Zu einigen theologischen und geschichtlichen Behauptungen in “Sakrileg”

ÜBER DIE GOTTHEIT CHRISTI Behauptung: Ursprünglich hielten die Christen Jesus für einen der Propheten und für einen sterblichen Menschen. Der römische Kaiser Konstantin (+337) aber war aus politischen Gründen am Glauben an die Gottheit Christi interessiert. 325 berief er deswegen das Konzil von Nizäa ein, um Jesus dort offiziell als Gott verkünden zu lassen. Das Konzil beschloss dann mit knapper Mehrheit, dass Jesus von nun an als der „Sohn Gottes“ anzusehen sei. Dazu ist zu sagen: Die Christen waren schon lange vor Nizäa überzeugt, dass Jesus Gott war. Bereits in den ältesten christlichen Texten erscheint dieser Glaube als zentrales Element: nicht nur an vielen Stellen im Neuen Testament(1), sondern z.B. auch bei Klemens von Rom (zwischen 90 und 100), Ignatius von Antiochien (Anfang 2. Jh.), Justinus (Mitte 2. Jh.) usw. (cf. G. Grillmeier, Le Christ dans la tradition chrétienne, éd. du Cerf, Paris 2003, pp. 284-297).

Das Konzil von Nizäa selber klärte eine Frage der göttlichen Dreifaltigkeit: die Frage, ob Gott Sohn „eines Wesens mit Gott Vater“ sei. Von den wohl mehr als 200 anwesenden Bischöfen stimmten alle außer zweien dieser Aussage zu, in der Überzeugung, dass dies dem ursprünglichen Glauben entsprach.

(1) Vgl. unter anderem: Mk 14,62-64; Lk 22,66-71; Joh 1,1-18; 8,58; 20,28; Röm 9,5; Kol 1,1-17; Tit 2,13.

Behauptung: Um den Glauben an die Gottheit Christi zu verbreiten, gab Kaiser Konstantin auch eine neue Bibel in Auftrag. Aus den damals über 80 in Umlauf befindlichen Evangelien wurden vier für den Zweck passende ausgewählt und wenn nötig umgeschrieben, um Jesus göttliche Züge zu verleihen. Viele ältere und ursprünglichere wurden ausgeschieden und vernichtet, weil sie Jesus als Menschen zeigten. Einige von ihnen überlebten jedoch die Säuberung.

Die Evangelien der Bibel nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes sind in Wirklichkeit die ältesten. Wir besitzen davon Fragmente, die datiert werden auf ca. 125 (Rylands-Papyrus), 200 (Bodmer-Papyrus), 225 oder 250 (Papyrus Chester Beatty). Zudem sind etwa 100 Papyri erhalten geblieben, die zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert geschrieben wurden, die meisten davon lange Zeit vor Konstantin.

Diese Texte stimmen in frappanter Weise mit den späteren Manuskripten aus dem 4., 5., und 8. Jahrhundert überein. Somit können auch diese nicht erst zur Zeit Konstantins erfunden worden sein.

Auch der Kanon des Neuen Testamentes – d.h. die von der Kirche als biblisch anerkannten christlichen Schriften – existierte bereits lange vor Konstantin. Er wird schon vom Muratorischen Fragment festgehalten, das um das Jahr 200 verfasst wurde.

Der Rylands-Papyrus ist eine Abschrift, deren zeitlicher Abstand zum Original nur 30 Jahre beträgt. Zum Vergleich: Die älteste Abschrift eines Textes von Julius Cäsar, die wir kennen, wurde 1100 Jahre nach dem Original angefertigt; bei Platon beträgt dieser Abstand sogar 1400 Jahre.

Die Evangelien können somit als historisch bemerkenswert zuverlässig gelten, sowie als Schriften, die den Glauben der ersten christlichen Generationen getreu wiedergeben.

