Betrachtungstext: 13. Woche im Jahreskreis – Sonntag (A)

Die Hirten stärken – Liebe zu den Eltern – Das Kreuz umarmen

EINES TAGES kam der Prophet Elischa in die Stadt Schunem. Da lud ihn eine vornehme Frau zum Essen ein. Von da an blieb Elischa, sooft er an ihrem Haus vorbeikam, zum Essen. Die Frau erkannte, dass er ein Mann Gottes war, und beschloss zusammen mit ihrem Mann, einen Bereich ihres Hauses für ihn auszustatten: Wir wollen ein kleines, gemauertes Obergemach herrichten und dort ein Bett, einen Tisch, einen Stuhl und einen Leuchter für ihn bereitstellen. Wenn er dann zu uns kommt, kann er sich dorthin zurückziehen (2 Kön 4,10). Als Elischa kam und das Zimmer bezog, wollte er sich für die Gastfreundschaft erkenntlich zeigen, doch die Schunamiterin lehnte jeden Dankeserweis ab. Da erfuhr Elischa, dass das Paar keine Kinder bekommen konnte, und sagte zu der Frau: Im nächsten Jahr um diese Zeit wirst du einen Sohn liebkosen (2 Kön 4,16). Und tatsächlich brachte sie zum gegebenen Zeitpunkt einen Sohn auf die Welt.

Gott weiß die liebevollen Gesten zu schätzen, die wir unseren Geschwistern entgegenbringen, insbesondere jenen, die wie Elischa von ihm zu einer besonderen Sendung bestellt worden sind. Wer euch aufnimmt, sagte Jesus zu seinen Aposteln kurz vor ihrer Aussendung, der nimmt mich auf (Mt 10,40). Tatsächlich versicherte der Herr, dass sogar ein Becher frisches Wasser, den jemand seinen Jüngern reicht, nicht unbelohnt bleiben wird (vgl. Mt 10,42). Christus selbst fand bei Freunden und Bekannten Aufnahme, denn er hatte keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen konnte, und schätzte die Aufmerksamkeiten, die sie ihm zukommen ließen. Man könnte sagen, dass Gott sich auf menschliche Beziehungen stützt, um die Hirten seines Volkes zu stärken. Dies geschieht vor allem durch das Gebet für sie, „damit sie“, wie Papst Franziskus postete, „immer Diener der Freude des Evangeliums für alle Völker sein können“; aber auch durch Nähe und materielle Hilfe, um ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind, und um sie in ihrer priesterlichen Arbeit zu unterstützen.


BEI DER Vorbereitung der Apostel auf ihre Sendung nannte der Herr eine Anforderung für die Nachfolge: Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert (Mt 10,37). Das bedeutete nicht, dass sich seine Jünger von allen familiären Bindungen lösen sollten. Bei einer anderen Gelegenheit wird Jesus die Schriftgelehrten dafür tadeln, dass sie ihre Eltern vernachlässigt und ihnen das Notwendige vorenthalten haben, indem sie behaupteten, es auf dem Altar zu opfern (vgl. Mk 7,8-13). Wenn die Liebe zwischen Eltern und Kindern von der Liebe des Herrn beseelt und geläutert ist, wird sie, wie Papst Franziskus sagte, „voll fruchtbar und trägt Früchte des Guten in der Familie selbst und noch weit darüber hinaus.“1 Jesus betont daher, dass die Liebe zu Gott an erster Stelle stehen soll, denn wenn diese echt ist, wird sie sich in der Liebe zu den Eltern und den Kindern niederschlagen.

Der heilige Josefmaria pflegte zu sagen, dass die Mitglieder des Werkes ihre Berufung zu neunzig Prozent ihren Eltern verdanken: Wenn sie dem Ruf Gottes großzügig zu folgen wussten, dann deshalb, weil sie diese Großzügigkeit in ihrem Elternhaus erlebt haben. Und dies könnte weitgehend für alle Berufungen in der Kirche gelten. Aus diesem Grund vertrat er die Auffassung, dass es für die Eltern kein Opfer ist, wenn Gott ihre Kinder beruft: „Vielmehr ist der Ruf eine unermessliche Ehre, ein Grund zum heiligen, erhabenen Stolz, ein Erweis der Auserwählung und ein Zeichen der großen Liebe“2, denn es ist, als ob der Herr die gute Arbeit anerkenne, die sie mit den Kindern geleistet haben: Sie haben den Samen der Liebe Gottes in ihre Seelen gepflanzt. Und das Kind hat es verstanden, diesen Samen zu behüten und wachsen zu lassen, ohne Einbuße seiner Freiheit, dank des Gebets und des Beispiels, das es an seinen Eltern erleben durfte.


JESUS macht seine Apostel auch darauf aufmerksam, dass es ihnen bei ihrer Sendung nicht an Schwierigkeiten mangeln wird. Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert. Wer das Leben findet, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es finden (Mt 10,38-39). Zugleich ermutigt er sie, sich nicht zu fürchten, denn wer in Gottes Hand ist, weiß, wie Papst Benedikt sagte, „dass das Böse und das Unvernünftige nicht das letzte Wort haben, sondern dass der einzige Herr der Welt und des Lebens Christus ist“3.

Jeder Mensch steht vor Herausforderungen: eine Krankheit, familiäre Probleme, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz ... Manchmal zeigt sich das Kreuz auch in Zügen unserer eigenen Persönlichkeit oder in der Persönlichkeit anderer, die wir nur schwer ertragen können, oder in Fehlern oder Niederlagen im Kampf, die uns beschämend erscheinen. Jesus sucht nach einem Weg, wie wir den Eindruck zurückweisen können, allein oder in den Schwierigkeiten wie gefangen zu sein. Es ist wahr, dass wir normalerweise nicht so leben können, als gäbe es das Böse nicht – das vom Teufel und der Erbsünde kommt –, oder als könnten wir uns wünschen, um jeden Preis ein ruhiges oder gleichmäßiges Leben zu führen. Doch der Herr nimmt uns an der Hand und hilft uns, diese Schwierigkeit, dieses Ungenügen zu umarmen, so wie er zusammen mit Simon von Cyrene das Kreuz umarmt hat.

Das schrieb der heilige Josefmaria im Kreuzweg: „Durch die Passion Christi wurde das Schandholz zum Triumphmal. Das Kreuz ist das Erkennungszeichen des Erlösers: in quo est salus, vita et resurrectio nostra, in ihm ist unser Heil, unser Leben, unsere Auferstehung.“4 Nicht einmal die Mutter Gottes blieb von der Last des Kreuzes verschont. Schauen wir auf sie, damit sie uns hilft, unser Kreuz im Bewusstsein unserer Gotteskindschaft und mit übernatürlicher Sicht zu tragen.


1 Franziskus, Angelusgebet, 28.5.2020.

2 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 18.

3 Benedikt XVI., Angelusgebet, 22.6.2008.

4 Hl. Josefmaria, Kreuzweg, II. Station, Nr. 5.