Jugend des Papstes feiert in Madrid

Bericht über den Weltjugendtag - Benedikt XVI. ermuntert die Teilnehmer, Apostel des 21. Jahrhunderts zu sein

Die Willkommensfeier

Wie schon bei den vorangegangenen Weltjugendtagen folgten auch in diesem Jahr die jungen Gläubigen wieder voller Enthusiasmus der Einladung des Papstes zum größten  Glaubensfest der katholischen Kirche. Mitte August versammelten sich bis zu eine Million junger Teilnehmer aus allen fünf Kontinenten in Madrid. Gleich zur Begrüßung nach dem Einzug durch das Tor auf dem Plaza de Cibeles öffnete Benedikt XVI. den Jugendlichen sein Herz: "Ihr bringt Fragen mit und sucht Antworten. Es ist gut, immer zu suchen. Vor allem sucht die Wahrheit, die nicht eine Idee, eine Ideologie oder ein Slogan ist, sondern eine Person, Christus, Gott selber, der zu den Menschen gekommen ist." Danach lud er seine jungen Freunden dazu ein, "zur ewigen Quelle eurer Jugend zu kommen und den absoluten Protagonisten dieses Weltjugendtages und – so hoffe ich – eures Lebens kennenzulernen: Jesus Christus.” Überall, wo er mit dem Papamobil vor und nach den Veranstaltungen vorbeifuhr, hatte der Gast aus Rom die jungen Zuhörer schnell für sich gewonnen. So konnte er ihnen auch mit großem Einfachheit zurufen: ”Die Kirche braucht euch, und ihr braucht die Kirche." Sie dankten ihm für diesen Vertrauensvorschuss sofort, vor allem indem sie immer wieder aus voller Kehle mit dem beliebtesten Ruf des Treffens skandierten: "Esta es la juventud del Papa!”, zu Deutsch “Wir sind die Jugend des Papstes!” Sein innigster Wunsch für die gemeinsamen drei Tage lautete dann auch: "Möge die Flamme der Liebe Christi in euren Herzen niemals erlöschen!"

Gebet, Erkenntnis und Begegnungen Bereits in der vorher ausgesandten Botschaft zum Weltjugendtag hatte der Heilige Vater bemerkt, es sei "eine Art ,Gottesfinsternis' festzustellen, ein gewisser Gedächtnisschwund, wenn nicht sogar eine ausgesprochene Ablehnung des Christentums und eine Zurückweisung des empfangenen Glaubensguts, wobei die Gefahr besteht, die eigene tiefere Identität zu verlieren". Reich an Gebet, Erkenntnis und Begegnungen sollte der Weltjugendtag daher werden, gab er den Teilnehmern aus 193 Ländern mit auf ihren Weg durch die Plätze und Straßen Madrids.

Fröhliches Treiben in der ganzen Stadt

Und so war die ganze Stadt erfüllt vom fröhlichen Treiben der jungen Leute mit ihren knallgelben Weltjugendtags-T-Shirts und den breiten Sonnenhüten zum Schutz gegen die starke Hitze. Allenthalben herrschte eine Grundstimmung, die von großer Gelassenheit, gegenseitigem Interesse und viel Zuvorkommenheit gekennzeichnet war. Da wurden an allen Ecken und Enden der Metropole in jugendlicher Begeisterung bunte Landesflaggen ausgetauscht. Priester nahmen irgendwo unter freiem Himmel jemandem die Beichte ab. Mitten auf dem riesigen Pilgerfeld bei der Abschlussveranstaltung fielen sich Freunde aus ganz unterschiedlichen Winkeln der Erde um den Hals, die sich völlig unerwartet über den Weg gelaufen waren, oder auch solche, die aus der selben Stadt angereist waren und sich hier im dichten Gewühl plötzlich wiedertrafen. Tief ins Gebet versunken verehrten andere das in der Monstranz ausgesetzte Altarsakrament in irgendeiner Kirche der Altstadt. Zugleich waren woanders brasilianische Fiesta-Stimmung – erst recht nach der offiziellen Ankündigung, dass Rio de Janairo 2013 Gastgeber des nächsten Treffens sein wird, wo der Papst auch hinzukommen gedenkt – direkt neben dem brüderlichen Dienst der etwa 30.000 Freiwilligen mit ihren grünen Hemden zu beobachten.

