Brief des Prälaten (Oktober 2010)

Der Prälat des Opus Dei schreibt in seinem Brief über die Schutzengel, deren Fest die Kirche am 2. Oktober, dem Gründungstag des Werkes feiert.

Unser Herz ist voll Jubel, wenn wir an die Freude denken, die unser Vater am 2. Oktober 1928 empfunden hat. Verbinden wir uns mit jenem Gebet auf den Knien, das als Antwort auf das Vertrauen des Himmels aus seinem Herzen aufstieg, und bedenken wir oft am Tag, dass auch wir in dieser Erleuchtung, die Gott dem hl. Josefmaria gewährte, einbegriffen waren.

Preist den Herrn, ihr Engel des Herrn, lobt und rühmt ihn in Ewigkeit.[1] Mit diesen Worten der Hl. Schrift, die in den Frauen und Männern des Opus Dei einen starken Widerhall finden sollten, beginnt morgen am Schutzengelfest die Messe. Sie können uns als Leitlinie dienen, um Gott an diesem neuen Jahrestag der Gründung zu danken, „denn – so sagte unser Vater – „es ist kein Zufall, dass Gott sein Werk an einem Tag eingegeben hat, an dem die Kirche sie feiert (…). Wir schulden ihnen viel mehr als ihr glaubt.“[2] Voll Freude erinnere ich Euch daran, dass der hl. Josefmaria uns oft sagte – ganz konkret im Tagungshaus La Chacra in Argentinien –, wir sollten beim Betreten der Kapelle den Engeln Dank sagen für die ununterbrochene Gesellschaft, die sie dem Herrn in der Eucharistie leisten.

Bedenkt, dass die Verehrung der Engel in der Kirche tief verwurzelt ist. Man kann sagen, dass es fast keine Seite der Hl. Schrift – im Alten wie im Neuen Testament – gibt, auf der nicht diese reinen Geistwesen erscheinen, die sich der Schau Gottes erfreuen und seine Befehle vollstrecken.[3] Bei einer seiner Katechesen machte Johannes Paul II. darauf aufmerksam, dass die Leugnung ihrer Existenz bedeuten würde, die Hl. Schrift – und mit ihr die gesamte Heilsgeschichte – völlig zu revidieren[4], und man dem größten Irrtum verfiele.

Das morgige Fest gibt uns die Gelegenheit, mehr Umgang mit diesen himmlischen Geistern zu haben. Bedenken wir als erstes, dass sie Geschöpfe Gottes sind, und dass nur Christus das Zentrum der Engelwelt und des gesamten Kosmos ist. Der Vorrang Christi, des menschgewordenen Wortes, über die Geschöpfe ist eine der unverrückbaren Grundlagen des katholischen Glaubens. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare; Thronen und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen.[5]

„Aber was ist ein Engel?“, fragte sich Papst Benedikt XVI. Und er antwortete: „Die Heilige Schrift und die Tradition der Kirche lassen uns zwei Aspekte erkennen. Der Engel ist einerseits ein Geschöpf, das vor Gott steht und mit seinem ganzen Sein auf Gott ausgerichtet ist. Alle drei Namen der Erzengel enden mit dem Wort »El«, was »Gott« bedeutet. Gott ist in ihre Namen, in ihr Wesen eingeschrieben. Ihr wahres Wesen ist das Dasein vor Ihm und für Ihn.“[6]

Diese Aussagen heben hervor, dass die wichtigste Aufgabe der Engel in der Anbetung der Heiligsten Dreifaltigkeit besteht. Immerzu erheben sie ein Danklied zum Schöpfer und Herrn aller Dinge, der sichtbaren wie der unsichtbaren. Die Engel und die Menschen sind auf das gleiche Ziel hin geschaffen. Jene haben es bereits erreicht, während wir noch unterwegs sind. Daher ist es sehr angebracht, mit ihrer Hilfe zu rechnen, um so den Weg gehen zu lernen, der zum Himmel führt. „Ich bete jeden Tag zu den Engeln und rufe sie an, sagte einmal unser Vater, und ich wende mich an die Fürbitte der Schutzengel meiner Kinder, damit wir alle die Kunst erlernen, unserem Gott »den Hof zu machen«. Das wird uns mit Eifer erfüllen und entschlossen machen, den Menschen den Trost der göttlichen Lehre zu bringen.“[7]

