Brief des Prälaten (Januar 2008)

Bischof Echevarría erinnert daran, dass alle Christen ihren Glauben durch das Beispiel und das Wort weitergeben müssen.

Seit dem vergangenen 25. Dezember erinnert uns alles an die Geburt Christi, des ewigen Wortes des Vaters, das zu unserer Rettung Fleisch annahm und von der Jungfrau Maria geboren wurde. In den Ländern christlicher Tradition drückt sich die Freude angesichts dieses wunderbaren Geheimnisses auf verschiedene Weise in der Volksfrömmigkeit aus. Viele Männer und Frauen guten Willens, auch Nichtchristen, teilen mit den Katholiken die Ideale des Friedens, der Gerechtigkeit und der Solidarität, die uns dieses Fest ins Gedächtnis ruft. Das ist ein Beweis mehr dafür, wie die Botschaft Christi auf die tiefsten Sehnsüchte der Menschen antwortet.

Trotzdem ist das Entscheidende von Weihnachten nicht, daß diese Wünsche geweckt werden, die so bedeutungsträchtig sind, vor allem in Zeiten wie der unseren, in denen in vielen Nationen und in vielen Ländern kein Friede herrscht. Was wirklich zählt ist das Ereignis, das wir feiern. Der Heilige Vater erinnerte wenige Tage vor diesem Fest daran: "In Bethlehem ist der Welt das Licht erschienen, das unser Leben erleuchtet, uns ist der Weg offenbart worden, der uns zur Fülle unseres Menschseins führt. Wenn man nicht erkennt, daß Gott Mensch geworden ist, welchen Sinn hat es dann, Weihnachten zu feiern? Die Feier wird leer. Vor allem wir Christen müssen mit tiefempfundener Überzeugung die Wahrheit der Geburt Christi wieder bekräftigen, um vor allen Menschen das Bewußtsein eines unglaublichen Geschenks zu bezeugen, das ein Reichtum nicht nur für uns, sondern für alle ist. (1)"

Weihnachten stellt uns wieder einmal die dringende Notwendigkeit vor Augen, mit Christus daran zu arbeiten, daß die Erlösung Früchte trägt. Die Hirten von Bethlehem geben uns ein Beispiel: nachdem sie zum Stall geeilt sind, wo sie Maria und Josef fanden und das Kind, das in der Krippe lag, kehrten sie voller Freude an ihre normale Arbeit zurück. Sie waren innerlich verwandelt, sie rühmten und priesen Gott für das, was sie gehört und gesehen hatten, und hatten nur den einen Wunsch, ihren Nachbarn und Verwandten die gute Nachricht mitzuteilen; und so staunten alle, die es hörten, über die Worte der Hirten (2). Dabei ist anzunehmen, daß sie, wie es auch heutzutage der Fall ist, eher zurückgezogene, nicht eben gesprächige Menschen waren.

Wenn jemand eine große Freude erfährt, fühlt er den Drang, sie seiner Umgebung mitzuteilen. Und das um so mehr, wenn es sich um das übernatürliche Leben handelt, das Jesus uns gebracht hat. Dieses Glück kann man nicht für sich behalten, denn die christliche Berufung bringt ihrer Natur nach das Bedürfnis zum Apostolat mit sich. Die Freude, von Gott erlöst worden zu sein, kann ein Herz allein nicht fassen. "Der hl. Augustinus sagt, daß der, welcher einen Menschen zur Umkehr bringt, seine eigene Seele gerettet hat. Bedenkt also, was es bedeutet, andere Seelen auf den Weg zu Gott zu führen, sie zur Hingabe zu bewegen. Das ist wunderbar! (…) Denn das Gute hat natürlicherweise die Tendenz, sich auszubreiten. Wenn ich eine Wohltat erfahre, werde ich ganz selbstverständlich den wirksamen Wunsch haben, daß andere an diesem meinem Glück teilhaben.(3)"

Trotzdem hat sich vielerorts die falsche Vorstellung Bahn gebrochen, daß es nicht angebracht sei, mit anderen über die eigenen religiösen Überzeugungen zu sprechen. Das heißt nämlich – so wird gesagt –, sich in das Privatleben der anderen einzumischen, was einem Angriff auf die Intimsphäre gleichkommt. Eine solche Haltung sollten wir nicht akzeptieren und ganz im Gegenteil immer bereit sein, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung unserer christlichen Berufung fragt (4), beseelt von dem Wunsch, die Frohe Botschaft von unserer Rettung möge in den Ohren unserer Verwandten, Freunden und Bekannten nachklingen.

