Die Gotteskindschaft: Quelle des geistlichen Lebens

Nach dem Artikel „La conciencia de la filiación divina, fuente de vida espiritual“, verfasst vom Professor für Theologie Javier Sesé und veröffentlicht in „Scripta Theologica“ 31 (1999/2).

Rembrandt Verlorender Sohn - mit Inhaltsverzeichnis zum Artikel Gotteskindschaft von Javier Sesé, veröffentlicht in „Scripta Theologica“ 31 (1999/2).

1. Aus der Erfahrung der Heiligen

„Gott behandelt in dieser inneren Vereinigung die Seele mit so viel Liebe, dass es keine Neigung einer Mutter gibt, die mit so viel Zärtlichkeit ihr Kind liebkost (…) Und so ist er damit beschäftigt, die Seele zu liebkosen und zu streicheln, wie eine Mutter ihr Kind umsorgt und liebkost, indem sie es mit ihrer eigenen Brust nährt; daran soll die Seele die Wahrheit der Worte des Jesaja erkennen: ’Ihre Kinder wird man auf den Armen tragen und auf ihren Knien schaukeln’ (Jes 66,12)“. So der heilige Johannes vom Kreuz in seinem Cántico espiritual.

„Angesichts von Worten wie diesen ist es nur möglich zu schweigen und aus Dankbarkeit und Liebe zu weinen“, ergänzt die heilige Theresia vom Kinde Jesu auf dasselbe Zitat von Jesaja Bezug nehmend; und sie fügt neben anderen Stellen der Schrift hinzu: „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse dich nicht“ (Jes 49,15).

Deshalb sagt die heilige Theresa von Jesus von Gott, „dass er zwangsweise besser als alle Väter der Erde sein muss, denn in ihm kann das Gute nur vollkommen erfüllt sein“; und der heilige Josefmaria stellt parallel dazu fest, dass Gott ein Vater ist, der uns mehr liebt. „als alle Mütter der Welt ihre Kinder lieben können“ Und er fügt bei anderer Gelegenheit bewegt hinzu: „Die Worte können dem Herz nicht folgen, das angesichts der Güte Gottes gerührt ist. Er sagt uns: Du bist mein Sohn. Nicht ein Fremder, nicht ein wohlwollend behandelter Dieser, nicht ein Freund, was schon viel wäre. Sohn! Er gewährt uns freien Zugang, damit wir mit ihm in der Liebe eines Sohnes leben, und ich wage zu behaupten, auch die Unverschämtheit des Sohnes eines Vaters, der unfähig ist, ihm etwas zu verweigern“.

Diese Texte, die als Ansatz für unsere Überlegung zitiert wurden, stehen paradigmatisch sowohl für ihren Inhalt als auch für ihre Methode. Wir wollen in der Tat eine theologische Reflexion über das Bewusstsein der Kindschaft als Quelle des geistlichen Lebens vorlegen, aber inspiriert von der Erfahrung und der Lehre der Heiligen.

Es ist weder meine Absicht, konkrete Texte bestimmter Meister der Spiritualität zu analysieren; noch mit einer umfassenden Darlegung von Beispielen zu überfordern, - auch wenn ich zur Stützung meiner Überlegungen zahlreiche Beispiele anführen werde, - sondern darzulegen, was durch die Lektüre, das Studium und vor allem eine theologische „Betrachtung“ der Lehre und der inneren Erfahrung verschiedener Heiliger mich als gemeinsame Synthese von ihnen allen erkennen lässt.

Auf diese Weise möchte ich einige Ideen darlegen, die einerseits hinsichtlich ihres Charakters und ihrer Umsetzung möglichst universal sind und andererseits von unterschiedlichen theologischen Autoritäten gestützt werden. In der Tat kann und muss die Gotteskindschaft als gemeinsame und grundlegende Bedingung des Christseins uns allen auf dem Weg unseres geistlichen Lebens helfen; und die Erfahrung und die Lehre jener, die diesen Weg erfolgreich durchlaufen haben, ist die beste Garantie sowohl für die Wahrhaftigkeit unserer Feststellungen als auch hinsichtlich ihres praktischen Nutzens.

Wenn meines Erachtens die ganze Theologie harmonisch zur Erkenntnis der göttlichen Wahrheit und zur Festigung der persönlichen Heiligkeit führen soll, dann umso mehr jener Teil dieser Wissenschaft, die ausdrücklich die christliche Heiligkeit studiert, und die wir als spirituelle Theologie zu bezeichnen pflegen; und wenn die Heiligen entscheidendes Licht zu jeder guten theologischen Reflexion beisteuern, dann sind sie für die spirituelle Theologie unumgänglich.

Ich denke, dass mein Beitrag außerdem eine Ergänzung zu dem sein kann, was wir bis jetzt in dem Symposium gehört haben; nicht so sehr, weil wir verschiedene Dinge sagen, denn wir betrachten weiterhin die Gestalt unseres Vaters Gott, sondern weil wir diese Ideen aus einer anderen Perspektive beleuchten: einer Perspektive, die hoffentlich für alle lebendig und belebend ist, wie sie es ohne Zweifel für jene war, die diese Zeilen inspiriert haben.

Als letzte einleitende Überlegung dürfen wir nicht vergessen, dass wir dem Hauptgeheimnis unseres Glaubens (Gott selbst) gegenüberstehen, das aus spirituellen Erfahrungen betrachtet wird, die ihrerseits ein anderes Mysterium des Glaubens verbergen: das des göttlichen Lebens im Inneren der christlichen Seele. Es gibt daher in diesen Wirklichkeiten viel mehr – unendlich mehr – als hier gesagt werden kann, und in der Erfahrung dieser Heiligen gibt es diesbezüglich viel mehr Reichtum, als die Theologie bis jetzt herausholen konnte. Deshalb öffnet jede hier gemachte Feststellung neue und weite Horizonte der Überlegung. Aber das ist gerade einer der großen Anreize der theologischen Wissenschaft und besonders der spirituellen Theologie.

2. Väterliche Liebe Gottes und trinitarische Intimität

Die reflektive Betrachtung von Texten und Erfahrungen, wie sie zu Beginn zitiert wurden, haben mich in diesen letzten Monaten zu einer ersten Überzeugung geführt, die ich als fundamental ansehe und die ich für alles Folgende als Schlüsselidee vorlege: Das was die Heiligen reagieren lässt, ist nicht so sehr das Bewusstsein, Tochter oder Sohn Gottes zu sein, sondern das jedes Mal tiefere und lebendigere Verständnis, was es bedeutet, dass „Gott mein Vater ist“; das heißt, die Entdeckung der unendlichen göttlichen Liebe, die sich in ihn oder in sie ergießt: die lebendige und praktische Erkenntnis „wie sehr Gott mich liebt“.

Der Heilige ist sich zweifellos bewusst, was die göttliche Liebe in seinem eigenen Sein und in seinem Leben verursacht, und er dankt aufrichtig dafür; aber mehr als sich auf sich selbst zu konzentrieren, konzentriert er sich auf Gott: er betrachtet erstaunt seine unendliche Größe und entdeckt verwundert, dass all dieser Glanz nicht statisch und wie fremd vor seinen Augen bleibt, sondern sich ihm zuneigt, sich ihm gibt, sich ihm zu eigen macht, ohne einen anderen Grund als die reine Freigiebigkeit seiner göttlichen Liebe.

Diese Gefühle lagen auf besondere Weise den eingangs zitierten Texten zugrunde, aber sehen wir uns andere aussagekräftige Worte an, in diesem Fall die von der heiligen Teresa de los Andes, die uns einen weiteren Zugang ermöglichen: „Unser Herr sagte mir, dass er wollte, dass ich mit ihm in einer dauernden Vereinigung lebe, weil er mich sehr liebte (…) Dann sagte er mir, dass die heiligste Dreifaltigkeit in meiner Seele wäre; ich sollte sie anbeten (…) Meine Seele war überwältigt. Ich sah ihre unendliche Größe und wie sie herabstieg, um sich mit mir zu vereinigen, die ich elend bin. Er, die Unermesslichkeit mit der Kleinheit; die Weisheit mit der Unwissenheit; der Ewige mit dem beschränkten Geschöpf; aber vor allem, die Schönheit mit der Hässlichkeit; die Heiligkeit mit der Sünde. Dann ließ er mich auf schnelle Weise im Inneren meiner Seele die Liebe begreifen, die ihn aus sich herausgehen ließ, um mich zu suchen (…) Ich sah (…), dass er sich mit einer so erbärmlichen Kreatur vereinigen will; er will sie mit seinem eigenen Sein identifizieren, indem er sie aus ihrem Elend herausholt, um sie auf eine Weise zu vergöttlichen, damit sie seine unendlichen Vollkommenheiten erlangt“.