Der hl. Josefmaria regte dazu an, jeden Tag am Anfang des betrachtenden Gebetes, nach dem Gebet um die Fürsprache der Mutter Gottes und des hl. Josef, die Engel anzurufen. Verehren wir sie? Wenden wir uns an sie in der Gewissheit, gehört zu werden? Besonders in Bezug auf das eucharistische Opfer sagte unser Vater: „Mein Lobpreis verbindet sich mit dem der Engel, denn ich weiß, dass sie mich umgeben – die Dreifaltigkeit anbetend –, wenn ich die Heilige Messe feiere.“[8]Auch wenn wir Jesus im Tabernakel einen Besuch abstatten und vielleicht nicht wissen, wie wir ihn grüßen, wie wir ihm unsere Dankbarkeit oder unsere Anbetung zeigen sollen, können wir das Beispiel des hl. Josefmaria nachahmen. „Wenn ich in eine unserer Kapellen gehe, vertraute er uns an, habe ich keine Hemmung, dem Herrn zu sagen: Jesus, ich liebe dich. Und ich preise den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist (…). Und ich denke daran, die Engel zu grüßen, die den Tabernakel bewachen und den eucharistischen Christus in Liebe, Anbetung und Sühne begleiten. Ich danke ihnen, dass sie den ganzen Tag und die ganze Nacht dort sind, denn ich kann das nur mit dem Herzen tun: Danke, ihr heiligen Engel, die ihr immer bei Jesus in der Eucharistie verweilt!“[9] Ich möchte Euch nahelegen, Euch Tag für Tag mit dem Gebet unseres Gründers am 2. Oktober 1928 zu verbinden. Möge die Antwort, die unser Vater in Dankbarkeit und Verantwortung gab, bei uns nicht fehlen.

Da die Engel die Heiligste Dreifaltigkeit in Vollkommenheit anbeten, können sie ebenfalls den zweiten Aspekt, der sie kennzeichnet, vollendet erfüllen: „Sie sind Boten Gottes. Sie bringen Gott zu den Menschen, sie öffnen den Himmel und öffnen so die Erde. Gerade weil sie bei Gott sind, können sie auch dem Menschen sehr nahe sein.“[10] Das hat uns Christus geoffenbart, als er von der Liebe Gottvaters zu den Kindern und zu denen, die wie die Kinder werden, sprach: Hütet euch davor, einen von diesen Kleinen zu verachten! Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters.[11]

Gestützt auf diesen und andere inspirierte Texte lehrt die Kirche, dass „die Engel mit ihrer Hut und Fürbitte das Leben des Menschen von seinem Beginn bis zum Tod umgeben“[12]. Und sie macht sich eine in den Schriften der Kirchenväter häufig zu findende Aussage zu eigen: „Einem jeden der Gläubigen steht ein Engel als Beschützer und Hirte zur Seite, um ihn zum Leben zu führen.“[13] Unter den Himmelsgeistern sind es die Schutzengel, die von Gott an die Seite jedes Mannes und jeder Frau gestellt werden. Sie sind unsere nahen Freunde und Verbündete im Kampf gegen die Nachstellungen des Feindes, wie uns die Schrift sagt. Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs.[14] Unser Vater bezieht sich auf diese Lehre, wenn er kurz und bündig rät: „Wende dich in der Stunde der Prüfung an deinen Schutzengel. Er wird dich gegen den Teufel beschützen und dir übernatürliche Gedanken eingeben.“[15]

Ein christlicher Autor des 2. Jahrhunderts nennt einige Zeichen, an denen man die Eingebungen der guten Engel erkennen und von denen der bösen Engel unterscheiden kann: „Der Engel der Gerechtigkeit ist feinfühlig, schamhaft, sanft und ruhig. Wenn also dieser Engel in dein Herz kommt, wird er sofort mit dir über die Gerechtigkeit, die Keuschheit, die Heiligkeit, über die Abtötung, über jedes gerechte Handeln und jede herrliche Tugend sprechen. Wenn all diese Dinge in deinem Herzen aufsteigen, dann wisse, dass der Engel der Gerechtigkeit bei dir ist. Denn das sind die Werke des Engels der Gerechtigkeit. Glaube daher an ihn und an seine Werke.“[16]

