Spuren unseres Glaubens
Gott hat Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen. Freude herrscht bei den Engeln und bei den Menschen. Woher mag sie kommen, diese innere Freude, dass es scheint, als weite sich uns das Herz und erfülle sich die Seele mit Frieden? Wir freuen uns, weil wir die Verherrlichung unserer Mutter feiern, und es ist nur natürlich, dass wir, ihre Kinder, uns besonders freuen, wenn wir sehen, wie die Allerheiligste Dreifaltigkeit sie ehrt…..Tochter Gottes des Vaters, Mutter Gottes des Sohnes, Braut des hl. Geistes…Nur Gott ist größer als sie. (Christus begegnen, 171)
Der Glaube an die tröstliche Wahrheit der Aufnahme Mariens in den Himmel führt uns zu der Überlegung: ”Die unbefleckte Jungfrau, die von jedem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt wurde, wurde nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen und als Königin des Alls vom Herrn erhöht, um vollkommen ihrem Sohn gleichgestaltet zu sein, dem Herrn der Herren, dem Sieger über Sünde und Tod.” (Katechismus der Katholischen Kirche, 966)
Das ist der Kern der Lehre der Kirche hinsichtlich des Mysterium, das die letzten Tage der Jungfrau Maria auf Erden umgib: Sie nimmt am Sieg Christi teil, denn auch sie besiegt den Tod und genießt die ewige Glückseligkeit in der unbeschränkten Fülle ihres Seins, mit Leib und Seele. Die Liturgie der Kirche stellt uns diese Wahrheit alljährlich am Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel sowie am Fest Maria Königin, das am 22. August begangen wird, vor Augen und erinnert uns so daran, dass sie nun neben ihrem Sohn im Paradies ihre mütterliche Herrschaft über die gesamte Schöpfung ausübt.
Wir wissen wenig über die letzten Jahre der Muttergottes hier auf Erden. In der Zeit zwischen Himmelfahrt und Pfingsten hält sie sich nach der Lehre der Hl. Schrift im Abendmahlssaal auf (Apg 1,13-14), später verbringt sie ihr Leben an der Seite des hl. Johannes, dem sie ja besonders anvertraut wurde. (Vgl. Joh 19, 25-27) In der Hl. Schrift ist jedoch nichts über die näheren Umstände ihrer Himmelfahrt vermerkt. Einigen alten Zeugnissen zufolge, hat sie in Jerusalem stattgefunden, andere Quellen jüngerer Zeit vermuten Ephesus als Ort des Geschehens.
In der Heiligen Stadt erinnern zwei Kirchen an diese Geheimnisse: die Dormitio-Kirche auf dem Berg Zionsberg und das Mariengrab in Getsemani.
In der Heiligen Stadt kursieren seit alters her Erzählungen über den Transitus bzw. die Entschlafung Mariens, die apokryphen Ursprungs sind. Beide Bezeichnungen legen die Vermutung nahe, dass es sich bei ihrem Heimgang wie um einen Hinübergang in einen süßen Schlaf gehandelt haben muss. In diesen Schriften wird geschildert, dass im augenblick des Heimgangs der Muttergottes – bei dem alle Apostel um ihr Lager versammelt waren - der Herrn selbst in Begleitung vieler Engel vom Himmel gekommen sei, um ihre Seele mit sich zu nehmen. Die Apostel bestatteten danach den Körper der Muttergottes in einem Grab. Nach drei Tagen kam Christus und nahme ihren Leib ebenfalls mit sich, um ihn mit ihrer Seele zu vereinen. Diesen Berichten nach unterscheidet man zwei Orte: zum einen das Haus, wo ihre Seele zum Himmel aufgenommen wurde, und zum anderen das Grab von wo aus der Leib Mariens in den Himmel aufgenommen wurde.