Gestützt auf die eben zitierten Worte, heben wir zwei weitere grundlegende Ideen hervor, die ich von der ersten, bereits erwähnten, als untrennbar erachte: Es ist der allmächtige, unermessliche, ewige, unendliche, unveränderliche Gott, der unser Vater ist und der uns so liebt, mit aller mütterlichen, rührenden Zärtlichkeit, von der wir zu Beginn gesprochen haben; und es ist zugleich der dreifaltige Gott, der sich uns so hingibt – nicht nur, weil er uns die Geheimnisse seiner trinitarischen Innerlichkeit offenbart, sondern weil er die Seele in dieselbe Innerlichkeit einführt.

Damit beziehe ich mich nicht auf die Schlussfolgerung, dass das Gesagte so sein muss, weil Gott so ist; sondern darauf, dass das lebendige Bewusstsein, das die Heiligen von dieser väterlichen, göttlichen Liebe haben, die sich in die Seele ergießt und die sie bis ins Innerste bewegt, untrennbar drei Aspekte einschließt, deren Verbindung eben die Intensität und Tiefe ihrer inneren Reaktion hervorruft: Die Liebe Gottes zu mir ist so nahe und vertraut wie die zwischen einer Mutter und ihrem neugeborenen Kind (erster Aspekt); nicht weil er sich herablässt, einige Brösel seiner unendlichen Liebe zu geben, sondern weil er sich wirklich hingibt wie er ist, in seiner Größe und Unendlichkeit (zweiter Aspekt); und den unwiderlegbaren Beweis, dass das tatsächlich so ist, stellt die Tatsache dar, dass Gott sich mir hingibt, wie er sich seinem Sohn hingibt (dritter Aspekt): Er ist mein Vater, wie er Vater Jesu ist; meine Kindschaft ist Teilhabe an der Kindschaft seines Sohnes selbst; und seine Liebe zu mir ist wie die Liebe, mit der er seinen Sohn liebt: er schenkt mir dieselbe Liebe des Vaters und des Sohnes, die der Heilige Geist ist.

Anders gesagt: Die Erfahrung und Lehre der Heiligen – Widerhall dessen, was in der Hl. Schrift zum Ausdruck kommt– zeigt uns einerseits, dass es nur aus dem Inneren der Dreifaltigkeit selbst, und weil sie die Initiative ergreift, sich zu öffnen und sich zu schenken, wahre Vertrautheit mit Gott, wahren Austausch der Liebe, wahren väterlich-kindlichen Umgang geben kann; und andererseits – oder besser, als Folge – dass nur so Gott wirklich mein ist und all das Seine mein ist, ohne aufzuhören Gott zu sein.

Der Heilige begreift tief und lehrt durch diesen Ausdruck des Staunens und der Kühnheit, der Liebe und der Demut, die wunderbar miteinander verbunden sind, dass Gott nicht wirklich Vater wäre, wenn er mich „wie außerhalb von sich“, das heißt nicht trinitarisch, lieben würde: er wäre höchstens nur analog oder begrenzt Vater: schon gut, sogar fähig, uns mit einer Unzahl von Geschenken und Zeichen der Zuneigung zu überhäufen, indem er versuchte, unser Herz zu gewinnen; aber ohne letztlich wahrhaft in dieses einzudringen: denn die Seele würde im Grunde ahnen, dass es sich um eine indirekte, ja sogar berechnende Liebe handelt, die nicht wirklich Liebe des Vaters ist.

Die Inkarnation Jesu Christi, sein Tod für uns, die Gabe des Geistes, das Leben der Dreifaltigkeit in der Seele sagen uns jedoch, dass Gott wirklich Vater ist, der mich persönlich (wir könnten sagen: drei-persönlich) liebt; jenseits von konkreten Geschenken und Gaben, so wunderbar sie auch seien… und sie sind es! Die Seele, die das von Grund auf versteht und fühlt, übersteigt die konkreten Geschenke und Gaben; denn vor allem weiß sie, dass sie Ihn immer hat, mit allen Schätzen seines eigenen göttlich-trinitarischen Lebens.

Lassen Sie uns auf dieser wichtigen Lehre bestehen, indem wir eine sichere theologische Synthese aus der Feder der heiligen Edith Stein wiedergeben: „Die Seele, in der Gott durch die Gnade wohnt, ist nicht bloß ein unpersönlicher Bildschirm, auf dem sich das göttliche Leben widerspiegelt, sondern sie selbst ist in diesem Leben. Das göttliche Leben ist trinitarisch, drei-persönlich: es ist die überbordende Liebe, mit der der Vater den Sohn zeugt und ihm sein Sein gibt, und mit dem der Sohn dieses Sein empfängt und es dem Vater zurückgibt, die Liebe, in der der Vater und der Sohn eins sind, und die beide aushauchen als ihren gemeinsamen Geist. Durch die Gnade wird dieser Geist seinerseits in die Seelen ausgegossen. Auf diese Weise ergibt sich, dass die Seele ihr Leben der Gnade durch den Heiligen Geist lebt, sie liebt in ihm den Vater mit der Liebe des Sohnes und den Sohn mit der Liebe des Vaters“.

3. Die Einzigartigkeit der Beziehung Vater-Sohn

Analysieren wir diese grundlegenden Ideen ein wenig mehr. Die heilige Seele ist sich nicht nur besonders dessen bewusst, wie sehr Gott liebt, wie er liebt, sondern auch der Einzigartigkeit seiner Liebe: wie sehr er mich liebt und wie er mich liebt; dass er nicht nur Vater ist, sondern mein Vater; nicht nur Liebe ist, sondern meine Liebe.

Deshalb wagt es der Heilige, Gott mit denselben Worten wie Jesus anzureden: „Mein Vater“, Abbá“: Papa! Er ist sich bewusst, dass er es sagen kann und sagt, weil er vom Geist des Vaters und des Sohnes, der in seiner Seele ist, bewegt ist, woran uns der heilige Paulus erinnert (vgl. Röm. 8,14-17 und Gal 4,4-7) … Aber er sagt es! Und das „Vater unser“ erreicht dann seine wahre Bedeutung: mein Vater, dein Vater und sein Vater…, von allen und jedem Einzelnen, in Jesus Christus.

So schlägt es der heilige Josefmaria Escrivá vor: „Wir werden ihm mit dem heiligen Paulus sagen: Abba, Pater! Vater, mein Vater! weil ihm, der der Schöpfer des Universums ist, nichts an hochtrabenden Titeln liegt, noch er das schuldige Bekenntnis seiner Herrschaft vermisst. Er will, dass wir ihn Vater nennen, dass wir dieses Wort genießen, indem wir unsere Seele mit Freude erfüllen“.

Gott ist auf diese Weise mein Vater (ganz nahe, ganz vertraut) …, aber er hört nicht auf, mein Gott zu sein; und das hat wichtige Konsequenzen: alle göttliche Macht, Herrlichkeit und Majestät, Güte, Wahrheit und Schönheit sind für den Menschen… konkret für mich! Sie sind mein wegen des Rechts eines Kindes. Natürlich weder verdient noch gewonnen oder erobert; aber auch nicht einfach gratis von einem allmächtigen Herrn gegeben, der sich gnädig von seiner majestätischen Höhe herablässt; sondern empfangen als unumstößliche Wirkung der Tatsache, dass er mich wirklich, mit allen Konsequenzen, zu seinem Kind gemacht hat, … Und das ist zweifellos viel größer und bewegender, auch wenn die Resultate dieselben zu sein scheinen.

Ich sage „scheinen“, denn tatsächlich sind die Resultate nicht dieselben: viele Kühnheiten – zum Beispiel apostolische -, die wir im Leben der Heiligen betrachten, sind meines Erachtens nur zu erklären, weil sie die Macht Gottes „benützen“, wie es einem Kind eigen ist, einem rechtsgültigen Erben. Noch besser gesagt: wie eine Macht, die aus Gott selbst hervorquillt, der im Inneren der eigenen Seele wirkt, und nicht einfach wie ein von außen empfangenes, zum Gebrauch bestimmtes Geschenk – auch wenn die Gabe großzügig gewesen sein mag und der Geber auch viel Freiheit in Bezug auf ihren Gebrauch gewährt haben mag. Im Übrigen kann nur aus dieser Perspektive das rechte Gleichgewicht zwischen Kühnheit und Demut beibehalten werden – so wie es die Heiligen verstanden.

Um genauer zu sein, können wir sagen, dass das wahre Bewusstsein der Gotteskindschaft nicht nur das Bewusstsein ist, dass er mein Vater und mein Gott ist, sondern mein Gott-Vater, der mir seinen Sohn und mit ihm seinen Geist zu eigen gibt; das heißt, es besteht ein sehr tiefes Begreifen der Einheit in der Dreifaltigkeit und der Dreiheit in der Einheit; und in ihr des Gleichgewichts zwischen Transzendenz und Nähe Gottes, zwischen seiner Größe und seiner erstaunlichen Entäußerung, um mein, um unser zu sein.