Der Kampf zwischen Gut und Böse, ein trauriges Erbe der Ursünde, ist ein ständiger Begleiter des menschlichen Lebens auf der Erde. Es ist daher nur natürlich, dass wir, wie es in einem alten Gebet heißt, unsere Zuflucht zu den Schutzengeln nehmen: Sancti Angeli Custodes nostri, defendite nos in proelio ut non pereamus in tremendo iudicio – heilige Schutzengel, verteidigt uns im Kampf, damit wir im schrecklichen Gericht nicht zugrunde gehen.

Schon in seiner Jugend verehrte unser Gründer die Engel sehr, besonders seinen Schutzengel. Danach, vom Moment der Gründung des Opus Dei an, ist seine Biographie voll von kleinen Ereignissen, in denen sich eine unsentimentale und vertrauensvolle Andacht zu diesen Anbetern Gottes zeigt, die gute Begleiter auf dem Weg zum Himmel sind. Auch in seinen Schriften gibt es zahlreiche Bezüge zum Dienst der Engel an den Menschen, denn, wie die Schrift sagt: Sind sie nicht alle nur dienende Geister, ausgesandt, um denen zu helfen, die das Heil erben sollen?[17] Sein Glaube an das Eingreifen der Engel war so groß, dass er sie als wichtige Verbündete im Apostolat anzusehen lehrte. „Verbünde dich mit dem Schutzengel dessen, den du für dein Apostolat gewinnen willst. – Er ist immer ein guter »Komplize«“[18], schrieb er im Weg. Und an einer anderen Stelle versicherte er bei dem Gedanken daran, dass das Umfeld, in dem jemand aus beruflichen, gesellschaftlichen u.a. Gründen lebt, sehr weit von Gott entfernt ist: „Es gäbe in diesem Milieu viele Versuchungen? Gut. Gibt es nicht auch die Schutzengel?“[19]

Das Läuten der Glocken der Kirche Unserer Lieben Frau von den Engelen, das in den Ohren unseres Vaters nie verstummte, sollte auch in den unsrigen weiter klingen und uns so daran erinnern, dass unser ganzes Leben der Anbetung Gottes gewidmet sein muss, vereint mit Maria, den Engeln und der ganzen triumphierenden Kirche.

Unser Vater pflegte auch einen freundschaftlichen Umgang mit dem Erzengel, der nach einigen Kirchenvätern jedem Priester für seinen priesterlichen Dienst beigegeben ist. „DieAuffassung, dass die Priester einen Engel zur Seite haben, der in besonderer Weise beauftragt ist, ihnen zu helfen, ist ziemlich wahrscheinlich“, sagte er bei einer Gelegenheit. „Aber vor vielen, vielen Jahren, als ich las, dass jeder Priester einen Amts-Erzengel hat, war ich innerlich bewegt. Ich machte mir eine Art Halleluja als Stoßgebet zurecht, das ich dem meinen oft wiederhole, morgens wie abends. Manchmal habe ich gedacht, dass ich das nicht glauben darf, nur weil es ein Kirchenvater, an dessen Namen ich mich nicht einmal erinnere, gesagt haben soll. Aber dann betrachte ich die Güte Gottes und bin sicher, dass, selbst wenn sich jener Autor geirrt haben sollte, mir der Herr wohl solch einen Erzengel zur Seite stellen würde, da ich mit derart viel Glauben zu ihm bete.“[20]

Verweilen wir noch bei diesen und anderen Äußerungen zu den Engeln und bemühen wir uns, sie in unser Leben aufzunehmen, jeder nach seiner Art. Wenden wir uns vertrauensvoll an sie. Innere Schwierigkeiten, die unüberwindbar scheinen, äußere Hindernisse, die echten Mauern ähnlich sind – sie alle werden wir mit dem Beistand dieser mächtigen Freunde, deren Schutz uns der Herr anvertraut hat, überwinden. Aber dazu ist, wie unser Gründer mit Bezug auf die Quellen der geistlichen Überlieferung der Kirche lehrte, eine echte und feste Freundschaft mit unserem Schutzengel und mit denen der Menschen, mit denen uns eine apostolische Freundschaft verbindet, nötig. Denn „der Schutzengel ist ein Himmelsfürst, den uns Gott zur Seite gestellt hat, damit er über uns wacht und uns hilft, damit er uns Mut macht inunseren Ängsten, damit er uns im Leiden zulächelt, damit er uns antreibt, wenn wir zu fallen drohen und uns aufrecht hält.“[21]