Die apokryphen, d.h. nicht in die Bibel eingegangenen Evangelien sind meist eine Art religiöse Romane späteren Datums und als historische Quellen unzuverlässig. Dessen ungeachtet bestätigen auch sie die göttlichen Züge Jesu Christi, und dies oft sogar auf übertriebene Weise: Manche schildern zahlreiche angebliche Wunder Jesu bereits im Kindesalter; so soll er etwa nach Belieben Tiere getötet und sie wieder zum Leben erweckt haben. Trotz einzelner gültiger Elemente enthalten die Apokryphen also vor allem Erfundenes, Naives und teilweise auch Theorien nicht-christlicher Herkunft. Aus diesem Grund wurden sie schon von der frühen Kirche als nichtbiblisch verworfen.

Im Übrigen zeigen die Evangelien der Bibel einen sehr menschlichen Jesus: Er wird empfangen, geboren und wächst auf wie ein normales Kind; empfindet Mitleid und Erbarmen mit den Menschen, weint um Jerusalem und den verstorbenen Lazarus, ist müde und durstig vom langen Wandern, gerät in Zorn wegen der Geldwechsler im Tempel, leidet schreckliche Angst vor seinem Leiden usw. Er tritt uns in den Evangelien als unverwechselbarer und äusserst liebenswerter Mensch entgegen. Immer wieder hat sich die Kirche gegen theologische Versuche gewehrt, in Verkennung der Evangelien die Menschheit Jesu zu leugnen oder zu verkürzen.

Vgl. die Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum (ein Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils).

Behauptung: Nichts am Christentum ist original. Die Züge Jesu sind entlehnt von vorchristlichen Gottheiten wie Mithra, Krishna, Osiris, Adonis und Dionysios.

An der Originalität des Christentums kann es keinen Zweifel geben. Seine Verbreitung verdankte sich gerade dem Umstand, dass hier „mit Vollmacht eine ganz neue Lehre“ verkündet wurde (Mk 1,27), die über die gewohnten Weltanschauungen radikal hinaus gingen: ein Gott, der nicht nur in Menschengestalt erscheint, sondern wirklicher Mensch wird; der seine Feinde nicht gewaltsam aus dem Feld räumt, sondern der auftrumpfenden Macht der Welt die wehrlose Macht der Liebe gegenüberstellt, sogar um den Preis des Foltertodes am Kreuz; der noch in diesem Leiden seinen Feinden verzeiht; der nach drei Tagen aufersteht. – Mit den zitierten Figuren mag Jesus einzelne äußerliche Ähnlichkeiten gemeinsam haben (wie übrigens auch mit anderen, z.B. mit Sokrates), doch im Entscheidenden sind die Erzählungen über diese mythologischen Gestalten mit dem historisch bezeugten Leben Jesu nicht vergleichbar. 

ÜBER DIE ANGEBLICHE EHE JESU MIT MARIA MAGDALENA UND IHRE NACHKOMMENSCHAFT Behauptung: Jesus war verheiratet. Wäre er unverheiratet gewesen, dann hätten das die Evangelien ausdrücklich gesagt, denn die Juden kannten keinen Zölibat. Die Partnerin Jesu war niemand anders als Maria Magdalena, eine Frau königlichen Geblüts aus dem Stamm Benjamin. Das ist historisch bewiesen: Im „Evangelium nach Philippus” heisst es z.B., Maria Magdalena sei „die Gefährtin” („the companion“) Jesu gewesen. Er habe sie mehr als alle anderen geliebt und auf den Mund geküsst.

Jesus wollte, dass die Kirche nach seinem Tod in die Hände der Magdalena überginge. Doch – so berichtet es uns das Evangelium nach Thomas – als Jesus die Magdalena ins Apostelkollegium einführen wollte, protestierte Petrus und sagte: „Maria muss uns verlassen, denn die Frauen sind des Lebens nicht würdig.” Und wirklich vertrieben die Apostel nach Jesu Tod Maria und bemächtigten sich der Kirche.

Mehr noch: Aus der Ehe von Jesus und Maria entsprang eine königliche Nachkommenschaft. Auf sie bezieht sich in Wirklichkeit die Legende vom heiligen Gral, denn der eigentliche Gral (Kelch), der Jesu Blut enthielt, ist Maria Magdalena selbst, und das königliche Blut Jesu fließt seither in den Adern seiner Nachkommen.