Das drückt, neben etlichen anderen Zeugnissen, eine der bekanntesten Stellen der Moradas der heiligen Theresia von Jesus aus: „Sie (die Seele, die zu den siebenten Wohnungen kommt) versteht mit sehr großer Wahrheit, dass alle drei Personen eine Substanz und eine Macht und ein Wissen und ein einziger Gott sind (…) Hier teilen sich ihr alle drei Personen mit, und sprechen mit ihr, und lassen sie jene Worte des Evangeliums verstehen, die der Herr sprach: dass er und der Vater und der Heilige Geist kommen und mit der Seele wohnen werden, die ihn liebt und seine Gebote hält (vgl. Joh 14,23). O mein Gott! Wie verschieden ist es, diese Worte zu hören und sie zu verstehen, auf diese Weise zu verstehen, wie wahr sie sind! Und jeden Tag verwundert sich diese Seele mehr“.

Und das erklärt auch der heilige Johannes vom Kreuz in seiner Llama de amor viva schon vom Prolog an: „Und man darf sich nicht wundern, dass Gott den Seelen, die er ergötzen will, so hohe und besondere Gnaden schenkt; denn wenn wir bedenken, dass er Gott ist, und er sie wie Gott macht, und mit unendlicher Liebe und Güte, so wird es uns nicht unvernünftig vor-kommen; denn er sagte, dass zu dem, der ihn liebt, würden der Vater, der Sohn und der Heilige Geist kommen und Wohnung bei ihm nehmen (vgl. Joh 14,23); das würde geschehen, indem er dazu geführt wird, im Vater, im Sohn und im Heiligen Geist Leben Gottes zu leben und in ihnen zu wohnen“.

Wir werden gleich auf die trinitarischen Aspekte dieser Realität zu sprechen kommen. Jetzt wollen wir uns weiter in die Merkmale der väterlich-kindlichen Vertrautheit vertiefen, die die Heiligen hinter jener göttlichen Liebe entdecken.

Das Vertrauen und die Hingabe, die der Realität der Gotteskindschaft entspringen, werden gewöhnlicherweise besonders hervorgehoben, aber – der zu Beginn unserer Überlegung vorgezeichneten Linie folgend – möchte ich nachdrücklich darauf hinweisen, dass der Heilige sich vor allem darauf konzentriert, wie Gott ihn haben will und behandelt, so dass er keinen anderen Weg sieht, als zu vertrauen und sich hinzugeben. Das heißt: diese Haltung ist nicht so sehr Frucht einer persönlichen asketischen Bemühung – obwohl es diese Bemühung auch gibt -, sondern vor allem des sich von Gott Führen Lassens: deshalb spricht man eben von Hingabe! Auch wenn es sich immer um eine aktive, freie und bewusste Hingabe von Seiten des Kindes handelt.

So drückt es zum Beispiel der heilige Franz von Sales aus: „’Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Reich meines Vaters eintreten’ (Mt 10,16). Solange das Kind klein ist, bewahrt es sich eine große Einfachheit; es kennt nur seine Mutter; es hat nur eine Liebe, seine Mutter; ein einziges Streben, den Schoß seiner Mutter; es wünscht nichts anderes, als sich in einem so liebenswerten Ruheplatz hinzulegen. Die ganz einfache Seele hat nur eine Liebe, Gott; und in dieser einzigen Liebe nur ein Streben, an der Brust des himmlischen Vaters auszuruhen, und dort ihre Ruhestätte einzurichten, als geliebtes Kind, indem sie all ihre Sorge ganz ihm überlässt und auf nichts anderes schaut, als in diesem heiligen Vertrauen zu verharren“.

Andererseits ist diese „Kombination“ von Gottheit-Vaterschaft-Liebe in der trinitarischen Gabe an die Seele gegenwärtig. Sie schließt die die Realität der Gotteskindschaft ein, die in den Heiligen wirklich eine tiefe Antwort kindlicher Liebe hervorbringt, eine Begeisterung, eine wahre „Verrücktheit“ der Liebe. So drückten sich zum Beispiel die heilige Theresia vom Kinde Jesu und der heilige Josefmaria Escrivá in ihrem Gebet aus: „Lass mich dir in diesem Übermaß der Dankbarkeit sagen, lass mich dir sagen, dass deine Liebe bis zum Wahnsinn geht… Wie willst du, dass angesichts dieser Verrücktheit mein Herz sich nicht dir entgegenwirft? Wie soll mein Vertrauen Grenzen kennen…?“. „Zu wissen, dass du mich so sehr liebst, mein Gott, und… ich bin nicht verrückt geworden?“.

4. Die väterliche Liebe Gottes, die sich in Jesus Christus und im Heiligen Geist zeigt

Suchen wir von neuem die bereits anvisierte trinitarische Perspektive. Wir können in der Tat zwei theologische Wirklichkeiten nicht vergessen, die sich auch besonders lebendig in den Seelen zeigen, die ein tiefes Innenleben haben, und die sie dazu bewegen, noch mehr zu entsprechen.

Die erste, dass der Sohn das Abbild des Vaters ist, und uns durch seine Inkarnation jenes Bild näherbringt, auch in dem Sinn, dass wir die Liebe Gottes, des Vaters, „inkarniert“ betrachten können: in Jesus sehen, fühlen und erfahren wir diese „vermenschlichte“ göttliche Liebe; und das ist entscheidend, sowohl um sich intellektuell dieser Realität zu nähern wie auch für das Vorhandensein einer wahren kindlichen Antwort unsererseits, die notwendigerweise menschlich sein muss. Das heißt, im Herzen Jesu, in seinen göttlich-menschlichen Handlungen, in seinen Ausdrucksformen der Liebe, wird sich die christliche Seele bewusster und fühlt lebendiger, was die väterlich-mütterliche Liebe Gottes bedeutet: wie mich Gott liebt, wie sich diese Liebe menschlich (leiblich und geistig) „übersetzt“; abgesehen vom Entdecken der Wege der wahren kindlichen Liebe, die von dem erlernt werden, der von Natur aus Sohn ist.

Andererseits wurden wir nicht nur zu Kindern im Sohn, sondern die Inkarnation Jesu Christi erscheint als Garantie der Wahrheit unserer eigenen Gotteskindschaft, wie der heilige Juan de Avila scharfsinnig erklärt: „Es ist eine unaussprechliche Gnade, dass Gott die Kinder der Menschen, Würmer der Erde, als Kinder annimmt. Damit wir nicht an dieser Gnade zweifeln, nennt der heilige Johannes eine noch größere, indem er sagt: ’Das Wort Gottes ist Fleisch geworden’ (Joh 1,14). Es ist so wie wenn jemand sagt: Lasst nicht ab zu glauben, dass die Menschen durch geistliche Annahme aus Gott geboren werden, sondern nehmt vielmehr als Beweise dieses Wunders eine andere, größere Wahrheit an: dass der Sohn Gottes Mensch geworden ist und Sohn einer Frau“.

Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet ist die Vertrautheit mit Jesus nicht nur Vertrautheit mit dem menschgewordenen Wort, sondern notwendigerweise auch mit dem Vater, aus dem es hervorgeht, und der es zu uns gesandt hat (zu mir, entdeckt jeder Einzelne, in der intimen und einzigartigen Perspektive, die wir hervorheben). So wachsen gleichzeitig die Vertrautheit mit dem Vater und die Vertrautheit mit dem Sohn; Und es wächst gleichzeitig die „Unterscheidung“ im Umgang mit ihnen, genau in dem Maß, in dem das lebendige Bewusstsein wächst, dass ich Kind des Vaters in dem Sohn bin, dass ich mehr Christus bin…

So fasst es ein bekannter Text des heiligen Josefmaria Escrivá zusammen, der übrigens einen großen Parallelismus mit dem weiter oben zitierten der heiligen Theresia von Jesus aufweist, und der auch zu der zweiten angekündigten Idee führt: „Wenn wir Christus so lieben, wenn wir uns mit göttlicher Kühnheit in die von der Lanze geöffnete Seitenwunde flüchten, dann wird sich die Verheißung des Meisters erfüllen: ’Jeder, der mich liebt, wird an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen’ (Joh 14,23). Das Herz verlangt dann danach, jede einzelne der göttlichen Personen zu unterscheiden. Irgendwie ist es eine Entdeckung, die die Seele im übernatürlichen Leben macht, wie ein kleines Geschöpf die Augen für die Welt öffnet. Und sie unterhält sich liebevoll mit dem Vater und mit dem Sohn und mit dem Heiligen Geist; und sie unterwirft sich gern dem Wirken des Leben spendenden Beistands“.