Andächtige Stille beim Kreuzweg

Bei der Betrachtung der Kreuzwegstationen mit berühmten Darstellungen des Leidens des Herrn  aus mehreren Städten Spaniens hatte der Pontifex die Jugendlichen, die ihm andächtig lauschten, sehr nachdenklich gemacht: “Angesichts einer so selbstlosen Liebe fragen wir uns nun voller Staunen und Dankbarkeit: Was sollen wir für ihn tun? Welche Antwort sollen wir ihm geben”. Auch wir müssten unser Leben für unsere Brüder hingeben und Christus darum bitten, dass er uns die geheimnisvolle Weisheit des Kreuzes lehre, der der Mensch sein Leben verdanke.

Der Kreuzweg

Weitergabe des Glaubens

Cantus firmus der Tage in Madrid war die Aufforderung zur Weitergabe des Glaubens an Christus. Das war auch schon ein beherrschendes Thema bei den zahlreichen Katechesen mit vielen der 800 nach Madrid angereisten Bischöfen aus aller Welt, bei denen sich die Gläubigen drei Tage lang jeweils vormittags spirituell auf die gemeinsamen Großveranstaltungen mit dem Papst eingestimmt hatten. So ermunterte der Kölner Weihbischof Heiner Koch die deutschsprachigen Pilger: "Der Glaube wächst, wenn wir den Glauben teilen." Es sei vielleicht ein Hauptgrund für die Krise in der Kirche, dass der Glaube nicht weitergegeben werde. Koch verdeutlichte diesen missionarischen Geist, indem er den Text für eine Fürbitte zitierte, den eine mittlerweile verstorbene Hauptorganisatorin des Weltjugendtages 2005 in Köln formuliert hatte, dessen Generalsekretär er gewesen war: „Gib uns das Wissen, die Dich nicht kennen, zu Dir mitreißen zu können!“ Die Jugendlichen in der überfüllten Pfarrkirche eines Vororts der spanischen Landeshauptstadt verstanden die Botschaft spontan und quittierten sie mit einem kräftigen Applaus.

Katechese mit Kardinal Meisner

Am nächsten Tag gestand Kardinal Joachim Meisner bei seiner Katechese am gleichen Ort zunächst einmal, dass er es gar nicht wert sei, so tolle Jugendliche zu haben: „Darum danke ich der Gnade Gottes, dass es euch gibt.“ Auch der Kölner Oberhirte rief mit einer sehr persönlichen Erinnerung aus seiner Kindheit dazu auf, ein glühendes Zeugnis von Christus in der Welt abzulegen. Seine Mutter habe immer gesagt, einem Kind das Leben zu geben, bedeute, dass das eigene Herz auf Beinen durch die Welt laufe. Wir seien Kinder Gottes, Gott habe sich damit abgefunden, dass sein göttliches Herz auf unseren Beinen durch die Welt laufe. Es sei wichtig, im Gesprächs- und Blickkontakt durch Gebet und Betrachtung mit Gott zu bleiben: „Ein wirklich erleuchteter Mensch hinterlässt eine Leuchtspur in seinem Leben wie ein Heiliger.“ Die in unserer Zeit gewachsene Bedeutung des Kontakts mit dem gelebten Beispiel der gläubigen Christen machte er daran deutlich, dass viele Mitmenschen die Heilige Schrift nicht mehr lesen würden. Meisner forderte dazu auf, sich nicht auf fromme Nischen zu beschränken. Die Kirche trete kompromisslos für das Recht der Ungeborenen und der Altgewordenen ein, was zu Widerspruch führe. Ziel müsse es sein, den Anderen zur „Christusglücklichkeit“ zu verhelfen.