Zunächst gehen diese Behauptungen bereits weit über das hinaus, was die angeführten Zitate selber hergeben. Kein Evangelium, auch kein apokryphes, weiß etwas von Nachkommen Jesu und der Magdalena.

Das „Evangelium nach Philippus“ ist eigentlich eine Art Katechismus der gnostischen Valentinianer-Sekte, die sich bereits von der Kirche abgesondert hatte. Kernpunkt dieser Ende 2. oder im 3. Jahrhundert verfassten Lehrschrift ist die Verachtung der Welt im Allgemeinen und jeglicher geschlechtlicher Vereinigung und Fortpflanzung im Besonderen. Mit Sicherheit wollte daher dieser Text nicht andeuten, dass Jesus mit Maria Magdalena ein intimes Verhältnis oder gar Kinder hatte. Dies umso weniger, als der Kuss auf den Mund in jener Kultur eine übliche Begrüßungsform und Bezeugung enger geistlicher (und nur geistlicher) Gemeinschaft war; im Philippus-„Evangelium“ kommt er immer wieder vor, auch zwischen Männern.

Beim „Evangelium nach Thomas“ ist zum richtigen Verständnis der Kontext des Zitates entscheidend: Nachdem Petrus nämlich Maria Magdalena zurückgewiesen hat, weil sie eine Frau ist, antwortet ihm Jesus: „Fürchte dich nicht, Ich werde aus ihr einen Mann machen, damit sie ein lebendiger Geist wird wie ihr Männer. Denn jede Frau, die sich zum Mann macht, wird ins Himmelreich eingehen.“ In wie übertragenem Sinn man diese Stelle auch immer deuten will (Brown versteht sein Zitat wörtlich), aus ihr spricht jedenfalls weder eine Wertschätzung des Weiblichen noch eine Anspielung auf Nachkommenschaft.

Dagegen zeichnen die vier Evangelien der Hl. Schrift ein ungleich viel positiveres Bild der Frau. In ihnen behandelt Jesus die Frauen mit einer damals ganz ungewohnten Wertschätzung. Er deckt die Scheinheiligkeit einer Gesetzgebung auf, die Ehebrecherinnen mit der Steinigung bestraft, während sie vor der Sünde des Mannes beide Augen zudrückt (Joh 8,1-11); er nimmt die Prostituierten in gleicher Weise auf wie die Gerechten (Mt 21,31 ff.); und vor allem wurde er von einer Frau geboren, Maria, der in der Kirche über die Jahrhunderte hinweg die höchste Verehrung zuteil wird. – Außerdem erweisen sich die „frommen Frauen“ (seine Mutter Maria, Maria Magdalena und andere) bei Jesu Kreuzigung stärker als die Apostel, denn sie harren bei ihm aus, während die Apostel fliehen. Und sie sind die ersten Zeugen seiner Auferstehung.

Der Zölibat existierte auch zur Zeit Jesu, z.B. in den Gemeinschaften von Qumran und bei den Essenern. Dort lebte man ihn in der Erwartung des Messias. Auch andere Personen der Bibel waren unverheiratet, so der Prophet Jeremias, Johannes der Täufer und Paulus.

WEITERE BEHAUPTUNGEN ÜBER DIE KATHOLISCHE KIRCHE Behauptung: Das Handeln der Kirche wird vom Hunger nach Macht bestimmt. Für den Zweck der Macht ist ihr jedes Mittel recht, besonders auch die Lüge.

Der tiefste Beweggrund für das Handeln der Kirche ist die Verkündigung der Frohbotschaft Jesu Christi an alle Völker und der Dienst der Liebe („diakonia“) an den Menschen. Die Kirche hat die Bildung und Kultur der Antike vertieft und über die langen Jahrhunderte des Mittelalters hinweg erhalten. Auf ihrem Boden sind auch das soziale Gewissen und der tätige Dienst am Nächsten gewachsen. Der Glaube der Kirche hat unzählige Christen zu einem Leben der Liebe und Hingabe bewegt: Franz von Assisi, Ignatius von Loyola, Vincenz von Paul, Johannes Bosco, Adolph Kolping, Maximilian Kolbe, Edith Stein, Mutter Teresa und viele andere. Die katholische Kirche ist das größte Sozialwerk der Welt (Mary Ann Glendon). Das alles wäre undenkbar, wenn sie ihrem Wesen nach ein bloßer Machtapparat wäre.