In der Tat ist der Heilige Geist – und das ist die zweite Idee, untrennbar von der vorigen, wie das trinitarische Geheimnis unteilbar ist – die väterlich-kindliche Liebe des Vaters und des Sohnes, durch den ich Kind Gottes in Jesus Christus geworden bin. Der Beistand macht mich nicht nur zum Kind, er lehrt mich, Kind zu sein und bewegt mich, als Kind zu leben, sondern – vor allem und als Ursache davon – lässt er mich an derselben väterlich-kindlichen, göttlichen Liebe in Christus teilhaben; und in dieser Teilhabe zeigt er mir auf lebendige und erfahrbare Weise, wie die väterliche Liebe Gottes in Jesus ist, denn er selbst – der Geist des Vaters und des Sohnes – ist diese Liebe.

Deshalb ist auch die Vertrautheit, die die Seele mit dem Heiligen Geist sucht und erreicht, notwendigerweise Vertrautheit mit dem Vater und dem Sohn, insofern sie Vater und Sohn sind und sich als solche lieben, und insofern die Drei Gott sind; und es wächst die Vertrautheit des Christen mit dem Heiligen Geist als verschiedene göttliche Person, in dem Maß, in dem er sich mehr bewusst ist, was es bedeutet, Kind des Vaters im Sohn durch den Heiligen Geist zu sein.

Hören wir dazu die heilige Katharina von Siena in ihrem Gebet: „O ewige Dreifaltigkeit, o Gottheit! Diese, die göttliche Natur, verlieh dem Blut deines Sohnes Wert. Du, ewige Dreifaltigkeit, bist ein tiefes Meer; je mehr ich darin eintauche, desto mehr finde ich, und je mehr ich finde, desto mehr suche ich dich. Du bist unersättlich, denn wenn die Seele sich in deinem Abgrund füllt, sättigt sie sich nicht, denn immer bleibt Hunger nach dir, ewige Dreifaltigkeit, der Wunsch, dich mit Licht in deinem Licht zu sehen (…) O ewige Dreifaltigkeit, Feuer und Abgrund der Liebe! (…) weil ich mit dem Licht des Verstandes das Licht deines Abgrunds und die Schönheit des Geschöpfes erfahren und gesehen habe. Ewige Dreifaltigkeit, weil ich mich in dir gesehen habe, habe ich gesehen, dass ich dein Bild war, deiner Macht teilhaft, ewiger Vater, und deiner Weisheit im Verstand. Diese Weisheit wird deinem eingeborenen Sohn zugeschrieben. Der Heilige Geist, der aus dir und deinem Sohn hervorgeht, hat mir den Willen geschenkt, denn ich bin fähig zu lieben. Du, ewige Dreifaltigkeit bist es, die wirkt, und ich bin dein Geschöpf. Ich habe erkannt, dass du in die Schönheit deines Werks in der neuen Schöpfung, die du aus mir durch das Blut deines Sohnes machtest, verliebt bist. O Abgrund, o ewige Gottheit, o tiefes Meer! Was konntest du mir mehr geben, als dich selbst zu geben?“.

5. Die Güte unseres Vaters Gott

In allem bisher Gesagten haben wir feststellen können, dass das Bewusstsein der Gottes-kindschaft nicht nur zu einer großzügigen Antwort der Liebe zu Gott führt, sondern dass es der Seele auch viel Licht über Gott selbst gibt; Licht, das selbstverständlich ein größeres inneres Wachstum bewirkt, das aber auch dem Theologen bei seinem wissenschaftlichen Studium über die göttlichen Geheimnisse hilft. Auf diesem Weg möchte ich meine Überlegung fortsetzen, indem ich dieses Binom Vertrautheit-Größe, mit dem sich die göttliche Vaterschaft präsentiert, vertiefe.

Bewusstsein der Vaterschaft Gottes bedeutet, wie bereits hervorgehoben wurde, Bewusstsein einer persönlichen Liebe des Vaters, in Christus und durch den Heiligen Geist zu jedem Einzelnen seiner Söhne und jeder Einzelnen seiner Töchter. Das bedeutet unter anderem – und so empfinden es und drücken es besonders lebendig die Heiligen aus – eine lebendige, aktuelle und wirksame göttliche Liebe, beständig und intensiv, und zugleich konkret, voller sehr persönlicher Details der Liebe Gottes in Bezug auf jedes Kind als solches, Details, in denen die unendliche göttliche Fähigkeit zu lieben sich an die Bedingungen und Bedürfnisse eines jeden Einzelnen anpasst. Und je größer die Entsprechung der heiligen Seele auf diese Liebe ist, desto mehr tut sich Gott sozusagen hervor, sie mit Feinheiten und Aufmerksamkeiten der Liebe zu überraschen, wie der beste Vater und die beste Mutter.

All das gewährt dem Heiligen eine besondere Erkenntnis der Güte Gottes, die weit davon entfernt eine einfache theoretische Feststellung zu sein, sie Tag für Tag in ihrem eigenen Leben ausgedrückt sieht, bis sie ihn tief bewegt. Wir treffen so auf eine der delikatesten Fragen, die sich das Gewissen des Menschen stellt, wenn es mit der väterlichen Gestalt Gottes konfrontiert ist: das Problem des Übels. Jetzt ist nicht der Moment, auf diese so komplizierte und häufig verstörende, ja sogar traumatische Frage für das menschliche Wesen einzugehen; aber ich möchte doch zumindest auf eine Sichtweise hinweisen, die sich aus der Erfahrung der Heiligen eröffnet, um Licht in eine Überlegung über das Übel zu bringen.

Wir können sagen, dass die Heiligen sich der Frage aus dem Inneren Gottes selbst nähern. Das heißt, sie versuchen nicht, die Erfahrung des Übels in der Welt mit der Sicherheit des Glaubens an die unendliche göttliche Güte zu harmonisieren, indem sie dieses komplizierte Gleichgewicht suchen, in das sich so oft die philosophisch-theologische Reflexion verwickelt, ohne eine zu einer Lösung zu gelangen. Sie sehen alles vielmehr von jener mit der Dreifaltigkeit erreichten Vertrautheit, in der die göttliche Güte vor allem die väterlich-kindliche Liebe selbst ist, an der teilzuhaben sie berufen worden sind; und die Welt und der Mensch werden so aus der Sicht Gottes, des Schöpfers und Erlösers gesehen. Und das in einem solchen Ausmaß, dass es, anstatt dass sie versuchen, das Böse zu erklären, den Eindruck erweckt, dass es für sie als Problem verschwunden ist, weil es in Gott selbst nicht existiert.

Dies bringen zum Beispiel die Worte des heiligen Thomas Morus an seine älteste Tochter aus dem Tower von London zum Ausdruck: „Meine geliebte Tochter, niemals soll sich deine Seele verwirren, wegen irgendetwas, das mir in dieser Welt zustoßen kann. Nichts kann mir geschehen als das, was Gott will. Und ich bin sehr sicher, dass was es auch sein mag, so sehr es auch schlecht scheint, in Wahrheit das Beste ist“.

So wendet es der heilige Josefmaria Escrivá auch auf gewöhnlichere, objektiv weniger dramatische Situationen an, aber in denen es einer christlichen Seele übel ergehen und sie durcheinandergeraten kann: „Leiden? Widrigkeiten wegen dieses oder jenes Ereignisses?... Siehst du nicht, dass es dein Vater, Gott, will…, und er ist gut…, und er liebt dich – dich allein! – mehr als alle Mütter der Welt zusammen ihre Kinder lieben können?“.

Tatsächlich, aus dieser Erfahrung der Vertrautheit mit Gott her betrachtet, kann nicht bestritten werden, dass das, was wir physisches Übel zu nennen pflegen, niemals ein wahres Übel ist; und das einzige wahre Übel, die Sünde, wird immer im Licht der göttlichen Barmherzigkeit gesehen und des Guten, das Gott selbst ständig aus ihr herausholt.

6. Gott, der barmherzige Vater

Die väterliche Barmherzigkeit Gottes hat, vom Wesen seiner Liebe und Güte selbst aus gesehen, eine besondere Kraft im Bewusstsein der Gotteskindschaft. Ich kann jetzt nicht auf alle ihre Folgen eingehen, aber doch in demselben Sinn, der unsere Überlegung prägt, hervorheben, was mir in der Erfahrung der Heiligen am entscheidendsten erscheint: Es ist nicht so sehr das Erbarmen als Verzeihen, was sie betrachten, sondern die Liebe, die nicht unterlassen kann, das Verzeihen einzuschließen; es besteht nicht so sehr darin, dass mein Vater mir verzeiht, sondern dass mein Vater mich liebt und mir deshalb verzeiht: dass sich sein Herz wirklich als Kind mir zuwendet, unabhängig von der konkreten Realität meiner guten oder schlechten Werke.