Mehrere Kirchenlehrer erwähnen diese Geschehnisse in ihrer Verkündigung. Johannes von Damaskus, der im 7. Jahrhundert in Jerusalem starb, schildert die Aufnahme in den Himmel in ähnlicher Weise wie die apokryphen Berichte. Er verlegt zudem die Geschehnisse in den Abendmahlsaal und in den Ölgarten. Der einbalsamierte Leib der Muttergottes “wird vom Berg Zion geholt und auf den glorreichen Schultern der Apostel mitsamt dem Grab zum himmlischen Tempel gebracht. Vorher jedoch wird er er feierlich durch die ganze Stadt getragen. Sie erscheint allen als wunderschöne Braut, geschmückt vom unaussprechlichen Glanz des Geistes. So wird sie von der ganzen Kirche bis zum Garten Gethsemanie begrleitet. Engel gehen ihr voraus, folgen ihr und bedecken mit ihren Flügeln den Leichnam.“ (Johannes Damaszenus, 2. Predigt zur Dormitionem Beatæ Mariæ Virginis, 12)
In der Heiligen Stadt erinnern noch heute zwei Kirchen an diese Geschehnisse: die Kirche der Entschlafung auf den Zionsberg, die wenige Meter vom Abendmahlssaal entfernt ist; und das Grab Mariens in Gethsemanie nahe dem Ölgarten, wo Jesus in der Nacht des Gründonnerstags gebetet hat.
Die Dormitio-Kirche
Der Zionsberg ist ein Hügel der sich im äußersten Südwesten der Heiligen Stadt befindet. Er wurde schon in frühchristlicher Zeit so genannt. Dort, wo sich um den Abendmahlsaal herum die frühe Kirche bildete, wurde schon im 4. Jahrhundert eine große Basilika mit dem Namen Heiliger Sion errichtet und zur Mutterkirche aller weiteren Kirchen erklärt. Außer dem Abendmahlsaal umschloss dieser Ort auch die Gegend, wo der Übergang Mariens in den Himmel stattgefunden haben soll, den die frühen Christen immer an einem nahe gelegenen Haus festmachten.
Diese Kirche wurde in den folgenden Jahrhunderten mehrfach zerstört und neu aufgebaut, am Ende blieb nur noch der Abendmahlsaal erhalten. Niemals verlor sich dabei die Erinnerung an Marias Heimgang, so dass man im Jahre 1910, als der deutsche Kaiser Wilhelm II. Land am Zionsberg erwarb, darauf eine Benediktinerabtei errichtete, der eine Basilika - die Dormitio-Kirche - angegliedert wurde.
Die Kirche ist im Stil deutscher Romanik errichtet, der gleichzeitig byzantinische Züge aufweist. Sie erstreckt sich über zwei Stockwerke. Im obersten Stockwerk befindet sich das Hauptschiff, ein Rundbau, der von einer mit Mosaiken geschmückten Kuppel überwölbt und von sechs Seitenkapellen umgeben ist. Im östlichen Teil befindet sich die Apsis des Presbyteriums, die von einer Gewölbedecke abgeschlossen wird, und dessen Halbkuppel mit einem großen Mosaik geschmückt ist. Beim Heruntersteigen fällt der Blick sofort auf das Zentrum der Krypta, das eine liegende Darstellung der Muttergottes zeigt, die von einem tempelartigen Rundbau beschützt wird.
Mehrere Kapellen, die von verschiedenen Ländern oder Vereinigungen gestiftet wurden, umgeben das Heiligtum.
Don Alvaro hat am 22. März 1994, am letzten Tag seiner Pilgerreise ins Heilige Land, die Dormitio-Kirche besucht. Dort hielt er am Morgen sein Gebet, um sich intensiv auf die hl. Messe im Abendmahlsaal vorzubereiten, der sich im nahe gelegenen Franziskanerkonvent befindet.
Das Mariengrab
Das Grabmal der Muttergottes befindet sich in Getsemani, im ehemaligen Flussbett des Kidron, weniger als hundert Meter nördlich der Basilika der Dormitio und des Ölgartens. Die Griechisch-Orthodoxen und die Armenier, die sich den Besitz des Hl. Grabes mit Syrern, Kopten und Äthiopiern teilen, die alle gewisse Anrechte auf den Ort haben, nennen sie auch Kirche der Auferstehung.