Eine weitere Überlegung, die der hl. Josefmaria in der Spur des Sämanns niedergeschrieben hat, kann für uns sehr tröstlich sein: „Der heilige Schutzengel begleitet uns ständig, er ist ein Kronzeuge unseres Tuns. Im persönlichen Gericht nach deinem Tode wird er all die kleinen Aufmerksamkeiten bezeugen, die du im Verlauf deines Lebens dem Herrn aus Liebe erwiesen hast. Mehr noch: Wenn du wegen der furchtbaren Anklage des Feindes befürchtest, verloren zu gehen, dann wird dein Engel all jene tiefen Regungen deines Herzens – die du vielleicht schon vergessen hattest – und all die Zeichen der Liebe bezeugen, die du Gott dem Vater, Gott dem Sohn, Gott dem Heiligen Geist gewidmet hattest. Vergiss also deinen Schutzengel niemals! Und dieser machtvolle Himmelsfürst wird auch dich niemals vergessen, weder jetzt noch in jener entscheidenden Stunde.“[22]

In unserem geistlichen Kampf und im Apostolat können wir immer auf das Interesse und den Schutz der Königin der Engel zählen. In diesem Monat feiern wir eins ihrer Feste mit der Bezeichnung Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz. Diese Frömmigkeitsübung zu Ehren Marias ist eine „mächtige Waffe“ in allen Schlachten zur Ehre Gottes und zum Heil der Seelen. Beten wir in den kommenden Wochen den Rosenkranz mit mehr Andacht, überzeugt, dass unsere himmlische Mutter in diesem marianischen Jahr, das wir begehen, in besonderer Weise hervortreten und uns von ihrem Sohn viele Gnaden erlangen wird.

Zum Schluss erinnere ich Euch an den 6. Oktober, den Jahrestag der Heiligsprechung unseres Vaters. Bitten wir Gott auf seine Fürsprache hin, dass die übernatürliche Freude jener Tage und der damals empfangene Impuls für das Streben nach Heiligkeit in seinen Töchtern und Söhnen des Opus Dei und in allen, die in Kontakt mit dem Werk kommen, lebendig und stark bleibt. Ich kann nur sagen, dass ich jeden Tag zum hl. Josefmaria bete, damit in jedem von uns jener Name – der Heilige des Alltags –, mit dem der Diener Gottes Johannes Paul II. ihn bezeichnete, lebendig sei. Man kann ihn auch so interpretieren: Der hl. Josefmaria ist der Heilige, der uns in allen Umständen jeden Tages beisteht. Nutzen wir diese „Beschäftigung“ unseres Vaters, der uns sehr gern hat, der aber will, dass wir heilig sind.

In jedem Monat gibt es wirklich viele Kirchenfeste und Ereignisse der Geschichte des Werkes, an die wir uns erinnern sollten, damit unser tägliches serviam! sehr großzügig ist.

[1] Dan 3, 59

[2] Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einem Familientreffen, 24.12.1963

[3] Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 331-333

[4] Vgl. Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz, 9.7.1986

[5] Kol 1, 16

[6] Benedikt XVI., Predigt, 29.9.2007

[7] Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einem Familientreffen, Oktober 1972

[8] Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 89

[9] Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einem Familientreffen, 6.1.1972

[10] Benedikt XVI., Predigt, 29.9.2007

[11] Mt 18, 10

[12] Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 336

[13] Hl. Basilius, Contra Eunomio 3, 1 (PG 29, 656B)

[14] Eph 6, 12

[15] Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 567

[16] Hermas, Pastor, Gebot VI, Nr. 2

[17] Hebr 1, 14

[18] Hl. Josefmaria, Der Weg, 563

[19] Ebd., Nr. 566

[20] Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einer Betrachtung, 26.11.1967

[21] Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einem Familientreffen, 16.6.1974

[22] Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 693