters, der nicht aufgibt, bevor er nicht mit Mitleid und Erbarmen die Sünde vergeben und die Ablehnung überwunden hat.“3
In diesen Gleichnissen finden wir das Herzstück des Evangeliums und des Glaubens: Wenn wir unsere Herzen für die Barmherzigkeit Gottes öffnen, erfahren wir die bedingungslose Liebe eines guten und allmächtigen Gottes, der uns mit seinem Leben erfüllen will. Der heilige Josefmaria ermutigte uns, diese Barmherzigkeit stets als Einladung zur Umkehr zu verstehen: „Am Besten ist, niemals von Jesu Seite zu weichen; doch falls wir uns aus menschlicher Schwäche einmal entfernen, sollen wir zurückkehren. Er empfängt uns immer mit offenen Armen, wie der Vater des verlorenen Sohnes – und mit noch größerer Liebe.“4 Durch Lukas, „den Chronisten der Langmut Christi“5, wie ihn der italienische Schriftsteller Dante Alighieri nannte, wissen wir, dass der Herr stets ein offenes Herz für uns hat. In Anbetracht dieser Güte Gottes kam die heilige Therese von Lisieux zu der freudigen Erkenntnis: „Welche Freude zu denken, dass Gott gerecht ist! Das bedeutet, dass er unserer Schwäche Rechnung trägt und über die Gebrechlichkeit unserer Natur genau Bescheid weiß. Wovor sollte ich mich also fürchten? Ach, der unendlich gerechte Gott, der sich herabließ, dem verlorenen Sohn mit so viel Güte alle seine Fehler zu vergeben, sollte er mir gegenüber nicht auch gerecht sein, die ich ,immer bei ihm bin‘?“6
SCHON IN ÄLTESTER Zeit wurde der heilige Lukas als Maler der Jungfrau Maria verehrt. Tatsächlich ist er der Evangelist, der Maria am klarsten als Vorbild des Antwortens auf Gott beschreibt. Er hebt die Gaben hervor, die sie in größerer Fülle als jedes andere Geschöpf vom Herrn erhalten hat: Sie ist voll der Gnade, hat vom Heiligen Geist empfangen und wird von allen Geschlechtern seliggepriesen werden ... Zugleich betont er, mit welcher Demut und Dankbarkeit Maria auf diese göttlichen Gaben reagiert: Sie nimmt die Botschaft des Engels mit Demut an, unterstellt sich bereitwillig den göttlichen Plänen hin und ehrt die Bräuche ihres Volkes.
Am Ende der Berichte über die Kindheit Jesu schreibt Lukas, dass Maria all die Worte in ihrem Herzen bewahrte (Lk 2,51). Dies lässt uns erahnen, dass eine der Hauptquellen des Evangelisten die Muttergottes selbst war: Nur sie konnte, wenn sie ihr Inneres öffnete, solche Einblicke in das Geschehen gewähren. Die Worte zeigen uns zudem, wie unsere Mutter die Wirklichkeit aufnahm: Sie wollte immer nur den Herrn lieben. Der heilige Josefmaria kommentierte dazu: „Für das Leben Marias gibt es nur eine Erklärung: ihre Liebe. Eine Liebe bis zum Äußersten, bis zur völligen Selbstvergessenheit. Freudig an dem Platz, an dem Gott sie haben wollte, erfüllte sie sorgsam seinen Willen. Daher ist selbst die unscheinbarste Geste von ihr niemals banal, sondern stets voller Bedeutung.“7 Bitten wir den heiligen Lukas, unsere Herzen zu öffnen, damit wir uns wie Maria in vertrauensvoller Hingabe dem Willen Gottes überlassen.
1 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 20
2 Vgl. hl. Johannes Paul II., Dives in misericordia, n. 3.
3 Franziskus, Bulle Misericordiæ vultus, 11.4.2015, Nr. 9.
4 Hl. Josefmaria, Notizen von einem Familientreffen, 27.3.1972.
5 Vgl. Dante Alighieri, De Monarchia, 1.
6 Hl. Theresa von Lisieux, Autobiographische Schriften 8.
7 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 148.