Um das Grab besuchen zu können, muss man zunächst mehrere Treppen hinuntersteigen, deren erste von der Straße bis zu einem niedriger gelegenen Absatz führt, der als Atrium fungiert und gleichzeitig Zugang zur Grotte der Gefangennahme ist. Innerhalb des Gebäudes führt eine weitere Treppe vom Eingangsportal bis zum eigentlichen Kirchenschiff. Die tiefe Lage erklärt sich daher, dass sich das Flussbett des Kidron im Laufe der Jahre angehoben hat und die Konstruktion, die wir begehen, eigentlich zur Krypta der damaligen Kirche gehörte. Diese wird vermutlich im 4. oder 5. Jahrhundert entstanden sein.
1972 wurde in Folge einer Überschwemmung eine weitgehende Restaurierung der Kirche nötig, die man gleichzeitig nutzte, um archäologische Untersuchungen durchzuführen. Die Studien ergaben, ergänzend zu den schon bestehenden Unterlagen, dass die Begräbnisstätte der Muttergottes wohl zu einem Gräberfeld aus dem 1. Jahrhundert gehört. Das Grab, das man völlig aus dem Gestein ausgehoben hatte, umfasste drei Räume. Als man beschloss, es zu einer Kultstätte umzubauen, gingen die byzantinischen Architekten wohl ähnlich vor wie beim Grab Christi: Sie isolierten den eigentlich Raum von weiteren Kammern und ersetzten das Dach durch eine Kuppel mit einem Deckelaufsatz, über dem sie dann das Heiligtum errichteten.
Ähnlich wie anderen christlichen Stätten im Heiligen Land, erging es dieser Kapelle, die durch die Einfälle des ersten Jahrtausends komplett verwüstet wurde So fanden es die Kreuzfahrer im 11. Jahrhundert vor. 1101 siedelten sich dann Benediktiner vom Kloster Cluny an, die mit den Restaurierungsarbeiten begannen. Der Zugang zur Krypta wurde geöffnet und eine längere Freitreppe angelegt. An den beiden Seiten der Treppe wurden zwei Kapellen errichtet, die später als Bestattungsort für Könige benutzt wurden. Man verschönerte das eigentliche Grab Mariens mit einem tempelartigen Überbau aus Marmor. Die darüber liegende Kirche wurde neu erbaut und in unmittelbarer Nähe ein Pilgerhaus für Gäste und ein Hospital errichtet. Wenige Jahrzehnte nach der Eroberung Jerusalems durch Saladin waren von dem gesamten Komplex nur noch die Krypta, die Fassade und die Treppe, die beide verband, übrig geblieben. Auch die beiden Kapellen blieben unversehrt. Diese Reste bilden die heutige Kirche.
Mit Leib und Seele
“Auch das Geheimnis von der Aufnahme Marias in den Himmel mit Leib und Seele ist ganz in die Auferstehung Christi eingefügt. Die Menschheit der Mutter ist vom Sohn in dessen Übergang durch den Tod hindurch gleichsam „mit hineingezogen“ worden. Jesus ist ein für allemal ins ewige Leben eingegangen, mit seiner ganzen Menschheit – jener Menschheit, die er von Maria genommen hatte. So ist Maria, die Mutter, die ihm das ganze Leben hindurch treu gefolgt ist – ihm mit dem Herzen gefolgt ist – mit ihm ins ewige Leben eingetreten, das wir auch Himmel, Paradies, Vaterhaus nennen.“ (Franziskus, Ansprache 15.8.2012)
„Doch die Aufnahme in den Himmel ist eine Wirklichkeit, die auch uns angeht, da sie uns auf leuchtende Weise unsere Bestimmung zeigt, die Bestimmung der Menschheit und der Geschichte. In Maria nämlich betrachten wir jene Wirklichkeit der Herrlichkeit, zu der ein jeder von uns und die ganze Kirche berufen ist.“( Benedikt XVI, Angelus, 15.8.12)
„Unsere Liebe Frau, die zur vollkommenen Teilhabe am Werk unserer Erlösung bestimmt wurde, sollte ihrem Sohn immer ganz nahe folgen: in der Armut von Bethlehem, im verborgenen Leben gewöhnlicher Arbeit in Nazareth, im Offenbarwerden der Göttlichkeit zu Kana in Galiläa, in der Schmach des Leidens und im göttlichen Opfer am Kreuz, in der ewigen Seligkeit des Himmels.