Man darf sich nicht mit dem Zeugnis des Beispiels zufrieden geben, denn das Beispiel allein genügt nicht, auch wenn es unerläßlich ist. Erinnern wir uns an den Vorwurf, den Gott denen machte, die das Volk nicht vor den Gefahren der Götzenverehrung warnten: Es sind lauter stumme Hunde, sie können nicht bellen. Träumend liegen sie da und haben gern ihre Ruhe.(5)

Meine Töchter und Söhne, seien wir wachsam, um diese Rüge des Herrn nicht hören zu müssen; wir würden aufhören, das Salz der Erde und das Licht der Welt (6) zu sein. Und das darf nicht geschehen. Nährst du deinen apostolischen Eifer, als wäre er gleichsam ein übernatürlicher Instinkt? Bittest du Gott, er möge dir das rechte Wort eingeben für deine täglichen Gespräche, auch für die im beruflichen Bereich und in deiner Freizeit? Man muß den Menschen, Männern wie Frauen, von der göttlichen Herablassung erzählen, die sich im Kommen des Gottessohnes in diese Welt offenbart hat. Man muß ihnen sagen, daß Gott bei der Verkündigung seiner Botschaft der Liebe, des Lebens und des Friedens unsere Mitarbeit erwartet.

Vor wenigen Wochen veröffentlichte die Kongregation für die Glaubenslehre eine Lehrmäßige Note zu einigen Aspekten der Evangelisierung, die Benedikt XVI. allen Gläubigen zur Reflexion empfiehlt (7). Unter anderem erinnert dieses Dokument daran, daß "den Verstand und die Freiheit einer Person ehrlich zur Begegnung mit Christus und seinem Evangelium aufzufordern, daher ihr gegenüber keine ungebührende Einmischung ist, sondern ein rechtmäßiges Angebot und ein Dienst, der die Beziehungen zwischen den Menschen fruchtbarer machen kann" (8). Mehr noch: "Wenn der Mensch religiös bedeutsame Ereignisse und Wahrheiten anderen mitteilt und ihnen hilft, diese anzunehmen, steht dieses Tun nicht nur ganz im Einklang mit dem Wesen eines humanen Dialog-, Verkündigungs- und Lernprozesses, sondern entspricht auch einer anderen wichtigen anthropologischen Gegebenheit: Dem Menschen ist die Sehnsucht eigen, die anderen an den eigenen Gütern teilhaben zu lassen." (9)

Natürlich respektieren wir hier wie in allem die innersten Überzeugungen und die Freiheit der anderen und verteidigen sie sogar; wir schließen jede Art von Gewalt aus. Wir haben das lebendige Beispiel und die Verkündigung des heiligen Josefmaria vor Augen, der darauf hinwies: "Ich habe immer die Freiheit der Gewissen verteidigt. Denn Gewalt verstehe ich nicht. Sie erscheint mir weder geeignet zu überzeugen noch zu siegen." (10)

Ich erinnere mich gut daran, wie unser Vater auf diesem Punkt bestand. Vielleicht sprach er häufiger darüber, als sich in verschiedenen Bereichen die Vorstellung Bahn brach, es sei nicht nötig, mit den anderen über unseren Glauben zu sprechen, das Zeugnis des persönlichen Verhaltens reiche aus. Angesichts dieser Haltung, die am Ende den missionarischen Eifer der Kirche lähmen könnte, reagierte der heilige Josefmaria mit apostolischer Stärke und Klarheit: "Meine Kinder sollen die Gelegenheiten zum Gespräch suchen und das Wunderbare, das Gott uns anvertraut hat, weitererzählen. Die reine Präsenz reicht nicht aus für ein christliches Engagement." (11)

Als das Zweite Vatikanische Konzil zu Ende ging, spornte uns unser Gründer an, die großartigen Lehren dieser großen Kirchenversammlung in die Tat umzusetzen: vor allem forderte er uns auf, die Leute öffentlich und privat an den allgemeinen Ruf zur Heiligkeit und zum Apostolat zu erinnern, den das Konzil nachdrücklich verkündet hatte. Er hielt uns an, mit allen – Katholiken und Nichtkatholiken, Christen und Nichtchristen – ein beständiges apostolisches Gespräch zu unterhalten, das sich auf die Wahrheit und die Liebe stützt. Er selbst tat dies bis zum Ende seines Lebens. Ich bewahre viele Erinnerungen daran, wie er die Gelegenheiten nutzte, um den Menschen auf diese Art und Weise zu dienen.