Bei ihrem Einsatz für die Rechte und Würde der Schwächeren geriet die Kirche im Lauf ihrer Geschichte immer wieder in Konflikt mit der politischen Macht. Eine Reihe von engagierten Christinnen und Christen ließen bei diesem Einsatz ihr Leben.

Der Vorwurf schließlich, die Kirche bediene sich für ihre Zwecke der Lüge, klingt aus keinem Mund so unglaubwürdig wie aus jenem von Dan Brown: Er hat sein Multimillionengeschäft dank einer krassen Fälschung der Kirchengeschichte gemacht …

Behauptung: Die katholische Kirche wollte die Verbreitung der Schriftrollen, die in Qumran am Toten Meer gefunden wurden, verhindern, weil man dort die ersten christlichen Texte fand, die den „offiziellen“ Evangelien widersprachen.

Diese Behauptung wurde selbst von protestantischer Seite widerlegt (Otto Betz e Rainer Riesner, Jesus, Qumran und der Vatikan, Herder 1993). Ein solches Manöver wäre schon deswegen unsinnig gewesen, weil in Qumran überhaupt keine christlichen Apokryphen gefunden wurden, geschweige denn solche mit brisantem Inhalt. Mehr noch: Man ist dort auf das Fragment 7Q5 gestoßen, das den Evangelien nicht nur nicht widerspricht, sondern möglicherweise sogar das älteste bekannte Textstück des Markus-Evangeliums ist, geschrieben vor dem Jahr 70 n.Chr.

Behauptung: Gemäß der Lehre der Kirche kam die Sünde durch die Frau in die Welt. Deshalb sah die Kirche die Frau als sündhaft an und unterdrückte sie.

Gemäß der Bibel (Buch Genesis) ließ sich die Frau in der Tat zur Auflehnung gegen Gott verführen. Doch das ist weniger als die halbe Wahrheit. Zuerst ist daran zu erinnern, dass sich der Mann in der selben Weise verführen ließ. Vor allem aber ist es Lehre der Kirche, dass auch die Überwindung der Sünde zuerst durch eine Frau kam, nämlich durch Maria, die Mutter Jesu. Deshalb ist sie nach katholischer Auffassung die Größte unter allen Heiligen beiderlei Geschlechts. Bezeichnenderweise kommt diese überragende Frau in Browns Erzählungen überhaupt nicht vor.

Die von Brown beschworenen antiken Fruchtbarkeitskulte machten die Frauen keineswegs zu Göttinnen, sondern zu Sklavinnen. Es war gerade das Christentum, das diesen entwürdigenden Missstand überwand.

Behauptung: Die Kirche verfolgte alle Kulte, die das göttlich Weibliche verehrten, mit grausamer Härte. Die katholische Inquisition veröffentlichte den „Malleus Maleficorum“, im Volksmund “Hexenhammer”, das vielleicht blutrünstigste Druckwerk der Menschheitsgeschichte. Darin leitete sie den Klerus an, gelehrte Frauen, Mystikerinnen, Kräutersammlerinnen usw. ausfindig zu machen, sie durch Folter zum Geständnis zu bringen und auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Auf diese Weise hat die Kirche nicht weniger als 5 Millionen Frauen umgebracht.

Hier haben wir es zuerst einmal mit einer Phantasiezahl zu tun. Nach neuesten Berechnungen forderten die Hexenverfolgungen in Europa insgesamt etwa 50.000 Opfer (was selbstverständlich immer noch 50.000 zu viel sind). Nicht alle waren Frauen und nicht alle wurden verbrannt. Die Hexenjagd wurde von der römischen Kirche weder inszeniert noch gefördert, und der „Hexenhammer“ stammte nicht von der Inquisition, sondern von zwei fanatischen deutschen Hexenjägern. In nicht katholischen Gegenden war die Verfolgung länger und gewalttätiger.