Dies alles betrifft auch uns. Denn dieser übernatürliche Weg ist auch unser Weg. Maria zeigt uns, dass dies ein gangbarer und sicherer Pfad ist. Sie ist uns vorausgegangen auf den Spuren der Nachfolge Christi, und die Verherrlichung unserer Mutter ist die feste Hoffnung auf unser eigenes Heil. Darum nennen wir sie „spes nostra“ und „causa nostrae laetitiae“, unsere Hoffnung und Ursache unserer Freude.
Mit der Verherrlichung unserer Mutter verbindet sich die feste Hoffnung auf unsere eigene Rettung. Deshalb rufen sie an als spes nostra und causa nostrae laetitiae, unsere Hoffnung und Ursache unserer Freude.
Wir dürfen niemals die Zuversicht verlieren, dass wir einmal heilig werden, wenn wir der Einladung Gottes folgen und beharrlich sind bis ans Ende. Gott, der in uns das Werk der Heiligung begonnen hat, wird es auch vollenden (vgl. Phil 1,6)“. (Christus begegnen, 176)
Diese Hoffnung, die eine Gabe Gottes ist, dispensiert uns nicht vom Kampf. Niemand darf passiv bleiben. Der Glaube und die eigenen Erfahrung beweisen uns, dass das christliche Leben immer durch das Kreuz geht, um zur Herrlichkeit des Himmels zu gelangen. “Das geistliche Leben ist ein ständiges Beginnen und Neubeginnen. Neubeginnen? Ja! Du beginnst jedes Mal von neuem, wenn du einen Reueakt verrichtest – und das sollte oft am Tage geschehen -, weil du damit Gott deine erneuerte Liebe schenkst.” (Im Feuer der Schmiede, 384)
Mit der Verherrlichung unserer Mutter verbindet sich die feste Hoffnung auf unsere eigene Rettung. Deshalb rufen sie an als spes nostra und causa nostrae laetitiae, unsere Hoffnung und Ursache unserer Freude
„Der Glaube versichert uns, dass unser Leben auf der Erde eine Zeit der Pilgerschaft ist, eine Reise, auf der Opfer, Leid und Entbehrungen nicht fehlen werden. Immer aber soll die Freude ihr Kontrapunkt sein.
Vielleicht werdet ihr dies für einen übertriebenen Optimismus halten, denn jeder Mensch kennt seine Unzulänglichkeiten und sein Versagen, jeder erfährt Leid, Müdigkeit, Undankbarkeit, vielleicht auch Hass. Wieso sollten wir Christen, die wir den anderen gleich sind, von diesen Gegebenheiten des Menschseins ausgenommen sein?
Es wäre naiv, wollte man die immer wiederkehrende Gegenwart des Leidens und der Entmutigung, der Trauer und der Einsamkeit während unserer Pilgerschaft auf der Erde leugnen. Durch den Glauben haben wir mit Sicherheit erkannt, dass dies alles kein Werk des Zufalls ist, und dass die Bestimmung des Geschöpfes kein Zuschreiten auf die Vernichtung seines Strebens nach Glück ist. Der Glaube lehrt uns, dass alles einen gottgewollten Sinn hat, denn alles gehört zum innersten Kern der Berufung, die uns ins Haus des Vaters führt. Dieses übernatürliche Verständnis des irdischen Daseins eines Christen will nicht die vielfältigen Zusammenhänge im Leben des Menschen verharmlosen, sie gibt vielmehr dem Menschen die Sicherheit, dass diese Vielfalt vom Nerv der Liebe Gottes durchzogen wird, von einem starken und unzerstörbaren Band, welches das Leben auf der Erde mit dem Leben in der endgültigen Heimat verbindet.“ (Christus begegnen, 177).
Um unsere Hoffnung zu stärken, gehen wir vertrauensvoll zur Mutter Gottes: „Cor Mariae dulcissimum, iter para tutum; liebenswertestes Herz Mariens, gib uns Kraft und Sicherheit auf unserem Erdenweg; sei du selbst unser Weg, denn du kennst ja den Pfad und die sichere Abkürzung, die über deine Liebe zur Liebe Jesu Christi hinführt.“ (Christus begegnen, 178)