Es waren Zeiten, in denen viel darüber diskutiert wurde, ob es nicht besser sei, den christlichen Glauben anderen Menschen nicht darzulegen; es wurde sogar die Meinung vertreten, im Dialog mit anderen sei es angebracht, die von der Kirche gelehrten Wahrheiten beiseite zu lassen, so als sei jedwede Meinung in Bezug auf Gott oder die offenbarten Wahrheiten gleich gültig und authentisch. Ausgehend vom Evangelium wies der heilige Josefmaria auf die vielen Beispiele hin, wie Christus mit seinen Zeitgenossen sprach oder ihnen predigte. Und er stellte mit Freude fest, daß die Christen im Laufe der Jahrhunderte immer so gehandelt haben und dem Beispiel des Meisters gefolgt sind. "Um das Evangelium zu verkünden, führten die ersten Zwölf wunderbare Gespräche mit allen, denen sie begegneten oder die sie auf ihren Reisen und Wanderungen aufsuchten. Wenn die Apostel nicht diesen übernatürlichen Dialog mit all jenen Menschen aufgenommen hätten, gäbe es keine Kirche. Denn das christliche Apostolat ist nicht mehr als das: ergo fides ex auditu, auditus autem per verbum Christi (Röm 10, 17); denn der Glaube kommt vom Hören und das Hören hängt von der Verkündigung des Wortes Christi ab." (12)

In seiner letzten Enzyklika über die christliche Hoffnung legt der Papst mit Entschiedenheit diese Lehre dar. Davon ausgehend, daß das Streben nach der Heiligkeit nicht übertragbar ist, da niemand uns ersetzen kann, wenn es um die persönliche Antwort auf die Gnade geht, erklärt Benedikt XVI.: "Die Beziehung zu Jesus aber ist Beziehung zu dem, der sich für uns alle hingegeben hat (vgl. 1 Tim 2, 6). Das Mitsein mit Jesus Christus nimmt uns in sein "Für alle" hinein, macht es zu unserer Seinsweise. Es verpflichtet uns für die anderen." (13) Da liegt die Wurzel für die Notwendigkeit der Weitergabe der Frohen Botschaft von der Erlösung an andere Menschen. "Unsere Berufung als Kinder Gottes inmitten der Welt fordert von uns, daß wir nicht nur unsere persönliche Heiligkeit suchen, sondern daß wir die Wege der Erde in Pfade verwandeln, auf denen die Menschen durch alle Hindernisse hindurch zu Gott gelangen." (14) Es gibt also keinen Zweifel daran, daß Gott möchte, daß wir unser persönliches Apostolat der Freundschaft und des Vertrauens ausweiten, da es integrierender Bestandteil der empfangenen Berufung ist. Diese Art des Apostolates wiederum ist charakteristisch für die Gläubigen, die aufgrund göttlicher Berufung mitten in der Welt leben, konkret für die, die ihre geistliche Nahrung vom Opus Dei empfangen.

In diesem Monat sind es fünfundsiebzig Jahre her, daß der heilige Josefmaria der apostolischen Arbeit mit der Jugend, der er sich seit der Gründung des Opus Dei widmete, einen entscheidenden Impuls gab. Es war am Samstag, den 21. Januar 1933, als unser Vater zum ersten Mal eine kleine Gruppe von jungen Männern versammelte, um ihnen einen Unterricht über den christlichen Glauben zu halten.