Anbetung des Allerheiligsten bei der Vigil nach Sturmböen

Der Höhepunkt des Weltjugendtags fand schließlich auf Madrids ältesten Flughafen “Cuatro Vientos“ (”Vier Winde”) am Wochenende statt. Und der machte seinem Namen am Samstagabend dann alle Ehre: Den ganzen Tag über hatten extreme Temperaturen von knapp 40 Grad geherrscht. Wasserflaschen wurden kostenlos verteilt, zur Abkühlung verspritzten Feuerwehrleute von den Dächern ihrer Fahrzeuge aus mit dicken Schläuchen immer wieder eine erfrischende Dusche über das Volk. Doch musste der Papst kurz nach Beginn der Vigil seine Ansprache wegen Sturmböen und Regen nicht nur für mehr als eine Viertelstunde unterbrechen. Sondern er konnte nach geduldigen Warten, währenddessen er von einem Regenschirm beschützt wurde, sich aber nicht zurückziehen wollte, auch nur noch kurze Grußworte in sechs Sprachen an die Pilger richten. In Deutsch erklärte er: „Tief in unserem Herzen sehnen wir uns nach dem Großen und Schönen im Leben. Lasst eure Wünsche und Sehnsüchte nicht ins Leere laufen, sondern macht sie fest in Jesus Christus. Er selber ist der Grund, der trägt, und der sichere Bezugspunkt für ein erfülltes Leben.“ Dann kniete die unüberschaubare Menschenmenge zusammen mit Benedikt XVI. in andächtiger Stille vor dem ausgesetzten Allerheiligsten in einer riesigen und wunderschönen Monstranz aus dem 16. Jahrhundert zur Anbetung nieder. Nach dem sakramentalen Segen wandte sich der Heilige Vater angesichts der widrigen Umstände durch das plötzliche Unwetter zur Unzeit noch einmal an die Jugendlichen: „Wir haben gemeinsam ein Abenteuer erlebt. Fest im Glauben an Christus habt ihr im Regen ausgehalten.“ Ein Großteil der Pilger verbrachte die Nacht danach singend, betend oder schlafend auf dem Feld.

Während der Vigilfeier

Jugendliche sollen Boten der Freude Christi werden

Zum Abschluss des großartigen sechstägigen Megaevents am Sonntag hatten sich unterschiedlichen Angaben zufolge 1,5 bis 2 Millionen Menschen zur Messe auf dem Flughafen eingefunden. In der Predigt erinnerte der Papst seine Zuhörer daran, dass Jesus im Glauben nachfolgen heiße, in der Gemeinschaft der Kirche mit ihm zu gehen: „Wer der Versuchung nachgibt, ,auf seine eigene Weise' Jesus zu folgen oder den Glauben entsprechend der in der Gesellschaft vorherrschenden individualistischen Auffassung zu leben, läuft Gefahr, Jesus Christus niemals zu begegnen oder letztlich einem Zerrbild von ihm zu folgen.“ Benedikt XVI. lud die Jugend der Welt dazu ein, ein mutiges Zeugnis christlichen Lebens abzulegen. „So werdet ihr ,Sauerteig' für neue Christen sein und dafür sorgen, dass im Herzen vieler Menschen Kirche kraftvoll aufbricht." Christus wolle, "dass ihr seine Apostel im 21. Jahrhundert und Boten seiner Freude seid. Enttäuscht ihn nicht! Danke.“

Den Volunteers hatte er später bei einem Treffen vor seinem Abflug für ihren wertvollen Dienst gedankt und sie gleichzeitig aufgefordert sich zu fragen: „Könnte ich nicht mein ganzes Leben der Aufgabe widmen, im Priestertum, im geweihten Leben oder in der Ehe der Welt die Größe seiner Liebe zu verkünden?“ Wenn diese Unruhe aufgekommen sei, sollten sie sich vom Herrn führen lassen und sich freiwillig in den Dienst dessen geben, der nicht gekommen sei, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen. Dass das Glaubensfestival mit dem 84-Jährigen bei vielen jungen Leuten den Nerv genau getroffen hatte, brachte der Münsteraner Pilger Patrick Stephan auf den Punkt, indem er zusammenfasste: „Natürlich werde ich die Vigil und die Heilige Messe in Gemeinschaft mit so vielen Jugendlichen nie vergessen. Aber sehr beeindruckend war es auch, bei der Eröffnungsfeier und beim Kreuzweg den Papst sehr genau beobachten zu können".

von Bernd Kreuels