Die Haltung des Gründers des Opus Dei gegenüber der Zweiten Republik war ähnlich wie die einer beträchtlichen Anzahl von Spaniern verschiedenster politischer Prägung. Am Anfang verhielt er sich abwartend, um zu sehen, welche Entwicklung die Dinge nehmen würden. Natürlich war er betroffen, als sich schon sehr früh in zahlreichen neuen Gesetzen die antiklerikale Ausrichtung der ersten Regierung erwies, und ebenso, als er feststellte, wie passiv sich die staatlichen Behörden gegenüber manchen Missbräuchen verhielten.
Nach der Brandschatzung von Kirchen am 11. Mai 1931 schrieb der Gründer: “Die Verfolgung hat begonnen. Am 11. Mai, in einem Anzug von Colo und in Begleitung von Manuel Romeo, habe ich im Krankenstift [dessen Kaplan der hl. Josefmaria seit 1931 war und das zwei Schwesterngemeinschaften umfasste] die Hostie aus der Monstranz konsumiert, das Ziborium voll konsekrierter Hostien mit einer Soutane und Zeitungspapier umwickelt und die Kirche wie ein Räuber durch eine Seitentür verlassen. In dieser Nacht und in den Nächten vom 12. und vom 16. (letztere wegen eines falschen Alarms der Schwestern) habe ich das Allerheiligste im Hause von José aufbewahrt.” (Persönliche Aufzeichnungen, Nr. 202, 20.5.1931, zitiert in VÁZQUEZ DE PRADA, A., Der Gründer des Opus Dei, Josemaría Escrivá; Bd. 1; Die frühen Jahre, Adamas Verlag, Köln 2001, S. 341-342)
Am 13 Mai 1931 zog er angesichts der Gefahr, dass das Stiftsgebäude vom Pöbel in Brand gesteckt wurde, zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in eine nahe gelegene Etage an der Viriato-Straße 22 um.
“Am 13. Mai erfuhren wir, dass das Krankenstift in Brand gesetzt werden sollte. Um sechzehn Uhr haben wir dann unsere Siebensachen gepackt und sind damit in ein ärmliches, nach innen gelegenes Zimmer in der Viriato-Straße 22 gezogen, das ich gottlob finden konnte.” (Ebd., S. 342)
Ein Brief vom 5. Mai 1931 an Isidoro Zorzano dokumentiert beispielhaft die Haltung des hl. Josefmaria. In diesem Brief ermahnt er Isidoro, er möge weder seine Zeit des Gebetes noch die Kommunion vernachlässigen und einen festen Beichtvater behalten. Er bezieht sich dann auf die neue Situation im Land: Das Opus Dei habe keine politische Vorliebe und jedes Mitglied bilde in Freiheit seine politische Meinung, natürlich immer im Einklang mit der christlichen Berufung. »Der politische Wechsel sollte dich absolut kalt lassen. Was dir wichtig sein sollte, ist, dass Gott nicht beleidigt wird.« ” (PERO-SANZ, J. M. Isidoro Zorzano Ledesma, 2. Aufl., Palabra, Madrid 1996, S. 126)
Mitten in jenem von Extremismen geprägten gesellschaftlichen Ambiente verlor er nie seine priesterliche Haltung und seine Gelassenheit. In dem Maße, in dem der gesellschaftliche Umgang immer stärker von Hass, Missgunst und Vergeltungsdrang dominiert wurde, gab er jenen, die ihm damals folgten, einen Rat, den er im Laufe seines Lebens oft weitergegeben hat: “Beten, verzeihen, verstehen, entschuldigen.”
Unter seinen Freunden gab es engagierte Republikaner wie Cándido Baselga. Dieser stammte wie Josemaría aus Barbastro und wurde nach Kriegsende während der 40er Jahre mehrfach schwer bestraft. Er verbrachte einige Jahre im Gefängnis, zuerst weil er eine leitende Stelle bei der Republikanischen Union gehabt hatte, und dann weil er Freimaurer gewesen war. Der hl. Josefmaria besuchte ihn mehrmals im Gefängnis, tröstete ihn und nahm Anteil an seinem Geschick. Die Beziehung der beiden Freunde (seit dem Umzug des hl. Josefmaria nach Rom durch Briefe fortgesetzt) dauerte fort bis zum Tod von Cándido Baselga im Jahre 1972.
Zum Einführungsartikel dieser Serie von Fragen und Antworten