Mit wie viel übernatürlicher Sicht, mit welcher Freude und Liebe begann unser Gründer mit diesem Bildungsmittel! Trotzdem, so erinnerte er sich häufig, kamen zu jenem ersten Kreis nur drei Jungen, obwohl er vorher mit neun oder zehn gesprochen hatte. Der heilige Josefmaria ließ sich nicht entmutigen. Voller Glauben und Vertrauen auf die Fürsprache der Muttergottes und des hl. Josef empfahl er diese Arbeit erneut dem Erzengel Raphael und dem Apostel Johannes an und gab jenen Ersten den Segen mit der Monstranz. Betrachten wir in Ruhe seine Worte: "Nach dem Unterricht ging ich mit jenen jungen Männern in die Kapelle, nahm die Monstranz mit dem Allerheiligsten, erhob sie und segnete die drei Teilnehmer … Ich sah dreihundert, dreihunderttausend, dreißig Millionen, drei Milliarden … Weiße, Schwarze, Gelbe, in allen Hautfarben, in allen Schattierungen, die die menschliche Liebe hervorbringen kann. Und ich griff noch zu kurz, denn nun ist es Wirklichkeit (…). Ich griff zu kurz, denn der Herr war viel großzügiger!" (15)

Am folgenden Tag, am Sonntag, dem 22. Januar, fand die erste Katechese statt – ein unerläßliches Mittel in der apostolischen Arbeit mit der Jugend und auch mit Erwachsenen. Es kamen einige der Jungen, die unser Vater kannte. Sie gingen zu einer Schule in der Siedlung Los Pinos am Stadtrand von Madrid, wo sie von vielen Kindern erwartet wurden. Die Bildungsvorträge, die Katechesen und die Besuche bei Armen und Kranken, die unser Gründer schon lange Zeit vorher machte, waren – und werden es immer sein – ein solides Fundament dieses Apostolates, das mit Worten unseres Vaters wie unser Augapfel ist.

Natürlich fällt hauptsächlich den jüngeren Gläubigen der Prälatur und denjenigen, denen man diese Aufgabe besonders anvertraut hat, die Last und die Freude zu, sich diesem Apostolat zu widmen. Meine Töchter und Söhne, denkt an das Vertrauen Gottes, der die Seelen so vieler Jungen und Mädchen, die ehrlich auf der Suche nach dem tiefen Sinn des Lebens sind, in Eure Hände legen will, damit Ihr sie formt, wie der Bildhauer den Ton bearbeitet. Bereitet die Kreise und die Katechismusunterrichte gut vor und bittet den Heiligen Geist, er möge Euren Worten eine mitreißende Kraft verleihen. Geht entschlossen auf Eure Freundinnen und Freunde zu und beginnt mit ihnen ein apostolisches Gespräch, das sie suaviter et fortiter (16), voll Güte und Macht zu Christus führt.

Es ist beeindruckend, wie Benedikt XVI. darauf besteht, daß man die Jugendlichen zur Großzügigkeit auffordern soll, dazu, sich Christus mehr zu nähern und ihm zu folgen. Wecken wir ein Echo seiner Worte in den Ohren vieler und vertrauen wir dabei auf das Wirken des Heiligen Geistes und auch auf die Fähigkeit, sich in den Dienst großer Ideale zu stellen, die immer ein Merkmal der Jugend gewesen ist, selbst wenn sie manchmal in den Herzen zu schlummern scheint.

Wenden wir uns vertrauensvoll an den hl. Raphael und den hl. Johannes, die Patrone dieser Arbeit. Bitten wir auch den heiligen Josefmaria, der vor nun schon so vielen Jahren mit dieser Arbeit begann. Habt vor Augen, daß Ihr, daß wir alle auf diese Weise die Zukunft der Kirche und die zukünftige christliche Gesellschaft vorbereiten.

-----------------------

(1) Benedikt XVI., Ansprache bei der Generalaudienz, 19.12.2007

(2) Vgl. Lk 2, 16–20

(3) Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einem Beisammensein, 29.12.1959

(4) Vgl. 1 Petr 3, 15

(5) Jes 56, 10

(6) Mt 5, 13-14

(7) Vgl. Benedikt XVI., Ansprache bei der Generalaudienz, 19.12.2007

(8) Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Aspekten der Evangelisierung, 3.12.2007, Nr. 5

(9) Ebd., Nr. 7

(10) Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 44

(11) Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einem Beisammensein, 25.8.1968

(12) Hl. Josefmaria, Brief 24.10.1965, Nr. 13

(13) Benedikt XVI., Enzyklika Spe Salvi, 30.11.2007, Nr. 28

(14) Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 120

(15) Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einem Beisammensein, 19.2.1975

(16) Vgl. Weish 8, 1