Ich wage zu sagen, dass der Heilige sich nicht einmal auf die Sünde als solche konzentriert, sondern sie nur als Kontrast sieht, der ihm zu ermessen hilft, wie sehr Gott ihn persönlich liebt, ohne dass er seine Liebe von der Treue oder Untreue seines Kindes abhängig macht. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn, über das mit gutem Grund in letzter Zeit viel gesprochen und geschrieben wird, hat zweifellos in diesem Sinn symbolischen Charakter. Der jüngere Sohn des Gleichnisses sucht bestenfalls die Vergebung, doch er findet die Liebe: die väterliche Liebe schließt selbstverständlich das Verzeihen ein, geht jedoch weit darüber hinaus. Der Sohn gewinnt seinen Vater nicht wieder, sondern er wird sich bewusst, dass er ihn niemals verloren hat; dass er ein schlechter Sohn gewesen sein kann, dass sein Vater aber nie aufhören kann, ein guter Vater zu sein, weil er ihn wirklich liebt, weil er im Tiefsten und aus dem Tiefsten so ist.

So versteht man, dass die Heiligen derartig bewegt waren, wie es zum Beispiel die folgenden Worte der heiligen Theresia von Jesus zum Ausdruck bringen: „Wer, Herr meiner Seele, muss nicht über eine so große Barmherzigkeit und Güte angesichts eines so hässlichen und abscheulichen Verrats erschrecken? Ich weiß nicht, wie mir nicht das Herz bricht, wenn ich das schreibe, denn ich bin gemein“; oder jene anderen Worte des heiligen Josefmaria Escrivá, die sich genau auf die Reaktion des Vaters im Gleichnis beziehen: „Das sind die Worte des heiligen Buches: ’Er gab ihm tausend Küsse’, er überhäufte ihn mit Küssen. Kann man menschlicher sprechen? Kann man ausdrucksvoller die väterliche Liebe Gottes zu den Menschen beschreiben?“.

Die Barmherzigkeit pflegt tatsächlich in der Erfahrung und Lehre der Heiligen als der große Beweis der väterlichen göttlichen Liebe zu erscheinen, und auch des Herzens seines menschgewordenen Sohnes, der sein treues Abbild ist: die rührendste, tröstlichste, zärtlichste Äußerung… Deshalb ist sie ein Schlüssel-Aspekt, um das bisher Gesagte und das Folgende besser zu verstehen; und im speziellen Fall der Heiligen entspringt ein guter Teil ihres Begreifens der göttlichen Liebe und ihrer großzügigen Antwort auf die Gnade eben ihren persönlichen Erfahrungen in Bezug auf die lebendige und wirksame Barmherzigkeit Gottes.

Gehen wir einen Schritt weiter. Wie wir in Bezug auf das Gleichnis vom verlorenen Sohn festgestellt haben, bestärkt das göttliche Erbarmen die Überzeugung, dass wir alle in der väterlichen Liebe Gottes Platz haben: keiner verliert die väterliche Liebe, so sehr er auch gesündigt hat. Ganz im Gegenteil: alles lädt dazu ein, an eine „Vorliebe“ Gottes für den Sünder zu denken. Bis zu dem Punkt, dass Heilige wie der heilige Augustinus oder die heilige Theresia vom Kinde Jesus von der Existenz einer „zuvorkommenden“ Barmherzigkeit Gottes sprechen; weil sie erahnen, dass es sogar für den Christen, der sich in einem bestimmten Moment aufrichtig keiner schweren Sünden bewusst ist, nicht aufhört wahr zu sein, dass Gott ihn sehr liebt, weil er ihm viel vergibt (vgl. Lk 7,40-47).

Zitieren wir die Überlegungen der Heiligen von Lisieux: „Ich weiß auch, dass mein Jesus mir viel mehr vergeben hat als der heiligen Maria Magdalena, denn er hat mir im Voraus vergeben, um zu verhindern, dass ich falle. Wie gerne würde ich erklären können, was ich denke…! Ich will ein Beispiel anführen. Nehmen wir an, dass der Sohn eines sehr kompetenten Arztes auf seinem Weg einen Stein findet, der ihn zu Sturz bringt, und er sich dabei ein Glied bricht. Sein Vater kommt sofort, hebt ihn liebevoll auf und heilt seine Wunden, indem er sich dazu aller Mittel der Wissenschaft bedient; und sofort erweist ihm sein Sohn, der vollkommen geheilt ist, seine Dankbarkeit. Welchen Zweifel gibt es, dass dieser Sohn noch mehr Gründe hat, um seinen Vater zu lieben!

Aber ich will etwas anderes vermuten. Der Vater, der weiß, dass es auf dem Weg seines Sohnes einen Stein gibt, eilt vor ihm dorthin und nimmt ihn weg (ohne dass es jemand sieht). Gewiss wird der Sohn, der Gegenstand der vorausschauenden Zärtlichkeit seines Vaters ist, wenn er das Unglück NICHT KENNT, vor dem ihn sein Vater bewahrt hat, ihm seine Dankbarkeit nicht erweisen und ihn weniger lieben, als wenn er ihn geheilt hätte… Aber wenn er erfährt, vor welcher Gefahr er ihn bewahrt hat – würde er ihn nicht noch viel mehr lieben?

Nun gut, ich bin diese Tochter, Gegenstand der vorausschauenden Liebe eines Vaters, der sein Wort nicht gesandt hat, um die Gerechten zu retten, sondern die Sünder. Er will, dass ich ihn liebe, weil er mir vergeben hat, nicht viel, sondern alles. Er hat nicht gewartet, dass ich ihn viel liebe, wie die heilige Maria Magdalena, sondern dass er gewollt hat, dass ICH WEISS, bis zu welchen Punkt er mich geliebt hat, mit einer Liebe wunderbarer Voraussicht, damit ich ihn jetzt wahnsinnig liebe…!“

7. Die Barmherzigkeit des Vaters und des Sohnes

Andererseits pflegt das Begreifen der Größe der barmherzigen Liebe Gottes des Vaters zu jedem seiner Kinder in der Betrachtung des Geheimnisses des Kreuzes seinen Höhepunkt zu erreichen, nicht aus der Sicht der bewegenden Hingabe Jesu für meine Sünden, sondern auch hinsichtlich der Großzügigkeit des Vaters, der seinen Sohn hingibt und der dessen Hingabe annimmt.

So drückt es zum Beispiel der heilige Augustinus aus, indem er die Worte des heiligen Paulus und des heiligen Johannes mit anderen Worten umschreibt: „O, wie hast du uns geliebt, guter Vater, ’der du deinem einzigen Sohn nicht vergeben hast, sondern für uns Unbarmherzige hingabst! ’ (vgl. Röm 8,32). O. wie sehr hast du uns geliebt, indem der, ’der sich nicht anmaßte, dir gleich zu sein, sich gehorsam bis zum Tod am Kreuz machte, obwohl er der einzig Freie unter den Toten war (vgl. Phil 2,6) und Macht hatte, sein Leben hinzugeben und es wieder zu nehmen’ (vgl. Joh 10,18). Für uns machte er sich vor dir zum Sieger und Opfer, und deshalb zum Sieger, weil er Opfer ist; für uns Priester und Opfergabe vor dir, und deshalb Priester, weil er Opfergabe ist, indem er uns für dich aus Sklaven zu Söhnen machte, und aus dir geboren wurde, um uns zu dienen“.

All dieser Reichtum an Beweisen der göttlichen Liebe und Barmherzigkeit gibt uns neue Impulse für den Ausdruck des kindlichen, gewagten und kühnen Umgangs der Seele, die sich von Gott mitreißen und bewegen lässt. Hören wir von neuem die heilige Katharina von Siena in ihrem Gebet zu Gott Vater:

„O Barmherzigkeit, die deiner Gottheit entspringt, ewiger Vater, und die mit deiner Macht die ganze Welt regiert! In deiner Barmherzigkeit wurden wir geschaffen, in deiner Barmherzigkeit wurden wir neu geschaffen durch das Blut deines Sohnes; deine Barmherzigkeit erhält uns; deine Barmherzigkeit bewirkte, dass dein Sohn seine Arme am Holz des Kreuzes für den Kampf des Todes mit dem Leben und des Lebens mit dem Tod einsetzte (…) O Barmherzigkeit! Das Herz steht still, wenn es an dich denkt, denn wohin ich auch immer meine Gedanken lenke, finde ich nichts als Barmherzigkeit. O ewiger Vater! Verzeihe mir meine Unwissenheit, aber die Liebe zu deiner Barmherzigkeit entschuldigt mich vor deinem Wohlwollen“.