Der Hexen-Aberglaube war ein schwer kontrollierbares Volksphänomen, ein Rückfall in eine primitive, vorchristliche Denkweise, vor allem nördlich der Alpen. Die Kirche verurteilte ihn während Jahrhunderten. Schlecht beraten von Humanisten, die die Hexerei für wissenschaftlich erwiesen erklärten, anerkannte sie Papst Innozenz VIII. 1484 in einer Bulle rechtlich als Delikt. Diese Bulle wurde von den deutschen Hexenjägern Heinrich Institoris und Jakob Sprenger in ihren überaus populären „Hexenhammer“ aufgenommen, der nun unter dem Anschein päpstlicher Förderung eine fatale Wirkung ausübte.

Zur eigentlichen Massenpsychose wurde der Hexenglaube im 16. Jahrhundert. Es hagelte nun Anklagen bei den Gerichten. Von rund 100.000 Angeklagten wurden etwa die Hälfte verurteilt, davon etwa 20 % Männer, zum größeren Teil allerdings nicht von kirchlichen, sondern von zivilen Gerichten. – Die kirchliche Inquisition existierte damals nur noch in Italien, Spanien und Portugal. In ihren 20.000 dokumentierten Prozessen wurden mit Ausnahme von knapp 100 Personen alle Angeklagten freigesprochen.

Um 1610 führte der spanische Inquisitor Alonso de Salazar Fries in Holland eine Untersuchung über die Hexerei durch. Er kam zum Ergebnis, dass es für ein solches Delikt keine wissenschaftliche Basis gab. Daraufhin wurden im ganzen spanischen Reich die Hexenprozesse eingestellt, wenig später auch im Gebiet der römischen Inquisition.

Die kirchliche Inquisition war somit keineswegs die treibende Kraft der Hexenverfolgung. Vielmehr war sie gezwungen, auf dieses „von unten“ kommende Phänomen zu reagieren. Ihr größter Fehler war es, dem Druck insbesondere der damaligen „Wissenschaft“ nachzugeben und die Hexerei als Delikt anzuerkennen.

In der Epoche der Hexenprozesse taten sich zahlreiche Frauen als Heilige hervor: Katharina von Siena, Brigitte von Schweden, Theresia von Avila und viele weitere Ordensgründerinnen. Besonders zu erwähnen ist auch die hl. Hildegard von Bingen, eine große Expertin in Heilkräutern.

Vgl. Gustav Henningsen, “La Inquisición y las brujas”, in L’Inquisizione, Atti del Simposio internazionale dal 29 al 31 ottobre 1998, hrsg. von A. Borromeo, Vatikan-Stadt 2003, S. 567-605.

Johannes Paul II., Brief an die Frauen (1995), Apostolisches Schreiben über die Würde und Berufung der Frau (Mulieris Dignitatem, 1988)

Behauptung: Für die katholische Kirche sind Sexualität und Ehe in sich schlecht.

Die Ehe wird von der Kirche nicht bloß akzeptiert oder geduldet, sie ist eines ihrer Sakramente und steht somit in einer Reihe mit Taufe, Firmung, Eucharistie und Priesterweihe. Deswegen hat sie auch ehe- und leibfeindliche Lehren, die im Lauf ihrer Geschichte auftraten, als Irrtümer ausgeschlossen (z.B. das oben zitierte Pseudo-Evangelium nach Philippus). Gewiss drangen bisweilen Strömungen in sie ein, die dem Leiblichen negativ gegenüberstanden, doch gingen diese nie in die offizielle Lehre und in die liturgische Praxis der Kirche ein. Andererseits hat sich die Kirche aber auch stets dem Körperkult widersetzt. Bezüglich der Sexualität geht es ihr seit jeher auch darum, sie von entwürdigenden Abhängigkeiten zu befreien, sie der Vergötzung und Kommerzialisierung zu entziehen und sie in die personale Liebe zwischen Frau und Mann zu integrieren.

Vgl. Papst Benedikt XVI., Enzyklika Deus Caritas est (2006), besonders Nr. 3-18.

