Das Opus Dei und der anlaufende Film "The Da Vinci Code - Sakrileg"

Interview mit Marc Carroggio, Pressesprecher des Opus Dei in Rom, über die Verfilmung von Dan Browns "Da Vinci Code"

ROM, 16. Januar 2006 (ZENIT.org).- Zu den herausragenden Ereignissen dieses Jahres soll gemäß der Zeitschrift "Newsweek" unter anderem die Kinoproduktion "The Da Vinci Code – Sakrileg" gehören.

Aus diesem Grund veröffentlichen wir folgendes Interview, in dem ein Vertreter jener Seite zu Wort kommt, die im millionenschweren Film mit Tom Hanks und Audrey Tautou als "das Böse" hingestellt wird. Marc Carroggio, Pressesprecher der Personalprälatur Opus Dei, betont gegenüber ZENIT, dass das Buch von Dan Brown und die Erwartungen auf den Film gewissermaßen "eine indirekte Werbung" für die katholische Einrichtung sei, die 1928 vom heiligen Priester Josemaría Escrivá gegründet wurde.

Carroggio ist der Meinung, dass das große Interesse dazu beitragen könne, Jesus Christus kennen zu lernen.

ZENIT: Was gefällt Ihnen am wenigsten am Buch von Dan Brown, das nun auch verfilmt worden ist? Carroggio: Ich weiß, dass Fiktion eigenen Regeln folgt und dass man sie nicht zu ernst nehmen sollte. Dennoch missfällt mir genauso wie jedem anderen Christen auch die Frivolität, mit der in dem Buch mit dem Leben Jesu Christi gespielt wird. Außerdem ist das Problem eines Drehbuchs dieser Art, dass eine bestimmte Gruppe von Menschen "kriminalisiert" wird. Die Kirche wird als Verbrecherbande dargestellt, die 2000 Jahre lang zu allem bereit gewesen ist, damit eine riesengroße Lüge nur ja nicht ans Tageslicht kommt. Auch wenn das groteske und manchmal sogar komische Züge annimmt, bleibt letztlich ein scheußliches Bild der Institution zurück, und es ist bewiesen, dass widerwärtige Bilder in jenen Menschen Hassgefühle hervorrufen, die bestimmte kritische Haltungen vermissen lassen.

Mir scheint, dass wir nicht noch mehr Karikaturen des Religiösen brauchen, ganz gleich, um welche Religion es sich auch handelt. Wir müssten uns darum bemühen, Eintracht zu sähen und Toleranz und Verständnis zu zeigen. Man kann nicht mit der linken Hand um Frieden bitten und mit der rechten zuschlagen.

ZENIT: Es gehört nicht zur Art des Opus Dei, zu bestimmten Ereignissen offizielle Stellungnahmen zu veröffentlichen. Wird man in diesem Fall eine Ausnahme machen? Carroggio: Manche erwarten sich eine Art Kriegserklärung von Seiten der Kirche, und innerhalb der Kirche von Seiten des Opus Dei. Vielleicht wäre das für das Marketing des Films von Nutzen – Sie wissen schon, ein Konflikt zwischen verschiedenen Mächten und all das…

Ich kann Ihnen jedenfalls versichern, dass das Opus Dei höchstens eine Friedenserklärung abgeben wird. Niemand wird Drohungen verkünden, zu einem Boykott aufrufen oder Ähnliches. Von Seiten der Produktionsfirma Sony-Columbia wurde allerdings nur so etwas wie eine "freundliche Gleichgültigkeit" gezeigt, keine konkreten Zeichen einer gewissen Sensibilität für religiöse Überzeugungen.

ZENIT: Wie werden die Mitglieder des Opus Dei wohl reagieren? Carroggio: Sie werden genauso reagieren wie viele andere Christen: versuchen, aus der Zitrone einen Saft zu machen.

In Wirklichkeit stehen wir hier vor einer großartigen Möglichkeit, um von Jesus Christus zu sprechen. Ich glaube, dass die Verbreitung dieses Romans zum Großteil auf das enorme Interesse für die Gestalt Jesu Christi zurückzuführen ist. Es ist ein typischer Fall von kulturellem Schmarotzertum: Man macht sich selbst berühmt, indem man mit berühmten Persönlichkeiten polemisiert und das Ergebnis zur Kunst erklärt. Stünde Jesus Christus nicht im Mittelpunkt des Romans, dann würde das Interesse rasch abnehmen.

Ich glaube, die beste Antwort ist, Jesus Christus mit geeigneten Mitteln bekannt zu machen. Ich kann mir vorstellen, dass sich in diesem Jahr viele Leute dazu anregen lassen werden, das Evangelium zu lesen, irgendein gutes Buch über Christus aufzuschlagen und vielleicht sogar über jene großen Themen des Glaubens nachzudenken, die sogar die schwierigsten Fragen der menschlichen Existenz erhellen. Das alles meine ich, wenn ich sage, dass man aus der Zitrone einen Saft machen wird.