Tatsächlich vermischen sich im Gebet der Heiligen relativ häufig die Betrachtung der Barmherzigkeit des Vaters mit der Jesu Christi, bis sie zu verschmelzen scheinen, und es ist eine der Gelegenheiten, in der sie auch Jesus als Vater anzusprechen pflegen; so geschieht es zum Beispiel in diesem Gebet des heiligen Alfons Maria von Liguori: „Ihr selbst, mein Jesus, die ihr von mir beleidigt wurdet, macht euch zu meinem Fürsprecher: ’Und er ist die Sühne für unsere Sünden’ (1 Joh 2,2). Ich will euch also nicht diese neue Beleidigung zufügen, indem ich eurer Barmherzigkeit misstraue. Ich bereue von ganzem Herzen, euch verachtet zu haben, o höchstes Gut! Lassen sie sich herab, mich in ihrer Gnade zu empfangen durch dieses für mich vergossene Blut. Vater…, ich bin schon nicht würdig, mich dein Sohn zu nennen (Lk 15,21). Nein, mein Erlöser und Vater, ich bin nicht würdig, ihr Sohn zu sein, weil ich so oft ihre Liebe zurückgewiesen habe; doch ihr macht mich würdig mit euren Verdiensten. Danke. Mein Vater, danke; ich liebe euch“.

So finden wir, aus einer neuen Perspektive, die enge Beziehung zwischen der väterlichen Liebe Gottes und der erlösenden Hingabe seines Sohnes wieder, die nichts ist als ein Widerschein dessen, was der Sohn vom Vater im Schoß der Dreifaltigkeit empfängt: all seine göttliche Wirklichkeit, und daher seine ganze unendliche Liebe, dieselbe, mit der Vater, Sohn und Heiliger Geist uns lieben und verzeihen.

8. Die Nähe Gottes

Auf einem kontemplativ-reflexiven Weg – ähnlich dem, den wir im Gespräch über die Güte und Barmherzigkeit durchlaufen haben – schenkt uns die göttliche Vertrautheit, die aus der bis zu ihren letzten Konsequenzen gelebten Gotteskindschaft entspringt, Licht auch in Bezug auf andere göttliche Attribute; und wenn wir uns in sie vertiefen, wächst das geistliche Leben von neuem, indem es dieser unerschöpflichen göttlichen Liebe mehr zu entsprechen wünscht.

Die Unermesslichkeit Gottes und seine Allgegenwart, zum Beispiel, erscheinen so wie eine aktive, lebendige und wirksame Gegenwart Gottes in jedem seiner Kinder; wie eine konkrete, liebende und vertraute Wirklichkeit für die Seele; eine Gegenwart eines an den kleinen und großen, transzendenten und anekdotischen Dingen seines Kindes „interessierten und mit ihnen beschäftigten“ Vaters. Die Seele fühlt wirklich, dass ihr Vater Gott nur für sie Augen hat; und ihr Leben in Christus und die aktive Gegenwart des Geistes unterlassen es nicht, sie daran zu erinnern und sie dazu zu bewegen, dementsprechend zu handeln.

Analog wird die göttliche Ewigkeit als die Fülle dieser liebevollen Gegenwart und Schenkung Gottes an jeden Einzelnen in jedem Augenblick erfahren, indem er den ganzen Reichtum seines göttlichen Seins in das Innere der Seele ergießt: eine Teilnahme an der ewigen Hingabe des Vaters an den Sohn und an den Heiligen Geist. Es ist keine Ewigkeit am Rande meiner Zeit, sondern eine in meine Zeit ergossene Ewigkeit; und in all dem spielt die Inkarnation des Wortes von neuem eine entscheidende Rolle, denn die Seele entdeckt dort, wie sehr Gott wirklich alles Menschliche und Zeitliche interessiert.

Diese ganze Realität liegt zum Beispiel dem in jenem Punkt von Der Weg Gesagten zu Grunde, von dem wir bereits zu Beginn einige Worte wiedergegeben haben: „Man muss sich klar machen, dass Gott dauernd bei uns ist. - Wir leben, als ob der Herr fern wäre, dort, wo die Sterne leuchten, und wir bedenken nicht, dass Er auch immer an unserer Seite ist. Er ist da wie ein liebender Vater. Jeden Einzelnen von uns liebt Er mehr, als alle Mütter der Welt ihre Kinder lieben können. Er ist da, helfend, leitend, segnend... und verzeihend. Wir müssen uns ganz davon durchtränken und erfüllen lassen, dass der Herr unser Vater ist, Vater durch und durch, der an unserer Seite ist und im Himmel“.

Oder diese anderen Erwägungen und Empfehlungen der heiligen Theresia von Jesus: „Ohne Zweifel könnt ihr glauben, dass dort, wo seine Majestät ist, alle Herrlichkeit ist. Betrachtet also, was der heilige Augustinus sagt, der ihn an vielen Orten suchte und ihn schließlich in sich selbst fand. Denkt ihr, dass es für eine ’ausgegossene’ Seele wenig bedeutet, diese Wahrheit zu begreifen und zu sehen, dass es nicht notwendig ist, sich in den Himmel zu begeben, um mit ihrem ewigen Vater zu sprechen noch sich an ihm zu ergötzen; und dass es auch nicht notwendig ist, laut zu sprechen? So leise sie auch spricht, er ist so nahe, dass er uns hört; noch ist es notwendig, Flügel zu haben, um ihn aufzusuchen, sondern sich in die Einsamkeit zu versetzen und ihn in sich zu schauen und sich nicht über einen so guten Gast zu wundern; sondern mit großer Demut zu ihm wie zu einem Vater zu sprechen; ihn wie einen Vater zu bitten, ihm seine Mühen zu erzählen, ihn um Hilfe zu ihrer Überwindung zu bitten, und dabei zu bedenken, dass sie nicht würdig ist, seine Tochter zu sein“.

Unter einem anderen Blickwinkel bewegt die Ewigkeit Gottes als Abwesenheit von Anfang und Ende auch den Heiligen, weil sie die unendliche Verlängerung der Liebe Gottes zu jedem Einzelnen voraussetzt. So drückt es der heilige Franz von Sales aus: „Betrachte die ewige Liebe Gottes, die er dir erwiesen hat, denn bevor die Menschheit Jesu Christi für dich am Kreuz litt, hatte dich seine göttliche Majestät in ihrer souveränen Güte gegenwärtig und liebte dich von Anfang an. Aber, wann begann er dich zu lieben? Als er begann, Gott zu sein. Und wann begann er Gott zu sein? Nie, denn er hat weder Anfang noch Ende; und deshalb liebte er dich immer, seit aller Ewigkeit; und seit Ewigkeit hatte er dir die Wohltaten und Gnaden vorbereitet, die er dir erwiesen hat“.

In enger Beziehung mit dem Gesagten, hört die Unveränderlichkeit auf, ein grundlegend negatives Attribut zu sein, das Gott von uns zu entfernen scheint, und offenbart sich vielmehr als ein Leben voll intensiver, reicher und vollkommener Intensität, das sich mit wahrer väterlicher Liebe in jede Seele ergießt. So sehr, dass die Seele in dieser kindlichen Vertrautheit zum Beispiel fühlt, dass Gott im Rhythmus ihrer persönlichen Erfahrungen „ergriffen“ wird, wie jeder gute Vater mit väterlicher Liebe auf die Gefühle, die Bedürfnisse und die Sorgen seines Kindes reagiert.

Gewiss wird Gott nicht in dem Sinn ergriffen, dass er eine Veränderung erfährt, aber doch insofern er mit aller Intensität seiner unendlichen Liebe seine Beziehung zu uns lebt, wie die Beziehungen im Inneren der Dreifaltigkeit lebendig und intensiv sind. Das heißt, Gott liebt wirklich und „lebt“ seine Liebe zu jedem Sohn und jeder Tochter; und deshalb nimmt er wirklich Anteil an allen ihren Schicksalsschlägen, auch wenn er sie nicht in dem Sinn erleidet, in dem dieser Ausdruck Unvollkommenheit bedeuten kann.

Auch so pflegt der Heilige noch weiter zu gelangen; denn durch die Menschheit Jesu Christi versteht er, dass Gott sich auch den passiven Aspekten dieser Erfahrungen nähern wollte: er wollte seine Liebe „vermenschlichen“, ohne aufzuhören göttlich zu sein. Und das ergreift ihn aus einem zweifachen Grund tief: weil Gott ihm zweifellos näherkommt; aber auch, weil er nicht aufhört, Gott zu sein: denn – wir insistieren einmal mehr – das Großartige und Ergreifende ist vor allem, dass er untrennbar mein Vater und mein Gott ist; und dass Jesus der Mensch-Gott ist, der mir die Geheimnisse der göttlichen Intimität eröffnet, ohne bei ihrer Hingabe auch nur im geringsten seine Größe zu vermindern.

