JESUS HATTE mehrere Fragen seiner Zuhörer beantwortet, als einer von ihnen anfing, die Schönheit des Tempels von Jerusalem zu preisen. Der Herr nutzte diesen Moment, um zum Schrecken seiner Zuhörer von der künftigen Zerstörung des Tempels und, noch geheimnisvoller, von der Endzeit zu sprechen. Die so genannte eschatologische Rede Christi – seine Rede über das, was am Ende kommen wird – ist keinem Evangelisten entgangen: Wir finden sie in allen drei synoptischen Schriften.
Das genaue Ende bleibt ein Geheimnis; Gott hat uns den Moment nicht offenbart. Das heutige Evangelium fordert uns jedoch auf, unter allen Umständen „Zeugnis zu geben“. Dieses Zeugnis findet seinen höchsten Ausdruck im Martyrium – ein Wort, das aus dem Griechischen stammt und „Zeuge“ bedeutet. Jesus wusste, dass einige unserer Brüder und Schwestern, von den Anfängen des Christentums bis heute, Verfolgung erleiden würden: Man wird Hand an euch legen und euch verfolgen. Man wird euch den Synagogen und den Gefängnissen ausliefern, vor Könige und Statthalter bringen um meines Namens willen. Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können (Lk 21,12-13).
„Die Märtyrer sind jene Menschen“, erklärte Papst Franziskus, „die die Kirche voranbringen. Sie stützen die Kirche – damals wie heute. Viele Christen werden verfolgt, verspottet, eingesperrt – oft nur, weil sie ein Kreuz tragen oder sich zu Jesus Christus bekennen. Das ist der Ruhm der Kirche und zugleich unsere Demütigung. (...) In den ersten Jahrhunderten der Kirche schrieb ein antiker Schriftsteller: ,Das Blut der Märtyrer ist der Same der Christen.‘ Durch ihr Martyrium, durch ihr Zeugnis, durch ihr Leiden, auch dadurch, dass sie ihr Leben hingeben, säen diese Christen die Christen der Zukunft.“1
„DIESE WELT, in der wir leben, braucht Schönheit, um nicht in Verzweiflung zu geraten. Die Schönheit bringt – so wie die Wahrheit – Freude in die Herzen der Menschen; sie ist die kostbare Frucht, die dem Verfall der Zeit widersteht und die Generationen verbindet.“2 Diese Worte des heiligen Papst Pauls VI. an einige Künstler erinnern uns daran, dass die Ausstrahlung eines demütigen und freudigen christlichen Lebens eine Quelle der Hoffnung für unsere Welt ist. Jede Mühe, die wir vereint mit Gott auf uns nehmen – sei es in den Aufgaben des Alltags oder in der Nähe zu unseren Mitmenschen, besonders zu denen, die leiden und unsere Hilfe brauchen –, wird zu einer Gelegenheit, Zeugnis abzulegen.
Der heilige Josefmaria betonte, dass „die spezifische Art der Laien, ihren Beitrag zur Heiligkeit und zum Apostolat der Kirche zu leisten, im freien und verantwortlichen Wirken innerhalb der zeitlichen Strukturen liegt. Auf diese Weise bringen sie den Sauerteig der christlichen Botschaft in die Gesellschaft ein. Das Zeugnis eines christlichen Lebens, das Wort, das im Namen Gottes aufleuchtet, und verantwortliches Handeln im Dienst an den Mitmenschen durch die Lösung gemeinsamer Probleme – alles das sind Ausdrucksformen, durch die ein gewöhnlicher Christ seinen göttlichen Auftrag erfüllt.“3
Für die allermeisten von uns besteht der Ruf Gottes darin, den Glauben in jeder Situation kohärent zu leben: in der Arbeit, in der Familie, im Freundeskreis. Das Martyrium, zu dem wir berufen sind, kann in einem beständigen Einsatz bestehen, die alltäglichen Dinge mit Liebe und Sorgfalt zu tun und dabei das Glück anderer im Blick zu behalten. Der heilige Josefmaria schrieb dazu: „Du möchtest Märtyrer werden? – Ich will dir ein Martyrium zeigen, das in deiner Reichweite liegt: Apostel sein, ohne sich Apostel zu nennen; Missionar sein – mit einer Mission –, ohne sich Missionar zu nennen; ein Mann oder eine Frau Gottes sein, während du nach außen hin wie ein Mann oder eine Frau der Welt wirkst. Verborgen bleiben!“4
WELCHE ÜBERRASCHUNGEN wird das Ende unseres Lebens für uns bereithalten, wenn wir erkennen, wie viel Gutes wir in den Jahren, die Gott uns auf Erden geschenkt hat, vollbracht haben! Mit Staunen werden wir die Früchte unseres christlichen Zeugnisses entdecken – oft mehr, als wir erwartet hatten. Manches, was wir für unbemerkt oder gar unfruchtbar hielten, wird sich als wirkungsvoll und bedeutsam erweisen. Am Ende wird uns bewusst werden, dass unser Apostolat viel weitreichender war, als wir es uns vorstellen konnten.
Der heilige Petrus ermutigte die ersten Christen in einem seiner Briefe: Wer wird euch Böses zufügen, wenn ihr euch voll Eifer um das Gute bemüht? Aber auch wenn ihr um der Gerechtigkeit willen leidet, seid ihr seligzupreisen. Fürchtet euch nicht vor ihnen und lasst euch nicht erschrecken, heiligt vielmehr in eurem Herzen Christus, den Herrn! (1 Petr 3,13-15). Die Treue, die Gott von uns erwartet, ruht auf zwei Säulen: auf dem festen Vertrauen darauf, dass wir bei ihm gut aufgehoben sind, und auf dem festen Entschluss, unser demütiges, oft verborgenes Zeugnis unerschütterlich zu leben.
Es lohnt sich nicht, sich von den Hindernissen auf unserem Weg beeindrucken zu lassen. „Die Mutlosigkeit ist der Feind deiner Beharrlichkeit“, schrieb der heilige Josefmaria. „Wenn du nicht gegen sie ankämpfst, wirst du zuerst dem Pessimismus verfallen und schließlich der Lauheit erliegen. Sei optimistisch!“5 Wir wissen nicht, wann das Ende kommt, doch solange wir hier auf Erden sind, dürfen wir immer froh sein, weil wir wissen: Gott, der Herr der Geschichte, ist immer an unserer Seite, auch in den dunkelsten Momenten. Dieses Vertrauen gibt uns die Kraft, selbst in Zeiten der Bedrängnis standhaft zu bleiben und frohen Mutes voranzuschreiten, bis wir schließlich in der Ewigkeit ankommen – dort, wo unsere Mutter Maria auf uns wartet.
1 Franziskus, Tagesmeditation, 30.1.2017. Der zitierte antike Schriftsteller ist Tertullian.
2 Hl. Paul VI., Botschaft an die Künstler, 8.12.1965.
3 Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 59.
4 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 848.
5 Ebd., Pkt. 988.