ZENIT: Bis zu einem gewissen Grad stimmt es sicher, dass das Opus Dei dank Dan Brown wieder in Mode gekommen ist und nun die Chance bekommt zu sagen, was es wirklich ist. Haben Sie ein größeres Interesse feststellen können? Carroggio: Absolut. Allein in den USA haben sich in den vergangenen Monaten mehr als eine Million Menschen unsere Homepage www.opusdei.org angeschaut, teilweise aufgrund des Trubels um das Buch "Sakrileg". Es gibt also eine Art indirekte Werbung für uns.

Das erinnert mich an ein Ereignis in den ehemaligen kommunistischen Ländern. Als offizielle Regierungsvertreter einen Artikel veröffentlichten, in dem sie die Kirche und das Opus Dei attackierten, erhielten wir geheime Botschaften von Menschen aus diesen Ländern, die das Gegenteil der eigentlichen Aussage herausgelesen hatten: Sie waren zur Überzeugung gelangt, dass das Opus Dei interessant sein müsse, wenn es von denjenigen kritisiert worden war, die die katholische Kirche kritisierten. Mit dem "Da Vinci Code" oder "Sakrileg" ist es ähnlich.

Dank diesem Buch haben wir schon ziemlich viel Zitronensaft machen können. Wir hoffen, dass wir mit dem Film, so Gott will, unsere Produktion noch ankurbeln können. Wir werden mit größerer Anstrengung zu informieren versuchen und vollkommene Offenheit und Verfügbarkeit an den Tag legen: offene Türen. Denjenigen, die Interesse haben, würden wir gerne die Gelegenheit geben, das Opus Dei aus erster Hand kennen zu lernen. Übrigens ist das etwas, wofür sich weder der Romanschriftsteller noch der Filmregisseur interessiert haben.

ZENIT: Wird man rechtliche Schritte gegen den Film unternehmen? Carroggio: Das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Sicherlich gebe es da schon einige Gründe, die dafür sprechen würden: Stellen Sie sich vor, dass in einem Film gezeigt würde, dass Sony-Columbia nicht die Firma ist, wie wir sie uns vorgestellt haben, sondern eine Mafiaorganisation oder gar eine mörderische Sekte. Ich glaube nicht, dass sich ihre Rechtsanwälte mit Plakaten begnügten, auf denen geschrieben steht: "Das braucht euch nicht zu beunruhigen, dass ist ja bloß Fiktion." Ich bin davon überzeugt, dass sie mit einer Klage drohen würden.

Aber es ist auch wahr, dass ein Gerichtsfall ein Symbol für einen institutionellen Konflikt ist. Es würde zum "Fall Opus Dei gegen Sony-Columbia" kommen, und so etwas halte ich für realitätsfern. Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, dass das Opus Dei höchstens eine Friedenserklärung abgeben wird. Zum Streiten braucht man immer zwei, und in diesem Fall wird es den zweiten nicht geben.

Andererseits gibt es Menschen in 60 Ländern, die dem Opus Dei angehören. Einige von ihnen setzen sich unter ihren Arbeitskollegen für die Förderung von Ausbildungszentren ein, etwa für Bauern oder für Jugendliche, die keine Aussicht auf einen Job haben, oder aber auch für Krankenhäuser in sehr armen Gegenden. Diese Initiativen gibt es dank der finanziellen Hilfe vieler Mithelfer. Es ist klar, dass das Buch und der Film den Fortbestand dieser Initiativen bedrohen könnten, weil sie die Spendensuche erschweren. Es würde mich deshalb nicht überraschen, wenn einige dieser Organisationen finanzielle Schadensersatzforderungen verlangten.

ZENIT: Wird man den mehr als 80.000 Mitgliedern des Opus Dei davon abraten, sich den Film anzusehen, oder ist es besser, wenn sie ihn sehen, damit sie die Missverständnisse verstehen, die er in manchen Kreisen ausgelöst hat? Carroggio: Die Mitglieder des Opus Die sind erwachsene Menschen. Wir werden nichts dergleichen tun.

Es ist eine interessante Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, nur die älteren Menschen zu diesem Film zuzulassen, die ja Realität und Fiktion voneinander unterscheiden können. Ein Kind verfügt nicht über jene Elemente, die es ihm ermöglichen, eine Geschichtsverfälschung zu erkennen: Es genügt nicht, ein Schild mit der Aufschrift "Fiktion" anzubringen. Müsste man die Kinder nicht genauso vor dieser subtileren und deshalb gefährlicheren Gewalt in Schutz nehmen wie vor Szenen exzessiver Gewalttätigkeit und Sexdarstellungen?

Ich finde, dass diese Sorge berechtigt ist. Neben dem wirtschaftlichen Nutzen sollte man auch an die möglichen negativen Folgen für die Jugendlichen denken. Aber ich möchte noch einmal wiederholen, dass es hier nicht darum geht, Zwietracht zwischen unterschiedlichen Menschen, Ländern und Religionen zu sähen, sondern darum, Eintracht zu fördern.

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