Betrachten wir es unter einem anderen Blickwinkel: Das Bewusstsein der Vaterschaft Gottes bedeutet zu entdecken, dass Gott wahre „väterliche Gefühle“ hat, insofern sie Vollkommenheit der Liebe sind; göttliche Handlungen, die die verliebte Seele wirklich als „neue“, „verschiedene“ in jedem Moment ihres vertrauten Umgangs mit Gott empfindet – in dem Maß, in dem sie sich als konkretes Kind, anders als andere Kindern geliebt weiß, dem jeden Tag und jede Stunde verschiedene Dinge geschehen, die für eine wahrhaft väterliche und mütterliche Liebe nicht gleichgültig sind.

Nur aus dieser Perspektive kann die theologische Tiefe angedeutet werden, die zwischen den intimen Betrachtungen der Heiligen existiert – wie sie der Mund der heiligen Theresia vom Kinde Jesu wiedergibt -, und der Versuchung, sie oberflächlich zum Beispiel als „fromme Einfältigkeiten eines Mädchens“ zu klassifizieren.

„Ich habe mir vom Himmel eine derartig erhabene Vorstellung gemacht, dass ich mich gelegentlich frage, wie es Gott nach meinem Tod zustande bringen wird, mich zu überraschen (…) Schließlich denke ich schon jetzt, dass, wenn ich mich nicht ausreichend überrascht fühle, ich so tun werde, es zu sein, um Gott eine Freude zu machen. Es wird keine Gefahr geben, dass ich ihn meine Enttäuschung sehen lasse; ich werde mir etwas einfallen lassen, damit er es nicht bemerkt. Außerdem werde ich mir die Dinge so zu Recht legen, dass ich immer glücklich bin. Um das zu erreichen, habe ich meine kleinen Tricks, die du schon kennst, und die unfehlbar sind… Außerdem, allein Gott glücklich zu sehen, wird mir schon genügen, mich vollkommen glücklich zu fühlen“.

Kann man wirklich vorhaben, Gott so zu „täuschen“? Wenn ich die Worte der Heiligen über-denke, dann wage ich zumindest zu versichern, dass der Herr es sich so ausgedacht hat, dass die Kleine Theresia den Eindruck hatte, dass es ihr gelungen war, ihn zu täuschen; denn vor einer so feinen Seele kann ein väterliches Herz wie das Gottes, nichts tun außer zu kapitulieren.

Schließlich, ohne die Reihe der göttlichen Attribute ausschöpfen zu wollen, beobachten wir auch, wie die Allmacht Gottes eine andere Perspektive dieser kindlichen Vertrautheit mit ihm einnimmt: sie ist keine Macht, die mich beherrscht und unterjocht, sondern die „mir zu Diensten“ ist, an der ich sogar teilhabe, weil ich sein Kind und Erbe, mit all seinen Folgen bin. Seine Vorsehung ist nicht die eines Wächters oder Kontrollors, noch gar eines Puppenspielers, der die Fäden meines Lebens bewegen würde, als wäre ich eine Marionette; sondern eine, die die Sorge eines liebevollen Vaters widerspiegelt, der sich ständig und intensiv um das Wohl seiner Kinder sorgt; einschließlich, vor allem, ihrer Freiheit, die mit der Schöpfung gegeben und für uns durch Jesus Christus am Kreuz wieder gewonnen ist.

9. Transzendenz Gottes und kindliche Vertrautheit

Letztlich ist die göttliche Transzendenz für eine Seele, die sich der Bedeutung, Kind Gottes zu sein, völlig bewusst ist, nicht Ferne und Desinteresse, sondern Nähe und Vertrautheit: Bewusstsein, dass all die Größe Gottes, die in sich selbst unerreichbar und unfassbar ist, sich in die Reichweite des Kindes begibt, nicht weil diese sie erreicht, sondern weil er sie ihm als wahrer, liebevoller Vater schenkt.

Diese Überzeugung liegt jenen Sätzen aus einem Brief der heiligen Teresa de los Andes an eine Freundin zugrunde: „Glaube mir. Ich sage es dir aufrichtig; ich hielt es früher für unmöglich, einen Gott lieben zu können, den ich nicht sah; den ich nicht liebkosen konnte. Aber heute bestätige ich von ganzem Herzen, dass Gott ganz für dieses Opfer entschädigt. Auf solche Weise fühlt man diese Liebe, diese Liebkosungen unseres Herrn, dass es scheint, er wäre an unserer Seite. Ich fühle ihn so innig mit mir vereint, dass ich nicht mehr wünschen kann, außer der seligen Anschauung im Himmel. Ich fühle mich von ihm erfüllt und in diesem Augenblick drücke ich ihn an mein Herz, indem ich ihn bitte, er möge dir die Zärtlichkeiten seiner Liebe zu erkennen geben. Es gibt keine Trennung zwischen uns. Wohin ich auch gehen mag, er ist mit mir in meinem armen Herzen. Es ist sein Haus, in dem ich wohne; er ist mein Himmel hier auf der Erde“.

Dieser letzte Ausdruck („Himmel auf der Erde“), bezogen auf die Seele, ist von der Heiligen aus Chile den Schriften der seligen Isabel de la Trinidad, die ihn oft verwendet und folgender-maßen erklärt: „’Vater unser, der du bist im Himmel’ (Mt 6,9). In diesem kleinen Himmel, den er sich im Zentrum unserer Seele eingerichtet hat, sollen wir ihn suchen und vor allem, dort sollen wir wohnen (…) ’Beten wir ihn an im Geist und in Wahrheit’ (vgl. Joh 4,23). Das heißt, durch Jesus Christus und mit Jesus Christus, denn er allein ist der wahre Anbeter im Geist und in Wahrheit. Wir werden dann Töchter Gottes sein und aus Erfahrung die Wahrheit jener Worte von Jesaja erkennen: ’Ihre Kinder wird man auf den Armen tragen und auf den Knien schaukeln’ (Jes 66,12). Tatsächlich, die einzige Beschäftigung Gottes scheint darin zu bestehen, die Seele mit Liebkosungen und Beweisen der Liebe zu überschütten, wie eine Mutter ihr Kind pflegt und es mit ihrer Milch nährt. O! Verharren wir im Hören auf die geheimnisvolle Stimme unseres Vaters. ’Meine Tochter, sagt er uns, gib mir dein Herz’ (vgl. Spr 23,26)“.

Dieselbe Idee des „Himmels auf der Erde“ kann jedoch aus einem anderen, bereichernden Blickwinkel gesehen werden, wie ihn der heilige Josefmaria Escrivá in der Homilie am Campus der Universität von Navarra im Jahr 1967 darlegt: „Ich versichere euch, wenn ein Christ die unbedeutendste Kleinigkeit des Alltags mit Liebe verrichtet, dann erfüllt sich diese Kleinigkeit mit der Größe Gottes. Das ist der Grund, warum ich immer und immer wieder betone, dass die christliche Berufung darin besteht, aus der Prosa des Alltags epische Dichtung zu machen. Himmel und Erde scheinen sich am Horizont zu vereinigen; aber nein, in euren Herzen ist es, wo sie eins werden, wenn ihr heiligmäßig euren Alltag lebt“.

Die Vertrautheit der väterlich-kindlichen Beziehung mit Gott wird so auf die ganze Realität, die das Leben des Christen umgibt, projiziert: in die Welt, die von der Güte ihres Schöpfers, der unser Vater ist, und die er uns zum Erbe gegeben hat, her gesehen. So ist der Titel, den der Gründer dieser Universität der zitierten Homilie gegeben hat, erklärlich: „Die Welt leidenschaftlich lieben“, so leidenschaftlich, wie wir unseren Vater Gott lieben.

An dieser schon fortgeschrittenen Stelle unserer Überlegung scheint es mir wichtig, auf eine von den Heiligen tief empfundene Wirklichkeit (die auch in den zitierten Texten gegenwärtig ist) hinzuweisen, die aber nicht immer in spekulativen Überlegungen über unser Thema gut verstanden wird. Göttliche Transzendenz bedeutet wahre Vertrautheit, ja, aber mit „einem Anderem“; Mehr noch: Das Wunderbare für den Heiligen besteht darin, dass jener, der Gott ist, mein Vater ist, sich mit mir vereint; und dass er, mit mir vereint, er weiter bleibt, der er ist. Es ist eine Liebe und eine Vereinigung von Zweien: der Vater ist nicht der Sohn und der Sohn ist nicht der Vater; und außerdem, ich bin sein Kind, weil er mich ganz frei als solches annehmen wollte.

Es handelt sich um eine Vergöttlichung, die keine Vermischung ist; mehr noch, die heilige Seele ahnt, dass, gäbe es irgendeine Art von Vermischung, es keine echte Liebe wäre, weil sie, die so wenig verdient, nicht so viel empfangen würde: Es wäre nicht das alles, das sich in das Nichts ergießt; und sie ahnt auch, dass diese Liebe an Reiz verlieren würde, wenn es Gleichheit der „Bedingungen“ mit Gott gäbe,.

