NACH der Speisung der Volksmenge zog sich Jesus auf den Berg zurück, um zu beten. Die Jünger bat er, vorauszufahren und an der anderen Seite des Sees auf ihn zu warten (vgl. Mt 14,22-25). Petrus und die anderen Apostel machten sich in der Dunkelheit auf den Weg. Mitten auf dem See gerieten sie in einen Sturm. Der Wind blies heftig und die Wellen ließen das Boot hin und her schaukeln, was selbst die erfahrenen Fischer unter ihnen in Furcht versetzte.
Das Evangelium präsentiert uns das Boot der Jünger auf dem stürmischen See als ein Bild für die Kirche, die auf dem Meer der Geschichte der Gefahr scheinbar schutzlos ausgeliefert ist. Papst Benedikt kommentiert: „Der See symbolisiert das gegenwärtige Leben und die Unbeständigkeit der sichtbaren Welt; der Sturm verweist auf jede Art von Drangsal und Schwierigkeit. Das Boot hingegen steht für die von Christus gestiftete und von den Aposteln geleitete Kirche. Jesus will die Jünger lehren, mutig die Widrigkeiten des Lebens zu ertragen und dabei auf Gott zu vertrauen.“1
Der heilige Josefmaria betonte, dass die Christen bei der Verbreitung des Evangeliums oft auf ähnliche Stürme treffen. Manchmal sind es äußere Umstände, andere Male ist es das Gewicht unserer eigenen Schwäche und Sünde: „Auch wir erfüllen Christi Befehl, wenn wir auf einem Meer segeln, das von menschlichen Leidenschaften und Irrtümern aufgewühlt ist. Trotz unserer Schwäche sind wir entschlossen, das Boot des Heils an sein Ziel zu bringen. Manchmal erhebt sich angesichts des Gegenwinds die Stimme unserer Ohnmacht: Sei mir gnädig, Gott, denn Menschen stellten mir nach, Tag für Tag bedrängen mich meine Feinde. Den ganzen Tag stellten meine Gegner mir nach, ja, es sind viele, die mich voll Hochmut bekämpften (Ps 56,2-3). Jesus verlässt uns nicht, und sooft es nötig ist, ist er zur Stelle, mit seiner liebenden Allmacht, um die Herzen der Seinen mit Frieden und Sicherheit zu erfüllen.“2
ALS SICH JESUS den Aposteln auf dem Wasser gehend nähert, waren diese zunächst entsetzt und hielten ihn für ein Gespenst. Vor Angst schrien sie, doch Jesus beruhigte sie: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht! Mutig rief Petrus: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme! Und Jesus antwortete: Komm! Petrus stieg aus dem Boot und ginge über das Wasser auf Christus zu (vgl. Mt 14,25-29). Die Szene zeigt, dass Gott unsere mutigen Ideen liebt, besonders wenn sie aus dem Vertrauen zu ihm entstehen. So wie die Söhne des Zebedäus entschlossen „Wir können es!“ sagten, schätzt Gott solche Glaubenssprünge, solche Kühnheiten in der Nachfolge Christi, die uns in die Lage versetzen, über das stürmische Meer des Lebens zu gehen.
In einem kritischen Moment der vergangenen Pandemie betonte Papst Franziskus: „Der Herr fordert uns heraus, und lädt uns inmitten des Sturms ein, Solidarität und Hoffnung zu erwecken und zu aktivieren, die diesen Stunden, in denen alles unterzugehen scheint, Festigkeit, Halt und Sinn verleihen.“3 Petrus verließ die relative Sicherheit des Bootes, um sich auf die raue See zu wagen, und fand die wahre Sicherheit in Christus. Jesus fordert auch uns auf, uns nicht in unsere Sicherheiten zu flüchten oder uns von der Welt abzuschotten, wenn die See wogt. Stattdessen erwartet er von uns einen kühnen Akt des Glaubens wie den des Petrus. Dieser Glaube hilft uns, den Problemen nicht auszuweichen, sondern ihnen im Vertrauen auf Christi Nähe zu begegnen. Papst Franziskus betete: „Durch sein Kreuz sind wir gerettet, damit wir die Hoffnung annehmen und zulassen, dass sie alle Maßnahmen und Wege stärkt und unterstützt, die uns helfen können, uns selbst und andere zu beschützen. Den Herrn umarmen, um die Hoffnung zu umarmen – das ist die Stärke des Glaubens, der uns von Angst befreit und uns Hoffnung gibt.“4
TROTZ seiner anfänglichen Sicherheit begann Petrus zu sinken, als er den starken Wind bemerkte und rief: Herr, rette mich! Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? (Mt 14,30-31). Petrus konnte nicht aus eigener Kraft auf dem Wasser gehen, sondern nur durch das Wort Jesu. Er begann zu sinken, weil er aufhörte, auf den Herrn zu vertrauen. Papst Benedikt kommentierte: „Dies gilt auch für uns: Wenn wir bloß auf uns selbst schauen, werden wir von den Winden abhängig sein und können nicht mehr durch die Stürme hindurch auf den Wassern des Lebens gehen.“5 Petrus mag geglaubt haben, dass er sich allein aufrechthalten könne, aber er war dazu nur fähig, weil Christus ihn stützte.
Es wird Zeiten geben, in denen wir wie Petrus auf dem Wasser wandeln und den Stürmen des Leben gelassen begegnen. Es wird auch Zeiten geben, in denen wir unterzugehen meinen. In beiden Situationen ist der Herr uns stets nahe, denn er befindet sich in der Tiefe unseres Wesens. Wir sollen unsere Beziehung zu Gott sowohl in der scheinbaren Ferne als auch in der Nähe erfahren. Wie Petrus wird Christus uns die Hand reichen, wenn wir das Gefühl haben, zu ertrinken, und uns ihm mit den Worten zuwenden: Herr, rette mich! (Mt 14,30). Die Erfahrung der Apostel zeigt uns, dass der Wind sich legt, wenn wir Jesus in unser Boot steigen lassen (vgl. Mt 14,32). Wir bitten Maria, dass die Worte ihres Sohnes inmitten der Stürme unseres Alltags in unseren Herzen widerhallen: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht! (Mt 14,27).
1 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 7.8.2011.
2 Hl. Josefmaria, Brief 2, Nr. 1.
3 Franziskus, Besondere Andacht in der Zeit der Epidemie, 27.3.2020.
4 Ebd.
5 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 7.8.2011.