ÜBER DAS PRIORAT VON SION Behauptung: 1975 wurden in der Nationalbibliothek in Paris die „Dossiers secrets“ entdeckt. Diese Pergamente enthüllen, dass die legitimen Anwärter auf den französischen Königsthron noch immer die 751 entmachteten Merowinger sind. Da Kirche und Karolinger versuchten, sie deswegen auszurotten, entstand im 11. Jahrhundert zu ihrem Schutz eine Geheimgesellschaft, das Priorat von Sion, das bis heute besteht. Diese Bruderschaft hütete zugleich das Geheimnis von der Ehe und Nachkommenschaft Jesu mit Maria Magdalena. Ihm gehörten unter anderen Persönlichkeiten wie Newton, Botticelli, Victor Hugo und Leonardo Da Vinci an.

Die „Dossiers secrets“ sind keine Pergamente, sondern Anweisungen, wie bestimmte Pergamente zu interpretieren sind. Die Pergamente selbst befinden sich bis heute in Privatbesitz eines Esoterikers. Alle diese Dokumente jedoch sind unecht. Drei französische Esoteriker fälschten sie im Jahr 1967. Sie deponierten die „Dossiers secrets“ noch im selben Jahr in der Nationalbibliothek von Paris und inszenierten anschließend ihre „Entdeckung“. Sie alle gaben die Fälschung später zu und bestätigten damit, was paläographische Untersuchungen bereits zuvor ergeben hatten. Abgesehen davon ist in diesen Scheindokumenten nirgends von Jesus oder von Maria Magdalena die Rede.

Historisch bezeugt ist, dass der Kreuzfahrer Gottfried von Bouillon 1099 in Jerusalem eine „Abtei [nicht Priorat] Unserer Lieben Frau von Sion“ gegründet hatte. 1291 mussten die wenigen verbliebenen Mönche Palästina verlassen und flohen nach Sizilien, wo der Orden im 14. Jahrhundert ausstarb. Die Abtei hatte weder mit den Tempelrittern noch mit Maria Magdalena etwas zu tun. – Das gilt erst recht für das wirkliche „Priorat von Sion“: Dieser esoterische Bund wurde 1956 gegründet und leitete seinen Namen nicht vom Berg Sion in Jerusalem her, sondern von einem Hügel in der Nähe von Annemasse bei Genf. Er zählte nie mehr als 15 Mitglieder.

Browns gesamte Geschichte rund um das Priorat von Sion entbehrt somit jeglicher historischer Grundlage. 

FAZIT

Insgesamt ist festzuhalten: Der Roman „Sakrileg“ entlarvt keinen falschen Mythos, sondern schafft im Gegenteil einen solchen, so wie viele andere in der Vergangenheit in die Welt gesetzt worden sind. Genauer müsste man sagen: Er wärmt alte Mythen auf und verschraubt sie zu einem noch phantastischeren Ganzen. Dass es ihm dennoch gelingt, sich mit der Aura wissenschaftlicher Wahrheit zu umgeben, verdankt er zum größten Teil der verbreiteten Unkenntnis über die Lehre, die Geschichte und die Institutionen der Kirche.

Umberto Eco, Autor des Romans „Der Name der Rose“: „Wenn Ihnen von katholischer Seite erklärt wird, dass alle im Buch („Sakrileg“) enthaltenen Behauptungen falsch sind, dann verlassen Sie sich darauf!“ („L’Espresso“, 30. Juli 2005) LITERATURHINWEISE:

Amy Welborn: De-Coding Da Vinci. The Facts Behind the Fiction of „The Da Vinci Code“. 2004.

Carl E. Olson und Sandra Miesel: The Da Vinci Hoax. Exposing the Errors in „The Da Vinci Code“. Ignatius Press, 2004.

Darrell L. Bock: Die Sakrileg-Verschwörung. Fakten und Hintergründe zum Roman von Dan Brown. Brunnen-Verlag, Gießen 2006.ISBN: 376551926X

Massimo Introvigne: Gli Illuminati e il Priorato di Sion. La verità sulle due società segrete del „Codice Da Vinci“ e di „Angeli e Demoni“. Piemme, Casale Monferrato 2005.

https://davincicode-opusdei.com (Webblog von Fth. John Wauck, Priester des Opus Dei).

Opus Dei in der Schweiz