Trotz der Armut jedes Vergleichs dieser Art hilft mir persönlich das Bild, das in verschiedenen Formen in der Literatur wiederholt wird, um jenes innige Gefühl der Heiligen in Bezug auf die Liebe Gottes, die den durch ihre menschliche Verfasstheit und ihr persönliches Elend geöffneten Abgrund überwindet, zu verstehen und zu erklären: das Bild von der armen Magd, in die sich ein großer Prinz verliebt, oder des von allen verachteten Bettlers, der eines Tages mit großem Erstaunen entdeckt, dass der König sein wahrer Vater ist.

Nützen wir die Gelegenheit, um anzumerken, dass all dem bisher Gesagten eine fundamentale Haltung von Seiten des Kindes Gottes zugrunde liegt, eine grundlegende Tugend auf dem Weg des inneren Lebens: die Demut. Die Kindschaft erhebt mich in unerwartete Höhen der Vertrautheit mit Gott und der Vergöttlichung, ja; aber weil Gott sich mir zu eigen gibt, nicht weil ich aufhöre, ein sündiges, elendes Geschöpf zu sein. Ja noch mehr: je inniger diese Einheit mit der Dreifaltigkeit ist, desto mehr spürt die heilige Seele zugleich den Abgrund, der sie von Gott trennt, und desto mehr schätzt sie folglich seine Liebe und seine Barmherzigkeit; so wird in dieser begeisternden Spirale, die zur Heiligkeit führt, ein neuer Zyklus der Verliebtheit und der Antwort der Liebe eingeleitet.

10. Das Bewusstsein der Gotteskindschaft und der Weg zur Heiligkeit

Wir nähern uns dem Ende unserer Überlegung, aber ich möchte es nicht unterlassen, kurz zwei andere Aspekte zu erwähnen, die mir für das Verständnis des geistlichen Lebens im Licht der Gotteskindschaft entscheidend scheinen. Der erste, der zum guten Teil im Lauf des ganzen Vortrags gegenwärtig gewesen ist, entspringt den bekannten Worten, mit denen der erste Teil der Bergpredigt schließt: „Seid vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“ (Mt 5,48).

Wenn von der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit die Rede ist, ist es üblich, sich neben anderen biblischen Zitaten auf diese Worte zu beziehen. Wenn jedoch dargelegt wird, was dieser Ruf im christlichen Leben bedeutet, wird gelegentlich – zwar richtig, aber meines Erachtens zu einseitig – der Akzent auf die Nachahmung Jesu Christi gesetzt. Mir scheint dagegen, dass die explizite Bezugnahme auf den Vater, die Jesus selbst in diesem Moment ausspricht, andere bereichernde Perspektiven eröffnet, in Bezug auf die Bedeutung der christlichen Heiligkeit, die wir alle suchen, und auf die Weise, wie sie zu erreichen ist.

In der Tat vermitteln uns diese Worte des Herrn die Größe und das Wunder des Ziels, ohne es im Geringsten zu mindern, und zugleich vermehren sie unser Vertrauen und den Wunsch, es zu erreichen: Wenn er nicht mein Vater wäre, wäre seine Vollkommenheit unerreichbar; wenn er nicht Gott wäre, würde mein Vertrauen schwanken und mein Wunsch würde sich auch nicht regen, denn das Ziel wäre nicht so wunderbar und anziehend; das anziehendste von allen.

Tatsächlich geschieht etwas Paralleles, wenn wir über die Nachahmung Jesu Christi, den wir nicht von seinem Vater trennen können, nachdenken: Wenn er nicht Mensch wäre wie ich, wie schwierig wäre es, ihm zu folgen, und wenn er nicht Gott wäre, wie wenig Macht hätte er, mir zu helfen, und wie wenig Anreiz fände ich, sein Jünger zu sein. Und eine andere ähnliche Überlegung kann man anstellen, wenn man betrachtet, was es bedeutet, Tempel des Heiligen Geistes zu sein und von ihm auf unserem Weg der Heiligkeit geführt zu werden.

Aber wenn diese Erwägungen auch parallel sind, so scheint es mir doch, dass man nicht eine in die anderen überführen darf, will man nicht die Realität selbst des Geheimnisses der Dreifaltigkeit und unsere Teilhabe an ihm verfälschen: Ich bin wirklich Kind Gottes – des Vaters, im Sohn, durch den Heiligen Geist -, und meine Heiligkeit entspringt aus ihm und muss in denselben trinitarischen Koordinaten bis zu einem Ziel wachsen, das wir jetzt kaum ersehen, das aber weiter göttlich-trinitarisch ist: „Liebe Brüder, jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1 Joh 3,2).

So läuft die Seele in dem Maß, in dem das Bewusstsein dieser väterlich-kindlichen Beziehung zu Gott wächst: sie fliegt zur Heiligkeit… Die selige Isabel de la Trinidad schreibt, nachdem sie die eben erwähnte Stelle des Johannesbriefs zitiert hat: „Daher ist das Maß der Heiligkeit der Kinder Gottes: heilig zu sein, wie Gott heilig ist; heilig zu sein mit der Heiligkeit Gottes und das, indem man vertraut mit ihm am Grund dieses Abgrunds ohne Boden lebt,in unserem Sein“.

11. Vaterschaft Gottes und Mutterschaft Marias

Unsere letzte Erwägung wird uns von der göttlichen Vaterschaft zur Mutterschaft Marias führen. Aber überlassen wir das Wort dem heiligen Luis Maria Grignion de Montfort: „Gott Vater hat der Welt seinen Eingeborenen nur durch Maria hingegeben (…) Die Welt war unwürdig – sagt der heilige Augustinus -, den Sohn Gottes unmittelbar aus den Händen des Vaters zu empfangen, der ihn Maria hingab, damit die Welt ihn durch sie empfange. Gott Sohn wurde für unser Heil Mensch, aber in Maria und durch Maria. Gott, der Heilige Geist, bildete Jesus Christus in Maria, aber nachdem er sie um ihre Zustimmung durch einen der ersten Diener seines Hofs gebeten hatte“.

Im Zuge dieser Überlegungen möchten wir die Beziehung zwischen der göttlichen Vaterschaft und der Mutterschaft Marias hervorheben, die von dieser einzigartigen Beziehung der heiligen Maria mit der Dreifaltigkeit ausgehend, sich in uns ergießt. In der Tat, so wie wir insistiert haben, das Bewusstsein der Gotteskindschaft als Erfassen der Vaterschaft Gottes zu betrachten, wollen wir darauf hinweisen, dass es angebracht ist, Maria nicht nur als Vorbild der Kindschaft zu sehen, noch ihre geistliche Mutterschaft einfach von ihrer mütterlichen Beziehung zu Jesus Christus aus zu betrachten, sondern auch von ihrer einzigartigen Beziehung mit dem Vater als Vater Jesu und mit dem Heiligen Geist als einigendes Band im Inneren der Dreifaltigkeit.

Als Folge dieser Erwägung werden wir in der mütterlichen Liebe Marias die väterliche Liebe Gottes, an der sie auf einzigartige Weise teilhat, besser, auf lebendige und sehr „menschliche“

Art, empfinden und begreifen; und besonders in ihren „mütterlichen“ Ausdrucksformen, die gerade zur Einleitung unseres Vortrags dienten und die mehrmals in ihm als Aussagen von Heiligen wieder auftauchten. Hören wir von neuem einen von ihnen, diesen großen Lehrer der Liebe zu Maria, den wir soeben zitiert haben:

„Diese Mutter der Schönen Liebe wird aus deinem Herzen allen Skrupel und alle knechtliche, ungeordnete Furcht entfernen und es öffnen und weit machen, um den Weg der Gebote ihres Sohnes mit der heiligen Freiheit der Kinder Gottes zu durchlaufen, und in der Seele die reine Liebe zu entzünden, deren Schatzmeisterin sie ist. So wird dich in deinem Verhalten mit dem Gott, der die Liebe ist, nicht mehr – wie bisher – die Furcht leiten, sondern die reine Liebe. Du wirst ihn als deinen gütigen Vater sehen, du wirst dich bemühen, ihm ständig zu danken und vertrauensvoll mit ihm sprechen, wie ein Kind mit seinem liebenden Vater. Wenn du ihn leider beleidigst, wirst du dich gleich vor ihm demütigen, ihn demütig um Verzeihung bitten, mit Einfachheit die Hand nach ihm ausstrecken, voll Liebe von neuem aufstehen, ohne Verwirrung und Unruhe, und ohne Entmutigung weiter auf ihn zugehen“.

Javier Sesé